Claudias Kinoempfehlungen

SONNTAG, 1. MAI 2016

#Casablanca, #Cinecitta, #Claudias Welt, #Filmhaus Kino, #Kino, #Meisengeige

Finanzielle und psychische Krisen machen die Runde. Einer hat Gedächtnisschwund und nach Sichtung aller Filme für den Mai ist das vielleicht nicht die schlechteste Wahl.

SCHROTTEN!
AB 05.05. // CINECITTA
Lukas Gregorowicz ist einer, den ich gern öfter sehen würde und Frederick Lau ein anderer, den ich immer sehen kann. Jetzt kommt zusammen, was passt: die beiden spielen Brüder, Mirko und Letscho Talhammer vom Schrottplatz. Letscho, alleine der Name ist doch famos. Letscho trägt einen übergroßen Overall und Stiefel, mit denen er durchs Watt kommt, auch wenn er dort nicht wohnt. Aber wenn es sein muss, ist er sehr schnell. Die Aggro-Proll-Art, wie Lau rennt, ist das große Kino, das der Berliner mit der heiseren Stimme drauf hat. Ein Schrotti, ein Kämpferherz, einer, der gerne zuhaut. Sein Bruder Mirko will sich von seiner Familie entfernen und wird von ihr angezogen wie ein Stück Eisen vom Magnet. Allerdings hat auch Mirko genug Dreck am Anzug, muss aufgrund dubioser Vertragsabschlüsse eine Menge Geld auftreiben, genau die Summe, die sich mit dem Verkauf des Schrottplatzes erzielen ließe. Ein Zufall. Einer, dem noch mehrere folgen. Das mag man der schönen Komödie vorwerfen, aber es passt alles so gut: die Typen, die Ausstattung, die Musik. Manchmal wünsch´ ich mir, es gäb gar keine Geschichte, nur ein Reinleuchten in eine fremde Welt. Aber hier wird dem Bösen die Schuld in die Schuhe geschoben, das ist auch in Ordnung. Schrottet die Kapitalisten, es lebe der Familienbetrieb!
 


MÄNGELEXEMPLAR
AB 12.05. // CINECITTA + CASABLANCA
Da sitzen wir, mit unseren Depressionen und Heulattacken, lernen Begriffe wie Antidepressiva, inneres Kind oder Familienaufstellung. Das Buch „Mängelexemplar“ ist wütend, traurig und ehrlich, lustig und ernst. Es ist toll. Ich habe, als ich den Roman las, lange darüber nachgedacht, warum Sarah Kuttner diese sehr persönlich klingende Geschichte geschrieben hat. Ähnlichkeiten mit sich selbst bestritt sie vehement. Karo ist ein angry bird, sie ist wütend auf alle. Wenn ein Kind im Baumarkt heult, nervt es, dass das Balg sie bei ihrem Telefonat stört. Bevor ihr den Kopf schüttelt: Karo ist eine von vielen. Macht was mit Medien, ist schnell, flexibel, hysterisch. Wenn was nicht klappt, badet sie in Selbstmitleid. Als sie gefeuert wird, kriegt Karo nichts mehr hin, aber hier und da Atemnot. Macht nicht den Fehler zu glauben, dies sei ein hipper Film. Er spielt zwar in Berlin, aber es geht ums Rumdoktern am eigenen Leben und das „Wiederrauskommen“ aus was auch immer. Nur: Wenn man alles zeigen will, was im Buch passiert, ist das zu viel Information, verpackt in hektisches Gebärden, dekoriert mit der allseits präsenten zischenden Stimme von Hauptdarstellerin Claudia Eisinger. Auch wenn der ganze Film eine (nervige) Heike-Makatsch-Attitüde besitzt, kann man das gelungene Ende nicht übersehen. Doch, der ist trotzdem wichtig.   
 


HAPPY HOUR
AB 12.05. // FILMHAUS
Drei Männer, die Probleme mit Frauen haben, will man das sehen? Jawohl. Der Dicke heult, weil seine Gattin ihn schon länger betrügt, und muss abgelenkt werden. Also fahren die drei früheren Freunde nach Irland. Dort hat der penible Mülltrenner und Besserwisser Wolfgang ein Cottage und gemeinhin gibt es in dieser Gegend Guinness zur Erlangung einer gewissen Leichtigkeit. Die könnte auch in Streit kippen, wenn man sich mal die Meinung sagt oder der eine mit der Irin schläft, die der andere für „eine ganz tolle Frau“ hält. Eine ganze Zeit lang dachte ich, Männer sind so komisch. Aber man lernt ja was über seltsame Dinge. Eigentlich lachen immer zwei über einen. Das ist Freundschaft? Oder nackt Holz fällen? Wobei, das fand ich okay. Habe mich ob der zunehmend traurigen Erlebnisse über jedes befreiende Lachen gefreut ...  
 


HOPE FOR ALL
AB 12.05. // CASABLANCA (VORAUSSICHTLICH)
Deine Nahrung könnte deine Medizin sein, aber wer will das schon, wenn er Burger und Chips haben kann. Wir wissen viel, aber im Alltag bleiben wir dumpf bei der Wahl unseres Essens. Leider trägt die Doku „Hope for all“ nicht viel bei zur Änderung dieser Tatsache. Den Tieren geht’s beschissen, berichten ehemalige Schlächter. Ach was. Mir kam der Film vor wie ein Werbeclip für einen Dr. Esselstyn, der in den USA der Einzige zu sein scheint, der Gesundheit und Ernährung in einem Satz verwenden darf. Da die Hoffnung zuletzt stirbt, werde ich mir nächsten Monat „Tomorrow - Die Welt ist voller Lösungen“ anschauen, die nächste Doku zur Rettung des Erdballs.
 


REMAINDER
AB 12.05. // MEISENGEIGE + CASABLANCA
Atemloser Mann mit Rollkoffer. Er lässt ihn stehen, es fällt ihm was auf den Kopf. Entsetzte Gesichter. Krankenhaus. Dann bekommt er Schweigegeld für etwas, woran er sich ohnehin nicht erinnert. Über acht Millionen Pfund hat Tom nun auf einem Konto. Ihm fällt wenig ein, das er in der Gegenwart anstellen könnte, also versucht er sein früheres Leben nachzubauen, um zu einem Jemand zu werden. Kino ist manchmal Kunst, und zunächst erreicht „Remainder“ mit einfachen Mitteln viele Effekte. Jede Spur ist spannend und immer wieder taucht ein kleiner Junge auf in den Gedanken des reichen Kranken. Endlos wiederholt der kleine Diktator Szenen aus seinem früheren Leben. Kunst strengt manchmal an. Ich hab die Minuten gezählt, bis das endlich aus ist. Aber dann war das Ende schon richtig cool.
 


NUR FLIEGEN IST SCHÖNER
AB 19.05. // CASABLANCA
Ich steig aus, mach alles anders. Stimmt das? Einfacher ist nur so zu tun, als würde man wollen, dass sich was im Leben verändert. Dann kauft man sich eine super Ausrüstung für eine absurde Idee, die man nie umsetzt. Zum Beispiel ein Kajak, mit dem man heimlich auf dem Dach herumläuft. Als sich Michel in diesem französischen Komödchen endlich ins Wasser wagt, kommt er dennoch nicht weit. Er hat es doch lieber bequem, schließlich ist er ein Mann mittleren Alters und da sucht man das bequeme Abenteuer. Möge sein Bewusstsein dennoch erweitert werden. Am 16. Mai kredenzt das Casablanca seinen Gästen zur 18 Uhr-Preview Absinth. Hätt' ich vielleicht auch nehmen sollen.
 




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