Im Gespräch mit: Rurik Gislason, Fußballer, 1.FCN
#David Lodhi, #FCN, #Fußball, #Im Gespräch mit, #Interview, #Sport, #Thomas Bönig
Island, eine Fußballhochburg. Da wo die Spieler aus dem Land der Trolle und Elfen früher belächelt wurden, werden sie jetzt mit Respekt und Bewunderung angesehen. Die Fußballnationalmannschaft hat sich erstmals für eine Europameisterschaft qualifiziert – Das hat einiges verändert.
Der isländische Fußballprofi Rurik Gislason steht nach Stationen in England und Dänemark seit knapp einem Jahr beim 1. FC Nürnberg unter Vertrag. Im bisherigen Saisonverlauf konnte er aufgrund von Verletzungen noch nicht so richtig ins Geschehen eingreifen, das will er aber bis zum Saisonende ändern, auch wegen der Europameisterschaft. Aber von vorne: Zusammen mit dem Fotografen Thomas Bönig, in unseren letzten Ausgaben für die „Hier bin ich Mensch“-Serie verantwortlich, haben wir Rurik Gislason getroffen und uns mit ihm über den Club, die Veränderung der Fußballkultur in seiner Heimat Island aufgrund der EM-Qualifikation und seinen Musikgeschmack gesprochen.
curt: Wie wichtig war es für Dich, 2004 Island zu verlassen, um auf dem europäischen Festland zu spielen?
RURIK GISLASON: Das war wirklich wichtig für mich. Ich begann mehr zu trainieren und Fußball zu spielen, statt zur Schule zu gehen, mit meinen Freunden abzuhängen und Spaß zu haben. Eine für mich anfangs harte Entscheidung, weil ich mein Leben, so wie es war, wirklich gemocht habe, aber ich habe sie keine Sekunde bereut. Ich habe begonnen, meinen Traum zu leben.
curt: Fußball in Island war ja eher eine Randsportart, als Du damals gegangen bist …
RURIK GISLASON: Ja, war es. Aber seitdem hat sich viel getan. Es gibt viel mehr Fußball-Hallen mit guter Ausstattung. Damals haben wir draußen gespielt, egal wie das Wetter war und der Platz ausgesehen hat. Die Kids haben heute viel bessere Möglichkeiten.
curt: Für Dich war es entsprechend wichtig Island zu verlassen, um ein professioneller Fußballer zu werden?
RURIK GISLASON: Ich wollte schon immer Profifußballer werden und wusste, dass ich irgendwann meine Heimat verlassen muss, um die nächsten Schritte zu gehen.
curt: Schlussendlich bist Du hier gelandet, beim 1. FCN.
RURIK GISLASON: Wieso schlussendlich? [grinst]
curt: Was waren die Gründe für Deinen Wechsel nach Nürnberg?
RURIK GISLASON: Ein guter Freund von mir, Per Nilsson, hat hier früher gespielt. Er hat mich bei meiner Entscheidung nach Nürnberg zu gehen maßgeblich beeinflusst. Er hat Mannschaft und Umfeld hier in höchsten Tönen gelobt. Um ehrlich zu sein, hatte ich bis dahin nicht allzu viel vom Club und der zweiten Bundesliga gehört, fing dann aber an, mich mit dem Verein und all seiner Tradition zu beschäftigen und bin super happy, hier zu sein. Leider war ich viel verletzt bisher, aber ich arbeite hart daran, wieder fit zu werden und will den Fans und all den Leuten, die mich hier unterstützt haben, etwas zurückgeben.
curt: Was sind Deine Ambitionen bis zum Ende dieser Saison?
RURIK GISLASON: Ich glaube, ich darf keine zu hohen Ansprüche haben. Der Coach hat ein tolles Team zur Verfügung, das eine großartige Serie hingelegt hat. Ich werde weiterhin hart arbeiten, um da zu sein, wenn das Team mich braucht.
curt: Du spielst auch seit vielen Jahren in der isländischen Nationalmannschaft. Was sind für Dich die Unterschiede zwischen dem isländischen Team und dem Club?
