Andis Katerfrühstück 10. Oder: Die Schmach vom Schmausenbuck

MONTAG, 23. SEPTEMBER 2019



Der curtblick auf das 11. Nürnberger Seifenkistenrennen

Am Ende war es ein Fiasko. Der schwarz-weiße Wagen überschlug sich, nachdem er in die Fahrbahnbegrenzung gedonnert war. Der Fahrer rettete sich mit Mühe aus dem Wrack, gottseidank weitgehend unverletzt, nur um mit ansehen zu müssen, wie die Achse des Boliden autonom und gänzlich unabhängig vom Rest ins Ziel eierte. Das Publikum höhnte. Gaffer reisten extra aus dem Umland an. Im Ziel lagen sich die Gewinner des Rennens in den Armen, Champagnerflaschen kreisten und wurden über behelmten Köpfen geleert. Und curt trottete geschlagen zwar, aber erhobenen Hauptes von der Strecke, um am Tiergartenzoo lang und heimlich zu weinen.

Zwei Stunden zuvor erreiche ich den Schmausenbuck. Seifenkistenrennen, es ist mein erstes Mal. Rennsportfans drängen sich an die Strecke, die, steil wie die Streif, eine langgezogene Kurve beschreibt, die Kurve des Grauens. Und oben am Start hat sich gerade jetzt der andere Andi in die Rennmontur geschmissen, Lederjacke, Handschuhe, Helm mit fast undurchsichtigem Visier, zur Sicherheit. Lampe zupft ihm das schweinchenfarbene Cape zurecht, Das muss flattern. Lampe schüttelt auch das Team-Motto aus dem Teamjackenärmel: Hässlich gewinnt.

Ein Motto, aus dem ein Optimismus spricht, der sich weder durch den bisherigen noch durch den weiteren Verlauf des Wettkampfes rechtfertigen lässt. Nachdem Andi das Ziel als Zweitplatzierter erreicht hat, haben wir, curt, zwei Rennen verloren, eines gewonnen. Als Andi wieder oben ankommt, trägt er das Lenkrad wie eine Trophäe mit sich. Es ist aber nicht die Trophäe des Tages, es ist unser Lenkrad, abgebrochen. Und jetzt bleibt nur wenig Zeit bis zum nächsten Rennen. Das gesamte curt-Boxenteam macht sich emsig und mit höchster handwerklicher Fachkenntnis am altgedienten Wuschelboliden zu schaffen. Was heißt: Man muss das Lenkrad da einfach wieder hintapen und wenn man maximal viel Tape verwendet, hält das auch.

Der nächste Belastungstest erfolgt durch mich höchst selbst. Lampe, Andre, Andi sind bereits gefahren, Andre sogar siegreich. Die Angst ist enorm, aber es gibt keine Ausreden. Sofort: Tunnelblick. Keine Ahnung, wessen Bolide jetzt auf der Innenbahn steht. Nur die eigene Leistung zählt. Und das Publikum abklatschen!, schärft Lampe ein, Cape-zurechtzupfend, damit es auch weht. Seine Stimme klingt wie das weit entfernte Echo eines alten Röhrenfernsehers. Ich fühle mich fiebrig, durch meine Adern fließt Benzin und bereits das erste Bier.

Das mit dem Abklatschen klappt, zu dem Zeitpunkt, also kurz nach dem Start, ist die gegnerische Kiste allerdings auch schon uneinholbar enteilt. Ich gleite noch sehr gemächlich den Hang hinab, alles keine Ursache für enorme Angst. Dann aber die Kurve und auf einmal, als hätte jemand angeschubst, gewinnt der Bolide doch noch an Fahrt. Nix mehr mit Abklatschen. Das Publikum verschwimmt zu einer gesichtslosen Masse. Ungeahnte G-Kräfte drücken mich tief in den Sitz. Ein lauter Knall als ich die Schallmauer durchbreche. Unkontrolliert schlingernd erreiche ich das Ziel. Das Lenkrad hat nicht gehalten, es baumelt traurig an silbernen Klebebandfetzen.  

Und wieder bleibt wenig, zu wenig, Zeit, um notwendige Reparaturen vorzunehmen. Aber: Andre, das Ass im curt-Team, braucht das alles eh nicht. Funktionierendes Lenkrad? Pillepalle. Lampe zupft das Cape zurecht. Jetzt muss langsam mal der zweite Sieg her. Aber Abklatschen nicht vergessen. Er ruft es noch als Andre bereits auf der Strecke ist, der streckt den Arm in Richtung der jubelnden Massen, ein verzweifelter Versuch, sie sind zu weit weg. Ebenso wie der Bolide vom Dental Labor Giebe, da kann Andre noch so sehr sein vielgerühmtes Rennfahrerkönnen in die Waagschale werfen.

Was dann passiert, ist Geschichte, Bild für Bild festgehalten vom NN-Fotografen. Das Lenkrad blockiert, Andre erreicht zwar das Ziel, knallt aber auch in die Bande aus Stroh, der Bolide dreht sich und kippt, die hintere Achse verabschiedet sich aus dem Wettbewerb. Und damit auch curt. Es geht nicht mehr weiter, wir sind geschlagen und, insbesondere Lampe, hochzufrieden: Alle Erwartungen wurden erfüllt.
Am Ende siegt, wie schon in den vergangenen Jahren, der Wurzelsepp mit seinem stabilen hoch professionellen Boliden. Wir haben entsprechend Spionage betrieben und werden im kommenden Jahr ebenfalls mindestens ähnlich stabil antreten. Das curt-Rennteam zieht sich zurück, analysiert die Fehler, die gemacht wurden und gleichermaßen alles, was gut und richtig lief. Am Cape jedenfalls, so viel ist sicher, hat es nicht gelegen.

In dem Sinne retten wir uns mit verbeulten Achsen in eine neue Woche.

Es kann weitergehen,
Euer Andi
 




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