Sechs Mal ausgezeichnet! Die Kulturpreise der Stadt Nürnberg

DONNERSTAG, 23. JULI 2020, NüRNBERG

#Barbara Bess, #Edel Extra, #Ensemble Kontraste, #Jan Bratenstein, #Kulturpreis der Stadt Nürnberg, #Kunstbunker, #Philip Krömer, #Stadt Nürnberg

Gute Wahl: curt gratuliert zuerst einmal, das gehört sich so, den Preisträger*innen der diesjährigen Kulturpreise der Stadt Nürnberg. Aber: curt gratuliert auch der Stadt Nürnberg und ihrer Metropolregion, die sich freuen darf über ihre Künstler*innen. Und curt gratuliert der Jury, die so viel guten Geschmack bewiesen hat. Das ist viel curt Power dabei, da weiß man, was die lesen im Kulturreferat. 

20.000 Euro stehen für die Kulturpreise in jedem Jahr zur Verfügung. Bis zu fünf Personen und Gruppen können damit ausgezeichnet werden, fünf sind es in diesem Jahr auch, macht 4.000 Euro für jeden. Hinzu kommt alle zwei Jahre, und auch in diesem, der Große Kulturpreis, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Ein Beratergremium setzt sich mit dem Kulturreferat zusammen, um die Vorschläge zu erarbeiten, die dann dem Stadtrat vorgelegt werden, der darüber entscheidet, wer ausgezeichnet wird und – genug künstliche Spannung aufgebaut, das sind die Preisträger*innen 2020:

ensemble KONTRASTE (großer Kulturpreis)

Das Ensemble Kontraste gründete sich 1990 als Vereinigung von Musiker*innen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Projekte zu realisieren, die in den großen Orchestern zu kurz kommen. Es geht also zunächst um Musik, klassische Musik und um eine Art von Vermittlung, die einen Kontrast zum Üblichen herstellt. Dafür sucht das eK immer wieder Nähe zu anderen Kunstrichtungen, Literatur und Theater, hat Auffühungen beispielsweise mit Thalias Kompagnons oder dem Theater Pfütze realisiert und ist zu internationalen Gastspielen eingeladen worden. Gerade durch den Ausbruch aus dem Üblichen, durch die prägende Experimentierfreude erreicht das eK Zielgruppen, die über das klassische Klassikpublikum weit hinausreichen.

Jan Bratenstein

Jan “Brati” Bratenstein hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der Go-to-Guys der Nürnberger Musikszene entwickelt, insbesondere wenn es um Folk geht, um LoFi-Sounds und klampfige Gitarrenarbeit. Das liegt zum einen natürlich an seinem Solo-Projekt, The Black Elephant Band, an diesem Angry Antifolk Marke Mit-Löchern-in-den-Schuhen-auf-der-Straße-des-Lebens, zum anderen aber auch an Jans vielgestaltigen Aktivitäten, die darüber hinausreichen: Er spielt bei Folk’s Worst Nightmare, schreibt Bücher und organisiert die SingIn-Bühnen und die LoFi-Reihe im Gostner, um auch für andere Musiker*innen Auftrittsmöglichkeiten zu ermöglichen. Das ist bottom-up-Kulturarbeit im besten Sinne.

Philip Krömer

Mit dieser Entscheidung verbunden ist sicherlich nicht nur Philips großer Jubel, sondern auch das erleichterte Aufatmen einer ganzen Szene: Endlich wieder ein Literat (Ewald Arenz ist 16 Jahre her, wir haben nachgerechnet)! Krömer schreibt herrlich reichhaltig fabulierende Romane (Ymir) und Kurzgeschichten (Ein Vogel ist er nicht), die mit eleganten Fingerchen die Grenzbereiche von Fiktion, blanker Lüge und historisch belegtem Fakt abtasten. Als Vermittler nimmt er darüber hinaus aber eine ähnliche Rolle ein wie oben Jan: Philip ist Mitgründer des Erlanger Verlags homunculus und stellte in diesem Jahr in kürzester Zeit das beeindruckend ausgereifte digitale Lesefestival LitLok auf die Facebook-Beine.

