Auf dem Spielplan gibt's Gedränge Kultur 01.03.2020Von Dieter Stoll … oder der dumme Zufall, der auch ein Signal sein könnte – Die großen Bühnen von Nürnberg-Fürth-Erlangen setzen ihre wichtigsten März-Premieren am gleichen Abend wie in einem Verdrängungswettbewerb an. Warum nur, warum? >>
Wenigstens noch die Premiere: René Pollesch inszeniert in Nürnberg Kultur 30.10.2020 STAATSTHEATER. Wenigstens die Premiere kommt noch vor dem zweiten Lockdown. So hatte sich das Nürnberger Staatstheater seinen Besetzungs-Coup sicherlich nicht vorgestellt, trotzdem ist die Regiearbeit von René Pollesch in Nürnberg natürlich das Highlight der Saison. Am Freitag feiert Take the Villa and Run! Premiere, am Samstag, 31.10., ist das Stück ein zweites Mal zu sehen. Theaterkritiker Dieter Stoll schreibt im Vorfeld: >>
Duell mit Nebengeräuschen - Antigone im Staatstheater Kultur 11.10.2020 STAATSTHEATER. Die junge Idealistin namens Antigone will nichts sonst, als das Recht, den toten Bruder würdig zu bestatten. Der robuste Machthaber Kreon, der das amtlich verwehrt, zufällig ihr Onkel, verbietet dieses Ritual mit dem Hinweis auf selbst erlassene, aber keineswegs unbegründete Gesetze. Das Volk hat unter den Folgen einer Epidemie gelitten, sucht Schuldige, brüllt nach Rache. Das undefinierte Gemeinwohl könnte gefährdet sein, die Freiheit des Einzelnen aber auch. Wer hat das Recht, wer die Moral zur Seite, und wo bleibt die Vernunft? „Dass Unvernunft das größte Übel ist“, wird zwei Stunden später zum Finale ausdrücklich nochmal in die Debatte geworfen. >>
Theater Erlangen/Fürth: Neu erblühende Landschaften Kultur 01.10.2020 ERLANGEN, FüRTH . Auch in Erlangen und Fürth stehen sie wieder auf der Bühne. Curts Kritiker Dieter Stoll hat sich durch das Programm gewühlt und geschichtsträchtige Projekte, Kafkas Kunst der Poesie und ein regionales Dreamteam entdeckt. >>
Kritik: Denkmalssockel für ein Selfie Kultur 03.10.2020 STAATSTHEATER. Am Anfang war das Video, am Ende das Selfie. Noch ehe Regisseur Jens-Daniel Herzog als zuständiger Assoziations-Prokurist das schnellstens in die Gegenwart drängende Nürnberger Barockprojekt um Monteverdis Opern-Urknall „L´Orfeo“ mit Bildern überspülen konnte, war am Premierenabend im Opernhaus auf der universellen Projektionsfläche das fürsorglich landesväterliche Saison-Grußwort von Markus Söder samt Staatskanzlei-Impressum zu erleben. Danach, noch klassischer, begann Orfeo als Repräsentant der zeitlosen Kultur-Gesellschaft sein Liebesdrama unter sanft belebten Scherenschnitt-Figuren. Er wagt im hedonistischen Freundeskreis den Sprung in leuchtbunte Disco-Trance, feiert gutbürgerlich Hochzeit mit standesgemäß üppigem Büffet und wird, nach dem schnellen Tod seiner Braut Euridice, durch Verzweiflung tollkühn. Ein zwiespältig verlaufender Reha-Besuch in der Unterwelt mit dem Teufelspakt der Auferstehung (der dortige Herrscher der Finsternis will trotz berufsbedingt grollender Stimme auch nicht mehr als die eigene Partnerin „brav bei mir unter Tage im Ehebett“) bringt die Geliebte nicht wirklich zurück, katapultiert Orfeo aber letztlich aufs irdische Podest. In nächste Parkplatz-Nähe zu den anderen Marmor-Heroen der Weltgeschichte, die als steinernes Gruppenbild grüßen. Jetzt ist er Held und Opfer seiner Liebe zugleich. Was für eine Karriere. >>
Surround-Sound im Foto-studio: die Tafelhalle in 10/11 Kultur 01.10.2020Von Dieter Stoll TAFELHALLE. In schwierigen, unsicheren Zeiten für Veranstalter*innen versucht die Tafelhalle ein Versprechen: Musik, Tanz, Theater – was sinnvoll stattfinden kann, findet statt. Wann genau und wie das aussehen soll und ob es lohnt, weiß unser Theatermann Dieter Stoll. >>
