EGERSDöRFER
Text vom Egersdörfer & Zeichnungen vom Herrn Jordan
Unter der großen, grauen Brücke, über welche hoch droben die Autobahn 6 verläuft, kamen Egersdörfer und Jordan angefahren. Den Auerbach zwischen den grünen Wiesen hatten sie überquert. Dann fuhren sie den schmalen Schotterweg hinunter. Am Raschbach entlang hinter zu der ehemaligen Mühle, wo der Künstler Reiner Zitta wohnt, arbeitet und sich Gedanken macht. Sie stiegen aus dem Fahrzeug aus. Zwei Hunde begrüßten die beiden Herren stumm und freundlich. Dann verschwanden beide wieder. Skulpturen, Kunstobjekte, Teile, materielle Absichten, Skizzen aus verschiedensten Materialien standen vereinzelt im Hof. Im Haus selber hingen, standen, lehnten die Geister und Götter, Tierchen und Geschöpfe der Phantasie, die der Zitta erschaffen hat, in allen Räumen. >>
Text vom Egersdörfer & Zeichnungen vom Herrn Jordan
Herrenausstatter. Das Wort ist mir schon eine Freude. Und es gab eine Zeit, da besuchte ich regelmäßig einen in seinem Laden. Über dem hat der Mann gewohnt. Er hat einen sehr guten Cappuccino zubereitet in dem schönen Geschäft. Anders kann man es nicht sagen. In der Straße, in der der Herrenausstatter sein Gewerbe betrieb, gab es viele Wirtshäuser, Cafés und Kneipen. Und einmal ist dorthin aus einer anderen Stadt ein anderer Mann hingezogen, der plötzlich angefangen hat, mit Anwalt und vor Gericht dafür zu sorgen, dass die Menschen im Sommer nicht mehr vor den Kneipen sitzen dürfen. Da hat es viel Groll gegeben bei den Wirtsleuten und den Menschen, die gern zu den Wirtsleuten gehen, um unter anderem in lauen Sommernächten vor deren Wirtshäusern zu sitzen. Und mein Herrenausstatter hat zunächst zu dem fremden Herrn gehalten, weil er am Abend im Sommer auch gerne einmal seine Ruhe gehabt hätte in seiner Wohnung über seinem Laden und die Fenster gern geöffnet hätte, ohne hören zu müssen, wie sich die Menschen in der Straße vor den Wirtshäusern unterhalten unter Mond und Sternen. >>
AKADEMIE DER BILDENDEN KüNSTE. Text Matthias Egersdörfer
Der Moll war ein sehr langsamer Mensch. Er fuhr zum Beispiel mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit Fahrrad. Wäre er auch nur eine Kleinigkeit langsamer gefahren, wäre er schlichtweg umgefallen. Sah man den Philipp zum Beispiel von der Weite aus auf seinem alten Holland-Rad, musste man annehmen, dass er völlig reglos darauf saß und sich nicht bewegte. Auf der anderen Seite verfügte der Moll über eine blitzschnelle Auffassungsgabe. Jahrelang waren wir gemeinsam zum Christlichen Verein Junger Menschen hinmarschiert und hatten mit schier unermesslichem Übermut die Bibel bis knapp zum Irrsinn zerdeutet, hernach in herzlicher Zugewandheit mit den anderen Christenknaben bis zum Ohrenglühen gerauft und auch ansonsten keinen evangelischen Blödsinn ausgelassen. Dann, von einem Tag auf den anderen, war der Philipp nicht mehr hingegangen. Hat wortlos die Kündigung eingereicht. In Ewigkeit. Amen. Aus die Maus. Ich habe es am Anfang nicht begriffen. Es hat einige Zeit gebraucht. Das holdselige Himmelreich hatte seine Grenzen, von engstirnigen Glaubensbeamten errichtet. Da konnte man sich sauber daran derrennen. Und zum Müffeln hat es allenthalben auch schon angefangen gehabt. Junge Männer waren dazu gekommen, die sich für etwas besseres hielten, und vorbei war es mit unserem klassenlosen Bubenclub. Der Moll hatte einen Riecher. Dann hat er sich verzupft. Ohne Getu. Ohne Spektakel und großes Reden. Ich habe länger dazu gebraucht, das zu begreifen. >>