Radl-Interview mit Nasser Ahmed: Der eine oder andere Parkplatz muss geopfert werden
Die Nürnberger SPD hat vor gut einem Jahr einen neuen Vorsitzenden gewählt. Er ist 32 Jahre jung und sitzt, das kann man über Social Media nachprüfen, gern und anscheinend nicht selten auf seinem Fahrrad. Mindestens zwei Gründe, um mal bei Nasser Ahmed anzuklopfen und nachzufragen: Was würdest du für uns tun, für uns Fahrradfahrer dieser Stadt?
CURT: Erstmal vorweg, das ewige Thema: Ist Nürnberg wirklich eine „fahrradfreundliche Kommune“?
NASSER AHMED: Ja, ich denke schon. Mit der Auszeichnung ist nicht gemeint, dass alles schon perfekt ist, sondern dass Politik und Stadtverwaltung alles daran setzen, die Stadt von Jahr zu Jahr noch fahrradfreundlicher zu machen. Und das ist definitiv der Fall. Es gibt im Stadtrat inzwischen einen breiten Konsens für die Verkehrswende.
Du setzt dich im Stadtrat seit 2014 für das Thema ein. Was wurde seither konkret erreicht?
Als ich 2014 in den Nürnberger Stadtrat gewählt wurde, da lag der jährliche Radwege-Bau-Etat bei etwas über 500.000 Euro. Wir haben diesen Etat stufenweise auf 10 Mio. Euro jährlich erhöht. Mir ist kein anderer Posten in irgendeinem politischen Haushalt bekannt, der über ein paar Jahre „verzwanzigfacht“ wurde. Zudem haben wir auf Initiative der SPD 18 Radvorrangrouten, also Fahrrad-Hauptrouten durch die Stadt, und 12 Kilometer Fahrradstraßen beschlossen. Und in Kooperation mit den Aktivisten des Radentscheids haben wir erst Anfang 2021 im Mobilitätspakt die Weichen für eine massive Verkehrswende gestellt: Wir werden viel mehr Platz in der Stadt fürs Rad frei machen. Zudem haben wir in den Haushaltsberatungen 2021 auch beim Personal viele neue Stellen geschaffen. Mit diesen werden wir gut in das Jahrzehnt der Verkehrswende starten. Eine super Sache!
Was muss als nächstes dringend angegangen werden?
Der Mobilitätspakt muss jetzt auch in die Tat umgesetzt werden. Es darf nicht bei politischen Ankündigungen bleiben. Um nun wirklich die 10 Mio Euro jährlichen Radwege-Bau-Etat auf die Straße zu bringen und mehr Platz fürs Rad zu realisieren, müssen harte Entscheidungen getroffen werden. An manchen Hauptverkehrsstraßen heißt es, den ein oder anderen Parkplatz für die gute Sache zu opfern – oder gar eine ganze Autospur. Wir sollten das nicht ohne ein übergeordnetes Konzept machen, sondern uns an das Radvorrangrouten-Netz halten. Aber dort, wo es notwendig ist, brauchen wir jetzt mutige Entscheidungen. Ich hoffe, dass da dann unser Kooperationspartner CSU mitgehen kann. Modellhaft sind hier zu nennen die Entscheidungen in der Bayreuther Straße und in der Ostendstraße. So müssen wir jetzt weitermachen!
Wie glücklich sbist du mit diesem Mobilitätspakt, dem Masterplan nachhaltige Mobilität, der aus dem Radentscheid hervorgegangen ist?
Ich bin sehr zufrieden. Wir haben eine Zielzahl formuliert. Bis 2030 wollen wir 7% weniger Autoverkehr und mehr Bus, Bahn und Rad auf den Straßen haben. Zudem haben wir mutige Entscheidungen zum Stadtumbau weg von der autogerechten zur menschengerechten Stadt durchgesetzt. Klar: Einiges hätte noch konkreter und auch weitergehender sein können. Aber in den groben Grundzügen bin ich sehr zufrieden. Sorgen mache ich mir jetzt eher bei der Umsetzung. Da wird die SPD alles in die Waagschale werfen, dass es auch so kommt, wie es beschlossen wurde. Und die ersten Straßenpläne, die wir nach dem Mobilitätsbeschluss 2021 verabschiedet haben, sprechen eine deutliche Sprache: Wir bauen jetzt grüner, schaffen mehr Platz für Fußgänger, Fahrrad und den ÖPNV.
Mehr Platz für Räder heißt immer auch weniger Platz für Autos. Daher kam der entsprechende Gegenwind für Initiativen wie den Radentscheid. Wie müssen Maßnahmen kommuniziert werden, damit man die Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander aufbringt?
Wir sollten uns in der öffentlichen Kommunikation weniger darauf fokussieren, was wir verlieren, sondern was wir gewinnen. Und statt auf Verbote zu setzen, will ich Angebote schaffen. Anstatt weiterhin beim Radwegebau am Flickenteppich zu optimieren, will ich ein Netz von 18 Radvorrangrouten durchgängig ausbauen. Und dort, wo wir solche durchgängigen Trassen brauchen, da sollte das Rad Vorrang haben – da kann auch ein Parkplatz wegfallen. Der Fokus läge dann darauf, was wir gewinnen: durchgängige Rad-Highways.
Sie sind selbst Radfahrer. Fahren Sie überall in Nürnberg oder würden Sie von bestimmen Strecken abraten?
Im Alltag gehöre ich zu den Radlern, die sich überall mitzufahren trauen, auch wenn´s da mal keinen Radweg gibt. Wenn man Vorsicht walten lässt und offensiv fährt, kann man auch im heftigsten Autoverkehr mitschwimmen. Aber mir ist klar, dass vor allem Seniorinnen und Senioren sowie ungeübte Fahrer z.B. das nicht können. Für sie müssen und werden wir noch bessere Radwege bauen. Bestimmte Südstadt-Achsen, wie die Wölckernstraße, meide aber auch ich. Es gibt supergute parallele Verbindungen durch die Wohngebiete – etwa die Humboldtstraße, die wir zur Fahrradstraße gemacht haben.
Was ist der Nasser Ahmed Radweg-Tipp?
Alle roten Radwege. Ich bin ein bisschen stolz drauf, dass ich damals im Rat den Antrag gestellt habe, dass sie alle aus Sicherheitsgründen rot werden. Wenn ich heutzutage auf einem roten Radweg fahre, fühle ich ein Stück weit Selbstwirksamkeit: Man kann in der Politik was zum Guten bewegen.
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Nasser Ahmed, SPD
aufgewachsen in Nürnberg St. Peter, wurde bereits mit 16 Mitglied der Nürnberger Jusos. Seit 2014 sitzt der Politikwissenschaftler, Kulturgeograf und Radfahrer im Nürnberger Stadtrat. Er ist verkehrspolitischer und sportpolitischer Sprecher der Fraktion und seit April auch Vorsitzender der Nürnberger SPD.