RURIK GISLASON: Beide Teams arbeiten sehr hart für das, was sie erreicht haben, jeder Spieler ist bereit, weit zu gehen – für sich und für die Mannschaft. Darin sind sie sich sehr ähnlich. Unterschiede zu finden ist gar nicht so einfach, wenn man die Taktik mal raus lässt. Die isländische Nationalmannschaft ist in ihrer derzeitigen Besetzung schon lange zusammen. Immer wenn sie mal zwei Spiele gewonnen hat, haben die Fußballfans einen ganz schönen Druck aufgebaut. Der hat die Mannschaft aber eher angetrieben und den ohnehin schon sehr guten Teamgeist noch besser gemacht. Island ist ein kleines Land mit einer kleinen Hauptstadt, da ist man eng zusammen.
curt: Was hat die isländische Nationalmannschaft so erfolgreich gemacht in der EM-Qualifikation?
RURIK GISLASON: Für mich ist das eine Mischung aus Talent, Teamgeist und gegenseitigem Vertrauen. Wie gerade schon erzählt, wir spielen schon lange zusammen. Sehr lange. Die Trainer schenken uns viel Vertrauen und helfen uns, uns zu entwickeln, jeder für sich und als Mannschaft. Wir dürfen Fehler machen und Spiele verlieren. Aber das Vertrauen, das ist ungebrochen.
curt: Was hat sich in Island verändert mit dem Erfolg der Fußballnationalmannschaft?
RURIK GISLASON: Es hat sich eine Menge verändert. Man könnte sagen, es hat sich die ganze Gesellschaft ein wenig verändert. Es war für uns kaum vorstellbar, dass Leute aus Island zu einem unserer Auswärtsspiele reisen. Inzwischen werden es immer mehr. Wenn wir spielen, dann ist das fast schon ein Nationalfeiertag. Für die Kids haben wir viel mehr eine Vorbildfunktion als früher, wir können sie ermutigen, sich zu verbessern und daran zu glauben, dass alles möglich sein kann.
curt: Welches Ziel hat die Mannschaft für die EM?
Rurik Gislason: Wahrscheinlich denkt der ein oder andere, wir haben unser Ziel mit der Qualifikation schon erreicht. Aber wir wollen weitergehen, so schnell wie möglich. Wir gehen in die Spiele, um sie zu gewinnen.
curt: Welche Rolle willst Du dabei spielen?
RURIK GISLASON: Unglücklicherweise war ich ja eine ganze Weile verletzt. Das war kein gutes Timing. Aber vor der Qualifikation habe ich eine wichtige Rolle im Team gespielt, dahin will ich zurück. Und dafür werde ich hart arbeiten!
curt: Viel Glück dafür!
RURIK GISLASON: Vielen Dank!
curt: Man liest immer wieder, dass Du gerne Rock und Hip-Hop hörst. Warst Du jemals auf einem dieser wunderschönen Musikfestivals Islands, wie dem Iceland Airwaves oder dem Sonar Reykjavik?
RURIK GISLASON: Das ist das, was ich eingangs mit der harten Entscheidung gemeint habe. Ich konnte bisher noch nie zu einem dieser Festivals gehen.
curt: Beschäftigst Du Dich mit der isländischen Musik?
RURIK GISLASON: Oh ja, ich verfolge die isländische Musikszene aufmerksam. Als ich letzten Dezember in Island war zur Rehabilitation, habe ich meinen Schulabschluss nachgemacht, danach ein wenig gefeiert und dazu befreundete Bands und Künstler eingeladen. Zum Beispiel Úlfur Úlfur.
curt: Die habe ich mir letztes Jahr beim Iceland Airwaves live angehört, toller isländischer Rap. Allerdings hab ich nichts außer „Motherf**ker verstanden.
RURIK GISLASON: [lacht] Ja, die sind cool. Isländische Musiker haben einen tollen Instinkt, eine krasse Kreativität, auch was neue Einflüsse und deren Verarbeitung anbelangt. Ich mag eigentlich gar kein spezielles Genre, sondern alles, was gut ist.
curt: Wir können ja, wenn das Interview online erscheint, noch ein Video von Úlfur Úlfur dazu packen …
RURIK GISLASON: Da freuen die sich. Aber Ihr müsst auch eines von Kaleo dazu packen. Die haben auch auf meiner Party gespielt und sind echt super.
[Interview: David Lodhi, Fotos: Thomas Bönig, thomasboenig.com]
www.youtube.com/user/iamulfurulfur
www.youtube.com/user/Kaleoofficial
#David Lodhi, #FCN, #Fußball, #Im Gespräch mit, #Interview, #Sport, #Thomas Bönig