NÜ/FÜ/ER.
Text: Tommy Wurm
Oktober und November sind die perfekten Kabarett- und Comedy-Monate. Draußen ist es dunkel und die Seele braucht Wärme, Freude und Humor.
Hier eine subjektive Auswahl, die euch den Herbst versüßen soll. Witzig, oder?
Fee Bremberck – Erklär’s mir, als wäre ich eine Frau
19.10., Burgtheater Nürnberg
Die 30-Jährige Münchnerin Felicia “Fee“ Brembeck ist eine vielseitige Künstlerin. Sie schreibt Bücher, gewinnt Preise beim Poetry-Slam und hat einen Masteranschuss in Operngesang. Ihr aktuelles Programm “Erklär’s mir, als wäre ich eine Frau“ dreht sich um das leidige Thema Mansplaining. Gutgebildete Männer in den besten Jahren erklären jüngeren Frauen die Welt. Klar, sie meinen es doch nur gut, oder? Viele wahrscheinlich schon, aber das ändert ja nichts an der Tatsache, dass diese verbale Übergriffigkeiten schon immer ein No-Go sind. Fee erörtert dieses Thema mit viel Witz und Charme, nicht ohne die Torstens dieser Welt (die meisten Mansplainer dieser Welt heißen ihrer Meinung nach Torsten) klar zu benennen und in die Schranken zu weisen. Macht Spaß. >>
Text vom Egersdörfer & Zeichnungen vom Herrn Jordan
Unter der großen, grauen Brücke, über welche hoch droben die Autobahn 6 verläuft, kamen Egersdörfer und Jordan angefahren. Den Auerbach zwischen den grünen Wiesen hatten sie überquert. Dann fuhren sie den schmalen Schotterweg hinunter. Am Raschbach entlang hinter zu der ehemaligen Mühle, wo der Künstler Reiner Zitta wohnt, arbeitet und sich Gedanken macht. Sie stiegen aus dem Fahrzeug aus. Zwei Hunde begrüßten die beiden Herren stumm und freundlich. Dann verschwanden beide wieder. Skulpturen, Kunstobjekte, Teile, materielle Absichten, Skizzen aus verschiedensten Materialien standen vereinzelt im Hof. Im Haus selber hingen, standen, lehnten die Geister und Götter, Tierchen und Geschöpfe der Phantasie, die der Zitta erschaffen hat, in allen Räumen. >>
Text vom Egersdörfer & Zeichnungen vom Herrn Jordan
Herrenausstatter. Das Wort ist mir schon eine Freude. Und es gab eine Zeit, da besuchte ich regelmäßig einen in seinem Laden. Über dem hat der Mann gewohnt. Er hat einen sehr guten Cappuccino zubereitet in dem schönen Geschäft. Anders kann man es nicht sagen. In der Straße, in der der Herrenausstatter sein Gewerbe betrieb, gab es viele Wirtshäuser, Cafés und Kneipen. Und einmal ist dorthin aus einer anderen Stadt ein anderer Mann hingezogen, der plötzlich angefangen hat, mit Anwalt und vor Gericht dafür zu sorgen, dass die Menschen im Sommer nicht mehr vor den Kneipen sitzen dürfen. Da hat es viel Groll gegeben bei den Wirtsleuten und den Menschen, die gern zu den Wirtsleuten gehen, um unter anderem in lauen Sommernächten vor deren Wirtshäusern zu sitzen. Und mein Herrenausstatter hat zunächst zu dem fremden Herrn gehalten, weil er am Abend im Sommer auch gerne einmal seine Ruhe gehabt hätte in seiner Wohnung über seinem Laden und die Fenster gern geöffnet hätte, ohne hören zu müssen, wie sich die Menschen in der Straße vor den Wirtshäusern unterhalten unter Mond und Sternen. >>
AKADEMIE DER BILDENDEN KüNSTE. Text Matthias Egersdörfer