Edel Extra

Das tut so gut weil es genau zum richtigen Zeitpunkt kommt: Im vergangenen Jahr schlug das Edel Extra, der Verein zur Förderung ästhetischer Prozesse, Alarm weil ihm Kandidat*innen für die Vorstandschaft abhanden kamen. Jetzt hat das Edel, Nürnbergs wildestes Kunstwohnzimmer, wieder eine schlagkräftige Truppe am Start (hier entlang zum curt-Interview), die sich auch längst aus allen pandemischen Einhegungen befreit hat und Kunst ausstellt, Edel-Exra-Style: jung, relevant, widerborstig, unangepasst. Dabei ist das Edel zugleich auch ein absolut etablierter Player in der Nürnberger Kunstlandschaft und funktioniert so als notwendiges Bindeglied zwischen lebhafter Subkultur und geldmächtigen Institutionen. 

Barbara Bess

Die Tänzerin, Choreografin, Performancekünstlerin Barbara Bess tanzt nicht bloß, sie stellt bewegungstechnische Forschungsarbeiten an. Dabei geht es ihr letztlich immer um Erkenntnisse über unsere Wahrnehmung, die sie besser durchdringen aber auch herausfordern möchte. Inspiration für Choreografie findet sie beispielsweise in der Auseinandersetzung mit dem Miteinander von Mensch und Natur. Für Aufführungen sucht Barbara Bess die Kombination mit anderen Kunstformen, um etwas herzustellen, das die Zuschauer im besten Sinne angeht und bewegt. Momentan ist sie artist in residence der Tafelhalle, für die sie Trilogie Coming Closer produziert, die 2012 ihren Abschluss finden wird. 

Kunstbunker

Das ist schon einfach richtig gut, dass es so etwas in Nürnberg gibt: Einen Ort unter der Stadt, an dem überregional relevante Kunst stattfinden kann. Der Kunstbunker ist ein ehemaliger Luftschutzkeller und als solcher in seiner heutigen Form ein ideales Beispiel für funktionierende Umwertung. Kultur und produktive Auseinandersetzung statt Kriegsschrecken. Der dahinterstehende Verein gründete sich vor 25 Jahren, beteiligt waren Künstler*innen, die Galerien sowie die Akademie der bildenden Künste. Bis heute müssen alle Ausstellungen im Bunker dem höchst progressiven Anspruch des Vereins gerecht werden. Zuletzt gelang es, die Fotokünstlerin Katharina Sieverding nach Nürnberg zu holen, wenn auch, wegen Corona, nicht in den Bunker, dafür aber in Zusammenarbeit mit dem Bewerbungsbüro N2025 in den öffentlichen Raum.

 




Twitter Facebook Google

#Barbara Bess, #Edel Extra, #Ensemble Kontraste, #Jan Bratenstein, #Kulturpreis der Stadt Nürnberg, #Kunstbunker, #Philip Krömer, #Stadt Nürnberg

Vielleicht auch interessant...

Kultur  01.02.-31.03.2024
Nü, Fü, ERL. Tafelhalle
Nach der aufregenden, installativen Tanz-Performance Wer lebt, der lügt des Kollektivs co>labs folgt schon im Februar die nächste Premiere in der Tafelhalle: Katharina Simons inszeniert in Exit Through The Inside mit ihrem Team CUTTY SHELLS einen kollektiven Ritus zur Transzendenz. Der Choreografin geht es inhaltlich um das Gefühl der Sehnsucht nach grenzenloser Verbundenheit und dem Wunsch nach eskapistischen Erfahrungen. Diesen emotionalen Topoi verleihen die Performer:innen mit einem ekstatischen Tanz der Liebe, Harmonie und Zerstörung Ausdruck und entführen das Publikum auf diesem Wege in Sehnsuchtsorte und einsame Schattenwelten. Der Arbeit ging eine intensive Recherche in Sachen Technoschamanismus und Transmedialität voraus. Premiere: 22.02. Weitere Aufführungen: 24.02., 15.03., 16.03. Zudem sei noch der Hinweis auf das ensemble Kontraste gestattet, das am 17.02. einen Abend unter dem Titel Augenblick und Ewigkeit gestaltet. Auf dem Programm steht Morton Feldmans Piano and String Quartett, kombiniert mit einer Installation der Fotokünstlerin Awoiska van der Molen.

