Die Little Home-Story #1

MITTWOCH, 29. NOVEMBER 2017

#Little Home e.V., #Nürnberg, #Straßenkreuzer, #Z-Bau

Unsere Freunde des Sozialmagazins Straßenkreuzer hatten dem Thema „Obdachlosigkeit“ die ganze Oktober-Ausgabe gewidmet – so brisant ist die Notlage der fast 2.000 Menschen in Nürnberg, die kein eigenes Zuhause haben. Circa 50 davon sind komplett ohne Obdach und leben auf Platte – also ohne Wohnsitz, und auch nicht in den zur Verfügung stehenden Wohnungslosenunterkünften. Ein Verein versucht, zu helfen.

Der Verein „Little Home“ aus Köln nimmt sich dem Problem der Obdachlosigkeit schon seit einem Jahr an und baut in Eigenregie simple, kostenoptimierte Kleinsthäuser aus Holz, die dann an bedürftige Bewerber übergeben und übereignet werden. Sven Lüdecke, der Vereinsgründer, realisierte aus eigenen Mitteln und durch Spenden bereits 31 Häuschen. Und tatsächlich schafften acht ehemalige Bewohner mittlerweile – nach zuvor vielen Jahren auf der Straße – die Rückkehr in ein geregeltes Leben mit eigener Wohnung und fester Arbeit. Ein tolle Quote.

Mitte November wurde das erste Little Home in Nürnberg gebaut (das erste in Süddeutschland) und an seinen neuen Besitzer Klaus Billmeyer übergeben. Der wohnt nun mit seinem Hund Lord auf 3,2 qm, geschützt vor Regen und Kälte, auf dem Gelände des Z-Baus. Steffen Zimmermann, Geschäftsführer der Betreiber-GmbH der Kulturstätte in Nürnbergs Südstadt, hatte spontan Unterstützung zugesagt und eine geschützte Fläche im Nordgarten angeboten. Und auch sonst erfuhr das Projekt sofort großartigen Support: Ilse Weiß, Chefredakteurin des Straßenkreuzer, lud zum runden Tisch ein, holte Max Hopperdietzel von der mudra Drogenberatungsstelle dazu und auch Klaus, einen ihrer obdachlosen Verkäufer. Dieser war sofort begeistert von der Idee und dem Standort – und half auch beim Bau und beim Transport des Häuschens mit. Der Bau erfolgte – und auch zukünftig – beim ebenfalls sehr engagierten Obi Baumarkt in der Leyherstraße. Ohne das Zusammenspiel des Vereins, des Straßenkreuzers, Max Hopperdietzels und des Baumarkts hätte man das neue Zuhause von Klaus und Lord sicher nicht innerhalb von drei Wochen umsetzen können.

Andreas Fiek, der die Idee „Little Home“ in den Medien entdeckte und Sven Lüdecke kontaktierte, um sie nach Nürnberg zu holen, ist von der Schnelligkeit der Umsetzung selbst überrascht. Mehr aber noch vom medialen Aufschlag, von dem enormen Presseandrang. Nicht nur die lokalen Medien überschlugen sich und erschienen fast geschlossen bei der Pressekonferenz während des Häuschen-Baus und berichteten in Zeitung, TV und Radio.
Auch der BR brachte ein Interview, der Bau von Haus #2 wird sogar mit der Kamera begleitet. Vereinsgründer Sven hatte das so prophezeit, Andreas würde es lieber ruhiger angehen und wurde ziemlich überrascht. „Wir wollen doch nur helfen und kleine Häuschen bauen. Unsere Leistung und unser Aufwand sind überschaubar, daher überrascht mich die Resonanz schon sehr. Der Straßenkreuzer kümmert sich seit Jahrzehnten um Mittel- und Obdachlose, aber im Pressefokus steht plötzlich Little Home. Das fühlt sich komisch an, aber wir sind in engem Kontakt mit Ilse Weiß und Walter Grzesiek vom Sozialmagazin und es geht schließlich um das Thema an sich. Und klar, wir sind den Medien und der Aufmersamkeit dankbar. Zum Glück haben wir mit Klaus einen hervorragenden ersten Bewohner, der durch seine Erfahrungen mit Publikum und der Presse die Idee hinter Little Home, aber auch die Gefahren und Nöte der Obdachlosigkeit bestens vermitteln kann.“
Denn Klaus gibt für den Straßenkreuzer-Verein Stadtführungen und zeigt, wie und wo Menschen ohne Zuhause leben, zu welchen Institutionen sie gehen können, was ihre Treffpunkte sind. Er zeigt eine Parallelwelt, die wir alle in unserer komfortablen Bürgerlichkeit nicht kennen, gar nicht kennen können – und oft auch nicht wollen. Es ist leicht, wegzusehen, und sehr unbequem, sich damit zu befassen.