Der Moll war ein sehr langsamer Mensch. Er fuhr zum Beispiel mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit Fahrrad. Wäre er auch nur eine Kleinigkeit langsamer gefahren, wäre er schlichtweg umgefallen. Sah man den Philipp zum Beispiel von der Weite aus auf seinem alten Holland-Rad, musste man annehmen, dass er völlig reglos darauf saß und sich nicht bewegte. Auf der anderen Seite verfügte der Moll über eine blitzschnelle Auffassungsgabe. Jahrelang waren wir gemeinsam zum Christlichen Verein Junger Menschen hinmarschiert und hatten mit schier unermesslichem Übermut die Bibel bis knapp zum Irrsinn zerdeutet, hernach in herzlicher Zugewandheit mit den anderen Christenknaben bis zum Ohrenglühen gerauft und auch ansonsten keinen evangelischen Blödsinn ausgelassen. Dann, von einem Tag auf den anderen, war der Philipp nicht mehr hingegangen. Hat wortlos die Kündigung eingereicht. In Ewigkeit. Amen. Aus die Maus. Ich habe es am Anfang nicht begriffen. Es hat einige Zeit gebraucht. Das holdselige Himmelreich hatte seine Grenzen, von engstirnigen Glaubensbeamten errichtet. Da konnte man sich sauber daran derrennen. Und zum Müffeln hat es allenthalben auch schon angefangen gehabt. Junge Männer waren dazu gekommen, die sich für etwas besseres hielten, und vorbei war es mit unserem klassenlosen Bubenclub. Der Moll hatte einen Riecher. Dann hat er sich verzupft. Ohne Getu. Ohne Spektakel und großes Reden. Ich habe länger dazu gebraucht, das zu begreifen. >>
NüRNBERG, ERLANGEN. Eckdahl, hauptberuflich lautstarker Spaßmacher, zwei uneheliche Kinder in verschiedenen Bundesländern, topflappengroßer Haarausfall am vierundfünfzigjährigen Hinterkopf, Restkonvolut der Frisur schwarz gefärbt mit metallischem Glanz, in verschiedene Richtungen verwachsene rotblonde Augenbrauen, rotadrig vernetzte Mausnase, Knopfaugen, Zahnlücke nach einem zu langen Blick in ein anderes Gesicht auf Gleis 9 des Mannheimer Hauptbahnhofes, blauwangig, Hohlkreuz, Spitzbauch, Pferdeschenkel, Spreizfüße, war der Einladung der schmalohrigen Schwägerin via handgeschriebener Postkarte, mit dem umseitigen Motiv einer Hausschlachtung im Burgenland aus dem 19. Jahrhundert, zum jährlichen Jour fixe in den Bungalow am Stadtrand von B. gefolgt. >>
HAUPTBAHNHOF NüRNBERG. Vor über einem Jahr hat sich der Egersdörfer in sein altes Auto gesetzt und ist nach Tennenlohe gefahren, zum „Walderlebniszentrum“. Dort nahm er sein Notizbüchlein und den Kugelschreiber und ist losgegangen, um zu sehen, was es mit diesem Wort auf sich haben könnte. Der Künstler Michael Jordan aus Erlangen ist Zeichner und Druckgrafiker. Die beiden können sehr gut gemeinsam im Biergarten ohne Eile sitzen, trinken und gelegentlich sprechen. Und so fuhr auch der Jordan einmal in das „Walderlebniszentrum“ nach Tennenlohe und zeichnete dort, was er sah. Der Beitrag erschien in unserer letzten Ausgabe. Das war so gut, das machen sie jetzt öfter: Jordan zeichnet, der Egers macht sich Notizen, und im curt kann man dann erfahren, was hierbei herausgekommen ist.
Durch die Postleitzahl kann man die Orte finden, vielleicht, an die es die beiden Herrn verschlagen hat. Gut, den HBF findet man auch so. >>