Gostner Hoftheater
August Strindberg, geboren 1849, schrieb über 60 Dramen, malte und fotografierte, übte sich in Alchemie, war dreimal verheiratet, psychotisch veranlagt und sein Leben lang von Wahnvorstellungen gequält. Eine faszinierende Figur der Kulturgeschichte, dessen bedeutendes Ehedrama Totentanz zuletzt im Gostner zu sehen war. Wiederaufnahme im noch lange lebendigen ältesten Privattheater Nürnbergs bestimmt möglich. Das Crowdfunding ist mit fast 50.000 Euro beendet worden, ihr könnt natürlich aber weiterhin jederzeit spenden. Es folgen Wochen der Gastspiele und Konzerte und am 27.02. folgt die 5. Episode der Gostner-Soap Ko(s)mische Intrigen. Steffen Radlmaier & Band bereiten sich derweil schon auf eine große Hommage für einen großen Musiker vor: Die Billy Joel Story als Gesprächskonzert am 09.03. im Hubertussaal. Und dann winkt von fern auch schon die nächste Premiere, eine sehr besondere: Früher war auch schon immer alles besser ist das Abschiedsstück von, mit und für das 1-Mann-Ensemble Thomas Witte, der sich, undenkbar aber wahr, in die Rente verabschiedet.

Stadttheater Fürth
Rosie hat die Welt gesehen – oder eher nein, sie wollte die Welt sehen, dann kehrte die 19-Jährige ins sichere Nest ihrer Kindheit zurück. Auch für ihre älteren Geschwister, Pip, Mark und Ben bedeutete das liebevolle Heim der Eltern Bob und Fran einst die Welt. Jetzt müssen sie alle ihren Platz in der echten Welt da draußen finden und ringen dabei mit den Erwartungen ihrer Eltern, die sie nicht mehr erfüllen können oder wollen. Auch Bob und Fran steht eine Krise bevor, wenn das letzte Kind dieses Heim erstmal verlassen hat. Die Familie in Dinge, die ich sicher weiß von Andrew Bovell, wird von großer Liebe zusammengehalten, was nicht heißt, dass darunter nicht komplexe Schichten unausgesprochener Konflikte vor sich hinschwelen würden. Das Stück wurde 2016 in Australien uraufgeführt und ist seitdem ein internationaler Erfolg. Die freie Regisseurin Bettina Rehm holt es nach Fürth. Sie hat zuletzt an der Berliner Vagantenbühne und am Landestheater Schwaben inszeniert. Premiere: 16.02.  

Theater Erlangen
Kleider machen Leute – Uniformen erst recht. Den ultimativen Beweis erbrachte ein Schuhmacher und Ex-Häftling namens Wilhelm Voigt. 1906 war das, als dieser Voigt in Berlin in ausrangierte Uniformen stieg – und sich in den Hauptmann von Köpenick verwandelte. 1931 machte Carl Zuckmayer aus diesem irrsinnigen Stoff ein Theaterstück, das später auch noch mit Heinz Rühmann verfilmt wurde. Ein Klassiker über Status, Klasse und Untertänigkeit. Und heute? Sind die Dresscodes doch eigentlich kaum noch relevant, oder? Im Theater Erlangen befragt Regisseurin Antje Thoms, seit vergangener Spielzeit Schauspiel-Chefin in Regensburg, den Klassiker auf Gegenwärtigkeit. Die nächste Premiere in Erlangen wird dann ein Live-Hörspiel sein. Der in Erlangen immer gern gesehene und sowieso Live-Hörspiel-Experte Eike Hannemann inszeniert Douglas Adams' Per Anhalter durch die Galaxis mit rasanten Dialogen und einer Geräuschkulisse, die die Schauspielenden mit Alltagsgegenständen entstehen lassen. Zu sehen ab 23.02.




   >>
ROTHENBURGER STRAßE. Während die Stadtspitze nach wie vor am Konzept Ausbau des Frankenschnellwegs festhält, wächst der Widerstand in der Bevölkerung. Die einen wollen das ganze Ding durch einen Kanal ersetzt haben, die anderen einfachen nur, dass der Stadtrat nochmal drüber redet. Mittels Bürgerantrag möchte ein breites Bündnis die Politik gar dazu verpflichten, die Alternativen zum Ausbau zu thematisieren. Eine solche wäre das Wohngebiet Frankenschnellweg, für das am Montag schonmal der Grundstein gelegt wird.  >>
20241201_Winterdorf
20241201_Staatstheater
20241104_curt_XMAS
20241001_GNM_hallo_nature
20230703_lighttone
20241118_Ruetter
20240801_mfk_PotzBlitz
20240601_ebl