Start-Up Fahrradkuriere: Cycle Cowboys
#Fahrrad, #Im Gespräch mit, #Interview
Wir bei curt sind selbst leidenschaftliche Radfahrer. Nicht Biker. Radfahrer, gediegen, mit Rücktritt und so. City Cruiser. Und somit: Rückeroberer des urbanen Raums! KFZ go home! Und darum lassen wir zukünftig unsere Pakete von Fahrradkurieren verteilen. Wie es um Nürnberg als Fahrradstadt steht, berichtet Ric, einer der Chefs.
Wie kommt man dazu, einen eigenen Fahrradkurierdienst zu eröffnen? Aus Leidenschaft? Oder ist das so ein lukratives Business?
RIC: Bei uns war es ganz klar die Leidenschaft fürs Radfahren/Kurierfahren. Für die goldene Rolex reicht‘s nicht, das war aber auch nie das Ziel. Einen Job zu haben, der einem Spaß macht und wegen dem man morgens gerne aufsteht, befriedigt mehr als sämtliche Statussymbole.
Woher kommt Ihr, was habt Ihr davor gemacht?
RIC: Mein Partner Alex ist seit 20 Jahren in der Transportbranche, hatte bisher mit größeren Fahrzeugen zu tun, nun haben wir uns auf Zweiräder konzentriert. Ich kam als Quereinsteiger und habe vorher als kaufmännischer Projektleiter bei einem Konzern hier in der Nähe gearbeitet. Wir haben beide unseren Lieblingssport zum Beruf gemacht. Er kam vom Mountainbike, ich vom Rennrad.
Was hat sich in diesem einen Jahr seit Eurem Bestehen alles geändert?
RIC: Wir haben selbst nicht schlecht gestaunt, als wir letzte Woche unser kleines Jubiläum zum 10.000. Transport hatten. Angefangen haben wir zu zweit, mittlerweile sind wir zu zehnt, da reibt man sich schon mal die Augen. Insofern geht es uns in Nürnberg schon recht gut. In absehbarer Zeit werden wir mal in den Nachbarstädten anklopfen und mal schauen, was da so geht.
Ihr seid ein klassisches Start-Up. Was sind die Anfangsschwierigkeiten, wo muss man sich am meisten disziplinieren?
RIC: Das richtige Maß zu finden zwischen Struktur und Chaos, das war die größte Herausforderung. Aber inzwischen sind die Strukturen gewachsen und es haben sich sinnvolle Aufgabenteilungen ergeben.
Als klassische Fahrradkuriere seid Ihr schneller als andere Kurierdienste. Das funktioniert wohl am besten bei kleinen Sendungen ...
RIC: So klein muss die Sendung gar nicht sein. Drei Schuhkartons oder fünf Leitz-Ordner kriegen wir in unseren Rucksäcken locker unter. Wenn es doch mal etwas sperriger ist, können wir mit unseren Lastenrädern bis zu 100 Kilo laden und vom Volumen her mit einem Kofferraum eines Kleinwagens mithalten. Das genügt im Regelfall.
Warum sollte man Euren Dienst in Anspruch nehmen? Was könnt Ihr besser als die andere Kuriere oder die Post?
RIC: Zum einen ist das die Geschwindigkeit innerhalb der Stadt. Der Brief wird halt erst morgen zugestellt – für eilige Sachen ist das zu langsam. Wir schaffen das je nach Distanz auch in unter einer Stunde. Den Service nehmen zum Beispiel neben Anwälten auch viele Labore in Anspruch, wenn beispielsweise Zahnabdrücke gemacht werden oder Blutproben analysiert werden müssen. Durch die GPS-Ortung unserer Biker können wir unseren Kunden auch verlässliche Abhol- und Zustellzeiten nennen. Und dadurch, dass wir nicht im Stau stecken bleiben können, halten wir die dann auch ein.
Vom Maffeiplatz zum Stadtpark. Wer ist schneller: Bike oder KFZ?