Als wir Klaus nach seiner ersten Nacht in seinem Holzhäuschen besuchen, öffnet er verschlafen die Tür, sein Hund springt uns freudig entgegen. Er habe durchgeschlafen, berichtet er erstaunt. Auf die Frage, wann er das letzte Mal eine ganze Nacht nicht aufgewacht sei, überlegt er lange. „Das ist ewig her. Ich weiß es nicht.“ Schlafen in der Öffentlichkeit ist eine Ordnungswidrigkeit und wird mit 35 Euro Strafe geahndet, erfahren wir von Klaus. „Man ist immer mit einem Auge wach und passt auf, dass man nicht beklaut wird oder sonstigen Ärger bekommt“, erklärt er. Es gibt Übergriffe aller Art, von Beschimpfungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Das Leben auf der Straße kann sehr gefährlich sein, die Kälte im Winter kommt nun wieder dazu.
Klaus stellt sich jedem Gespräch und jedem Interview, um auf die Notlage der Obdachlosen hinzuweisen und zu erklären, dass er lieber auf der Straße lebte, um selbstbestimmter zu sein, als in den für ihn nicht akzeptablen Unterbringungen, die es gibt. Die Zustände dort sind für ihn nicht tragbar, er hat es ein Jahr lang probiert. „Aber jetzt ist alles anders. Nun habe ich ein eigenes kleines Haus, mein bester Freund Lord muss nicht mehr frieren und wir müssen keine Angst mehr haben. Ich hoffe, das ist für mich ein Sprungbrett und der Start in ein neues Leben. Und wenn ich mal wieder in eine richtige Wohnung einziehe, dann übergebe ich mein Haus einem anderen Obdachlosen, um ihm zu helfen.“

Dass er von fremden Menschen ein kleines Zuhause geschenkt bekommt, einfach so, konnte er anfangs kaum glauben. „So etwas hat noch nie jemand für mich gemacht. Und ich weiß, dass ich damit auch eine Verantwortung habe und will für mich und den Verein das Beste daraus machen“, berichtet er stolz und selbstbewusst in die Kamera eines Fernseh-Teams, stellt seinen Hund vor, zeigt, was er in seinem kleinen Reich noch alles verbessern will – von Regalen bis zu einer kleinen Kochstelle. Matratze, Bettzeug, Wassertank, Feuerlöscher und eine Camping-Toilette gehören zur kargen Grundausstattung, wohnlich machen wird Klaus es sich selbst. Und dass er das Little Home Nürnberg #1 zu einem festen Tour-Stop seiner Stadtführung machen wird, wusste er von Anfang an. „Die Leute sollen sehen, was hier passiert. Und dann sollen sie den Verein unterstützen!“, so sein Plan. Er bedankt sich in jedem Interview und jedem Gespräch für das winzig kleine Haus, das für ihn so eine große Chance sein kann.

Andreas Fiek treibt die Idee voran: Auch für Haus #2, das nur drei Wochen nach #1 gebaut wird, kommt Vereinsgründer Sven wieder aus Köln, das Auto voller Werkzeug, und quartiert sich privat bei Andi und seinem Mitbewohner ein, um mit den beiden wieder in zwei harten Tagen vor dem Baumarkt zu sägen und zu schrauben. Diesmal wird es genügend Helfer geben und private Mittel sind nicht mehr nötig – es gibt jetzt schon Sponsoren für die nächsten fünf Häuser. Geplant sind 20 bis 25 für Nürnberg, erfahren wir von Andi und Sven. Gute Gespräche mit der Stadt laufen bereits, denn vor allem die Frage der Stellflächen bedarf noch Klärung und Unterstützung, aber man ist bester Hoffnung, denn auf der einen Seite ist das Projekt eine Herzensangelegenheit, auf der anderen Seite das ganze Thema eine Verpflichtung gegenüber dem Grundrecht. Und schließlich wollen alles dasselbe: bedürftigen Menschen helfen.
Wir wünschen Little Home und den zukünftigen Hausbesitzern alles Gute!


DER VEREIN LITTLE HOME E.V.
Das erste Little Home wurde vor einem Jahr in Köln aufgestellt. Mittlerweile stehen Häuser in Köln, in Berlin, eines in Hamm und ab Anfang Dezember zwei in Nürnberg. Den gemeinnützigen Verein Little Home e.V. gibt es seit August 2017.
Um ein komplettes Haus zu finanzieren werden 800 bis 1.000 Euro benötigt – eine ziemlich ideale Summe für Firmen-Sponsorings ;)
Little Home #2 wird von unseren Freunden der Agentur Bloom und von curt gesponsert. Und natürlich schrauben wir am 30.11. und 1.12. an selber Steller auch wieder selbst mit und sind jetzt schon stolz darauf – Ihr werdet es sehen!

Infos zu dem Projekt, das curt maximal begleiten und unterstützen wird, findet man auf little-home.eu, hier auf der Website und in den umfangreichen Berichten der Medien.




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