Im Irrgarten der Vorurteile: Oper und Tanz in 10/11 Kultur 01.10.2020Von Dieter Stoll STAATSTHEATER NüRNBERG . Es ist wieder was erlaubt, auch wenn die Tickets für Opernhaus und Staatstheater rare Waren sind in diesem Herbst. Das Nürnberger Opernhaus gräbt zunächst nach alten Schätzen und Evergreens in den Katalogen, Orpheus reist ins Totenreich und der Mond wohnt strahlend am Himmelszelt. Dieter Stoll, unser Mann fürs Theater, hat drauf geschaut. >>
Rhythmische Spottgymnastik Kultur 08.03.2020Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Arthur Sullivans britische Operette „Die Piraten von Penzance“ am Staatstheater Nürnberg – Ein Schiff wird kommen, das ist schon mal klar. Zur ausführlich hoppelnden Trailer-Ouvertüre nahezu aller Folge-Melodien kreuzt es bereits in großen Kurven am Filmhorizont, der diesem Abend in aller Trockenheit die dauerhaft nötige Feuchtgebietskulisse sichert. >>
Theater: WIEDER VERZINSUNG BEIM VERTRAUENS-VORSCHUSS? Kultur 01.12.2020Von Dieter Stoll NüRNBERG. Wie Nürnberg 2020 beinahe doch noch einen Theater-Rekord aufgestellt hätte und was man daraus folgern kann – Fragment einer Bilanz zwischen Comeback-Stress und Hoffnungs-Optimierung – Kommentar von Dieter Stoll >>
Theater im März Kultur 01.03.2020Von Dieter Stoll Seeräuber treffen Jungfrauen im Opernhaus, Game-Theater bei Grundig, ein deutscher Spiesser in Erlangen und Rachefeldzug in Fürth – Das verkleinerte Gotteshaus und eine aufgelöste Arbeitsfabrik bieten Platz für etwas andere Spiele: zwischen dem Wrestling der Klassiker, der Machtergreifung der Roboter und dem ewigen Seufzer „ach…“ ankern englische Piraten trotz Brexit mitten auf deutschem Spassmachergelände und Cowboys galoppieren durch Niederbayern. >>
Die unerfüllbare Sehnsucht nach dem grünen Licht Kultur 01.02.2020Von Dieter Stoll Warum es (auch weiterhin) so schwer ist, Karten für die Nürnberger „West Side Story“ zu bekommen: irritierte Gedanken über Produktionskosten, Besucherquoten und Millionensubventionen am Staatstheater, und an welchen Zahlen man den Aufschwung messen kann. >>
Viel Theater im Februar Kultur 01.02.2020Von Dieter Stoll Ein Monat ohne Grosspremieren, aber mit 50 Produktionen in 120 Vorstellungen: die aktuellsten Aufführungen werden in allen Sparten ausgewertet, attraktive Comeback-Versuche kommen dazu – acht Abende gehören ganz dem Tanztheater, neun der Oper – Joachim Meyerhoffs fabelhafter Bestseller erobert als Gastspiel die Bühnen >>
Schauspiel: Als Elvis zur Drag Queen wurde Kultur 27.01.2020Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. Oje, jetzt ist Elvis schon wieder tot. Nicht nochmal physisch, natürlich nicht, aber eben doch irgendwie schmerzhaft, denn einer seiner vielen Stellvertreter auf Erden, der redlich bemühte „The King“-Imitator Casey aus der US-amerikanischen Provinz, hat aus marktwirtschaftlichen Gründen das Outfit und die Stimmlage gewechselt. Der verlotterte Club am Panama-Beach von Florida, in dem er in glitzernder Jumpsuit-Pelle die unverwüstlichen Oldies aus Presleys Nachlass vor ständig überschaubarer werdendem Publikum röhrte, ist beim immerwährenden Kostümfestspiel auf den Show-Trend zur Drag Queen umgestiegen. Ein kleiner Herr namens Miss Tracy, bewaffnet mit großer Glamour-Garderobe und ebensolcher Klappe, entert die Bühne für einen Beutezug durch gleißende Erinnerungen. Barbra und Cher und Edith und Madonna hat er/sie als Schwarm-Dynamik mitgebracht – und massenhaft Playback-Pröbchen. Was soll so ein Gebrauchtmusiker von der Elvis-Resterampe, der grade daheim mit familiären Krisen kämpft (Scheck geplatzt, Wohnung gekündigt, Job weg, Freundin schwanger, Pizza kalt, und dann auch noch „Hete“ – wie das Schicksal halt so spielt), denn anderes tun als hinterher ins Ungewisse zu springen. Wenn es nur so einfach wäre. >>