RIC: Nachts würde vielleicht sogar der PKW gewinnen, aber da will ja auch kaum jemand etwas transportieren. Tagsüber machen es vor allem die anderen Autofahrer dem PKW schwer. Durch den dichten Verkehr und die Ampelschaltungen kommt er später ans Ziel. Der Biker fährt da eher kleine Seitenstraßen und wird so der Erste sein.
Fahrradkurier ist – je nach Stadt – ein extrem gefährlicher Beruf mit sehr hoher Unfallquote.
RIC: Stimmt. Je nach Ranking sind wir irgendwo unter den Top 10 oder Top 20 der gefährlichsten Jobs. Und das nicht ohne Grund: irgendwo geht immer eine Autotür auf, schneidet uns ein LKW oder irgendjemand nimmt einem die Vorfahrt. Man muss ähnlich wie beim Schach fünf Züge voraus denken und ein Worst-Case-Scenario daraus bauen.
Wer viel Rad fährt hat das Zeug zum Fahrradkurier? Reicht nicht.
RIC: Fahrradfahren kann zunächst einmal fast jeder. Aber am Tag über 100km zu fahren und das vier bis fünf Tage die Woche, auch bei Wind, Regen und Schnee, das schafft dann nur noch ein Bruchteil.
Zum anderen sollte man sein Fahrrad in- und auswendig kennen, denn bei diesen Distanzen hat man einen hohen Verschleiß. Davon sollte man den Großteil selbst beheben können. Darüber hinaus sollte man schon gute Umgangsformen haben. Beim Kunden, aber auch beim Empfänger, man ist ja schließlich die Visitenkarte des Kunden.
Nürnberg als „Fahrradstadt“. Wo mangelt es, was sollte man verändern?
RIC: Ich würde mir wünschen, dass Fußgänger und Radfahrer gleichberechtigt betrachtet werden mit dem Autoverkehr. In Bezug auf Nürnberg als Fahrradstadt kann ich mir sehr gut Fahrradstraßen wie in Berlin vorstellen. Auf diesen Parallelstraßen zu größeren Verkehrsachsen haben die Fahrräder Vorfahrt und können so entspannt dahinrollen. Zugleich wird die Verkehrsachse von den Fahrradfahrern entlastet, was den Autoverkehr beschleunigt. Und es ist eine kostengünstige Maßnahme, da man die Straße lediglich als solche ausschildern muss. Hierfür bieten sich z.B. die Schweppermannstraße und die Humboldtstraße an.
Radfahren ist nicht nur hip, sondern wird in der Stadt die Zukunft sein. Stichwort: Rückeroberung des urbanen Raums. In Kopenhagen gibt es im Verkehr einen Radanteil von 63%, dank perfekter Infrastruktur.
RIC: An dieser Stelle muss man auch sagen, dass Kopenhagen nicht erst seit gestern daran arbeitet, sondern seit Anfang der Neunziger. Auch Nürnberg hatte zu dem Zeitpunkt ein visionäres Verkehrskonzept, nicht umsonst ist damals der Rathausplatz gesperrt worden.
Die Stadt setzt derweil Sachen um, die in Ihrer Möglichkeit stehen: sie hat mit der Errichtung von Fahrradparkplätzen in der Nordstadt gerade den deutschen Fahrradpreis gewonnen. Positiv fand ich auch den öffentlichen Diskurs bei der Sanierung der Hallertorbrücke. Mit dessen Ergebnis kann sicherlich der Großteil leben.
Es sind viele kleine Schritte, der ganz große Wurf fehlt noch, aber das war im Ausland auch nicht anders. Sicherlich ist da noch Potenzial, sowohl bei der Höhe der Gelder für den Radverkehr, als auch bei der Umsetzung. SÖR als exekutives Organ hat im letzten Jahr rund 1/3 des Budgets nicht abgerufen, weil da offensichtlich die Kompetenzen im Bereich Radverkehrsbau fehlen. Eine Instandsetzung der vieler Orts maroden Radwege hätte man damit locker anstoßen können.
