Udo Kloos und das Design #9: Parkhaus - Amen
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Neulich hatten wir wieder Besuch von Außerirdischen. Ein Christkindlesmarktengelein, das sich 2015 beim Männleinlaufen an der Frauenkirche verguckt und den kollektiven Rückflug versäumt hatte. Nun sollte es zur Strafe eine Saison in Nürnberg verharren. Aufgabe sei, in den neun Gotteshäusern der Altstadt die Gefühle der Besucher statistisch zu untersuchen. So seine Darstellung, die man glauben kann oder nicht.
Nun begab es sich, dass dieses beflügelte Sensibelchen während des halben Jahres bei seinen Observationen auffällige Gefühlsverdichtungen an 14 Orten der Altstadt ausmachen konnte. Erlösungsgefühle gäbe es dort, jedoch seien diese räumlich nicht deckungsgleich mit den Kirchen. Die Frequenz sei erstaunlich hoch. Das Engelein bat um ortskundige Begleitung. Wenn das kein Thema für curt ist? Erlösungsgefühle? Unbekannte Versammlungsstätten oder gar neue Tempel?
Mit himmlischem Auftrag aufm Rad schnell bis zum Ende der Adlerstraße – die Lorenzkirche im Visier. Stop am Rondell, ich schnaufe. Wir stünden davor, haucht es mir ins Ohr. Hier? Die Tankstelle gesäumt von Ladengeschäften. Hinter mir Karstadt, das keine Stadt ist. Vor mir das Parkhaus, das keinen Park beherbergt. Da soll ich rein.
Stop! Zwei rote Latzhosen, die scheinbar Tempelwächter in sich tragen, fangen mich vor dem Schlagbaum ab. Absteigen. Keine Fahrräder, nur vier Räder mit Motor berechtigen hier zum Einlass. Weg hier, weiter. Ich werde von einer dritten Latzhose wegkomplimentiert: das Fahrrad bitte nicht hier, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite absperren (ehrwürdige Distanz?). Per Pedes und nicht Pedal will ich hinein. Wieder werde ich festgehalten. Kein Durchkommen für mich, während sich für andere der Schlagbaum stetig hebt. Freundliches Verhandeln fruchtet. Pfand an der Pforte ist der Schlüssel.
Ich bin gespannt, was mich erwartet – ich kenne Parkhäuser. Keine Orte der Erlösung. Das Sakrale aus der Gotik liegt 200 Meter entfernt, ganz sicher. Wenn das kein Profanbau ist, soll mich der Teufel holen? Oben angekommen. Das exklusive Plateau unter freiem Himmel - eine Sackgasse. Entrückt von allem Treiben entzückt der fantastische Ausblick. Aber, immer noch keine Erlösung. Und nun?
Ich ahne, was dem Engelein in die Statistik pfuscht. My Car is my castle is my Klotz am Bein. Die Erlösung naht, sobald „der Deutschen liebstes Kind“ aus dem dichten Straßengedrängel endlich untergebracht ist. Das also findet zeitgleich in den 14 Parkhäusern der Altstadt statt. Zu weiteren Irritationen könnte geführt haben, dass im Parkhaus diese Art der Opferstock beim Verlassen öfter klingelt als in der benachbarten Lorenzkirche. Beobachtet hätte das Engelein das selige Lächeln der Insassen (ohne kirchlichen Segen) mit ihren verstauten Einkäufen auf dem Heimweg. Banal und nicht sakral.
Ach mein Nürnberg, Du und Deine Parkhäuser: augenfällige, architektonische Meisterstücke, die das Stadtbild des mittelalterlichen Gefüges aus allen Richtungen – anders als bei Deinen Kirchen – kaum bereichern. Deinen Parkhäusern sieht man den Zweckbau an. Etwas, das mit Kostendruck und als reine Pflichterfüllung entstand: geringe Anforderungen an Statik, Brandschutz, verarbeitete Materialien, ein wenig Haustechnik. Die Betriebskosten sind im Vergleich mit den meisten Bauten der Altstadt unschlagbar günstig. Nürnberg, Du bietest über 4.200 Plätze in 14 Häusern, geöffnet teilweise 24/7. Handelt es sich um überdachte Goldgruben, wo der Parkhausbetreiber den Parkplatz im günstigsten Tarif umgerechnet mit 53 €/qm pro Monat vermietet und damit besser verdient als an umliegenden Ladengeschäften in der Fußgängerzone? Nürnberg, verschwendest Du Deinen innerstädtischen Raum? Denn die vorgeschriebene Fläche liegt mit 11,5 qm pro Parkplatz bereits knapp 30% höher als die geforderte Mindestgröße für Kinderzimmer (nach DIN 18011). Nicht zu vergessen die 6 m Verkehrsflächen dazwischen. Diskutiert werden aktuell größere Parkplätze in Parkhäusern. Ich meine, ist der Platz zu klein, ist das Auto zu groß. Und nicht andersherum.
Fällt uns etwas besseres ein, als 14 Innenstadtgebäudebäuche überirdisch exklusiv mit Blech zu füllen? Ich wünsche mir Tiefgaragen anstatt Parkhäuser. Die würden mehr kosten, aber neuer Stadtraum wäre der Gewinn. Was darüber entstünde, von Gewerbe bis Wohnen – eröffnet Möglichkeiten. Ein freier Platz in der kleingliedrigen Innenstadt wäre wunderbar. Vielleicht bringt die Zukunft den Parkhäusern eine Übergangszeit mit Gelegenheiten für Zwischennutz. Kitas, wie die Wolke10 in der Südstadt. Vielleicht ließen sich zunächst nur die obersten zwei Etagen mit dem Flachdach für offene Werkstätten oder Kleingartensiedlungen mit Hochbeeten nutzen. Bienenhäuser und Vogelhotels. Skatepark, usw. Cafés mit Ausblick wie vom Dach des Parkhauses Adlerstraße wären herausragend. Anders verhält sich die Wahrnehmung bei Kirchen. Trotz schwindender Gottesdienstbesucher, betrachten wir sie als Baukultur, bleiben sie Teil der Geschichte. Aus der Zukunft zurückblickend könnte man über Parkhäuser behaupten: wir hatten ein Problem mit der Mobilität (Autos mal los zu werden). Ausdruck dessen waren diese Baukörper im Stadtbild.
Dem Engelein rufe ich also zu: „Vergiss Deine Statistik, sorge Dich nicht! Das sind nur Parkhäuser. Und die haben sich bald von selbst erledigt.“
curt macht sich Gedanken ums Design. Glaubhaft ernsthaft, und irgendwie schon immer. darum präsentieren wir in unserem magazin eine Kolumne über Design und gestaltung in unserem alltag ... und im weitesten Sinne.
UDO KLOOS UND CURT.
Udo betreibt den neoos Schauraum. Mit seinem neoos Planungsbüro gestaltete und konzipierte er u.a. die Räumlichkeiten der Mischbar, der BLOK Bar, des glore Stores, die EBL Stores, der Rösttrommel ... alles curt-Freunde.
Mehr dazu: www.neoos-design.com
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