Oper: Frauen im Warenkreislauf Kultur 18.01.2020Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. Zu Beginn der Geschichte ist die ungebührlich lebenslustige Titelheldin noch ganz das naive Mädchen im altmodischen Plisseerock und reiht sich am Grenzübergang, der nicht nur vom Guten zum Bösen, sondern vor allem vom Traum zur Illusion führen wird, ein in die lange Warteschlange. Ein Pass für den Zutritt in vermeintlich bessere Welten ist hier zu haben, den Unterschied zwischen Ordnungshütern und Zuhältern gibt es sowieso nicht mehr. >>
Tanztheater: Schaurig schöne Katastrophen Kultur 21.12.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. „Ein Puppendrama, ein Menschenopfer“ steht lapidar bündelnd über den verflucht klugen Leitgedanken, die sich mit ihrer Beschwörung von „Geburt der Tanzmoderne und Zeitalter der Katastrophen“ im Programmheft gleich hinter der Besetzungsliste wie ein philosophierendes „Navi“ eingenistet haben. Man musste nicht jedem der vorgeschlagenen Pfade folgen. >>
Karrieresprung bringt Doppelnostalgie Kultur 04.12.2019Von Dieter Stoll Weil die Salzburger Festspiele im Sommer 2020 Nürnbergs Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz für sieben „Zauberflöte“-Vorstellungen rufen, feiert ihr vorvorvorgänger Philippe Auguin am Luitpoldhain bereits sein zweites Comeback. Dann reist er für drei Zyklen von Wagners „Ring“ nach Australien. >>
Theater: Peter Handkes "Kaspar" Kultur 01.12.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. BEIM WORT GENOMMEN Ein sprachloser, bis zum Verschwinden rätselhaft bleibender fränkischer Findling von 1828, ein Theatertext-Roulette von 1968 über die Macht der Manipulation im Sprachgebrauch, ein Literaturnobelpreis von 2019 mit Widerspruch-Reflex von vielen Seiten. >>
Theaterwegweiser im Dezember und Januar Kultur 01.12.2019Von Dieter Stoll Überall ist Hochsaison der Musicals und Song-Shows - Absage an Bayreuther Festspiele, aber Premiere fürs Nürnberger Opernhaus - Das Fürther Doppelleben der lustigen Witwe - Recherche zur Sexarbeit an der Frauentormauer - Konkurrenz mit Psycho-Spiel: „Momentum“ parallel in Gostenhof und Erlangen. >>
Oper: Das lügende Klassenzimmer Kultur 23.11.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. Auf der dicht beschriebenen Wandtafel, die ein ursprünglich mal Nymphe genanntes fleißiges Mädchen in Uniform mit Formeln vollgekritzelt hat, steht als aktuellste Botschaft der Musterschülerin ganz unten die Parole „Stop alla plastica!!“. In der Oper gibt es halt auch den Protest in der Originalsprache. Direkt dahinter liegt das Büro der Aufsichtsbehörde (Natur, Ewigkeit, Schicksal – drei Zausel mit Amtsbonus), die alle Visa-Stempel für den Weg zur wahren Tugend und einen großen Papierkorb für Ablehnungsbescheide verwaltet. >>
Theater: Am Wühltisch der Erinnerungen Kultur 22.11.2019Von Dieter Stoll STAATSTHEATER. PREMIERE. Der auflagenstärkste Experte für die Aufforderung zur Expertise, die diesem montierten Hit- und Herren-Abend aus Erfahrungswerten von und mit Singles (man beachte sogleich die doppelte Bedeutung des Begriffs) als Konzept zugrunde liegt, bleibt ausgeschlossen: „Wann ist ein Mann ein Mann?“, fragte er einst herausfordernd von Bühnen und Plattentellern, aber da er selber einer ist, kann er beim aktuellen Nürnberger Auftrieb der Leit-Männchen kein Gutachter sein. Sie sollen gefälligst singen, was Frauen über sie zu Papier brachten. Und, ehrlich gesagt, den Macho als Ego-Mahnmal zum Anheulen gab es hier sowieso längst, damals als Franz Wittenbrink seine große Zeit der Ohrwurm-Dramatik hatte und nach der Frauen-Power der „Sekretärinnen“ (100 ausverkaufte Vorstellungen) eine breitbeinige Sing-Attacke mit dem Titel „Männer“ (50 Vorstellungen) montierte. >>