Immer mehr urban lebende junge Menschen verzichten auf eigene Autos oder sogar auf den Führerschein. Sollte es einen Führerschein für Radfahrer geben, oder sogar Nummernschilder, damit es weniger Grauzone/ mehr Sicherheit im (Fahrrad-) Verkehr gibt?
RIC: Ich gehöre selbst zu der Generation, die kein eigenes Auto besitzt und benötige dies auch nicht. Ich kenne die Autofahrerperspektive in Nürnberg fast ausschließlich aus dem ehrenamtlichen Rettungsdienst bei der Johanniter Unfall Hilfe.
Ich denke nicht, dass Mofa-Kennzeichen o.ä, die erwünschte Wirkung zeigen. Autofahrer parken auch in der zweiten Reihe oder fahren zu schnell, obwohl sie ein Kennzeichen führen. Wenn Verkehrsteilnehmer sich ernst genommen fühlen, neigen sie auch zu weniger zu Verstößen gegen geltendes Recht. Dafür muss man sich im Verkehr allerdings auf Augenhöhe und mit Respekt für einander begegnen.
Sicherheit für Radfahrer wird immer ein großes Thema bleiben. Wenn es kracht, dann oft sehr schwerwiegend. Letztendlich liegt das ja an jedem selbst, ob man riskant, vorsichtig und vorausschauend fährt. Wie kann man das verbessern? Im Kopf der Radfahrer und der Stadtplaner?
RIC: Letztlich wird auf großen Straßen eine bauliche Trennung von Radwegen und Straßen benötigt. Solch sichere Radwege werden dann auch von unsicheren Radfahrern benutzt, die dann nicht mehr, aus Angst vor dem Verkehr, auf den Fußweg ausweichen.
Critical Mass: Ein Phänomen mit einem tollen Grundgedanken. Wie steht Ihr dazu? Fahrt Ihr auch mit?
RIC: Ich würde mir wünschen, dass die Critical Mass gar nicht mehr nötig ist. Städte wie Amsterdam und Kopenhagen zeigen, wie entspannt die unterschiedlichen Verkehrsformen dort koexistieren. Und dort ist tagtäglich an vielen Ampeln Critical Mass bzw. ein regelrechter Fahrradstau an den Hauptverkehrsachsen. Ich bin gern auf der CM und mag den Charakter irgendwo zwischen Demo, Party und Stadtrundfahrt.
Wo geht in den Städten der Trend bei Fahrrädern hin?
RIC: Ein Trend, der definitiv in Nürnberg noch nicht so ganz angekommen ist, ist das Lastenfahrrad. Das liegt hier vielleicht an der engen Bebauung in der Innenstadt. In den Randgebieten hat das Lastenrad aber schon das Potenzial, mindestens den Zweitwagen abzulösen.
Autos müssen raus aus der Innenstadt, weil …
RIC: … weil sie in der engen Altstadt eher im Weg stehen und eigentlich kaum gefahren werden. So blockieren sie öffentliche Räume, an denen Bäume, Parks, Spielplätze und Wohnraum stehen könnten.
Ich hätte für die curt-Mittagspause gern ein Schäufele vom Wirt meines Vertrauens. Kann ich auch das von Euch liefern lassen? Was kostet das und kommt es auch warm an?
RIC: Wenn der Wirt nicht allzu weit weg sitzt, kommt das Schäufele gut temperiert bei Dir an. Wir holen häufiger Essen ab und bringen es zu unseren Kunden. Und das, wie alles bei uns, ab 6,- netto ist ein fairer Preis. Vielleicht gibt’s da demnächst sogar einen Lieferservice für leckere und faire Burger …
[Fotos: Cris Civitillo, cris-c.de]
CYCLE COWBOYS. Unsere Fahrradkurier-Buddys.
Kleestraße, Nbg.
cyclecowboys.de
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