Raumschiff Neues Museum: WETRANSFORM
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Immer weiter erhöht der Mensch die Schlagkraft seiner Wirtschaft für ein vermeintlich besseres Leben. Aber längst ist das Wachstum im Grenzbereich angekommen, in dem bisher scheinbar funktionierende Mechanismen versagen. Weshalb und wie wir uns auf eine Postwachstumsära einstellen sollten, zeigt die am 17. März beginnende Ausstellungsreihe „Wetransform“ im Neuen Museum. curt ist als transformidabler Medienpartner dabei.
Unsere Welt ist ein geschlossenes System mit begrenzten Ressourcen. Mit etwas Physik, also Strahlungsbilanz, und da nach Einstein Masse auch Energie ist und umgekehrt, erklärt sich zumindest sehr theoretisch, dass man, um etwas Neues zu schaffen, etwas Anderes aufgeben oder wegnehmen muss. Und weil dummerweise diese Masse auch nicht so günstig verteilt ist, wie es die Industrieländer für ihr Schaffen gerne hätten, und Biologie und Chemie ein Nachwachsen der Ressourcen arg verzögern, sind die Grenzen des grenzenlosen Wachstums in der Praxis noch enger als die blanke Theorie.
Bereits 1972 hat der Club of Rome in seinem Buch „Die Grenzen des Wachstums“ bilanziert, dass das mit dem damaligen westliche Wachstumsstreben die ökologischen Reserven in spätestens hundert Jahren aufgebraucht hat. Ein Jahr später erklärte der hochdotierte US-Ökonom Kenneth Boulding: „Wer in einer begrenzten Welt an unbegrenztes Wachstum glaubt, ist entweder ein Idiot oder ein Ökonom.“ Er oder Visionäre wie Buckminster Fuller prägten die Metapher vom Raumschiff Erde, die tatsächlich schon im 19. Jahrhundert vom Ökonom Henry George entworfen wurde. Trotzdem halten viele Ökonomen dogmatisch am Wirtschaftswachstum fest. Bestehende Wirtschaftssysteme sind seit jeher auf Wachstum aufgebaut. Jede wirtschaftliche Krise und jede Lücke wird mit mehr Wachstum und Konjunkturprogrammen zu schließen versucht. Viel Widerstand hatten Ökonomen dabei bisher nicht zu befürchten, denn die Wenigsten geben gerne etwas vom eigenen Kuchen ab oder wollen verzichten. Das Wachstumsmodell basiert auf den Menschen als Individuum, das sich über Arbeit definiert und dessen Glück und Wohlergehen von der Produktion, dem Kauf und dem Besitz von Konsumgütern abhängt. Als Indikator für Wirtschaftswachstum dient dabei immer noch das Bruttoinlandsprodukt, das aber schon lange nichts mehr aussagt über den Wohlstand und Zufriedenheit des Einzelnen. Wenn im BIP Waffengeschäfte oder massive Umweltzerstörung aufgerechnet sind und die erwirtschafteten Einnahmen auf einen verschwindend(en) geringen Prozentsatz seiner Bevölkerung verteilt werden, dürfte diese Zahl die meisten Wirtschaftsindividuen nicht so glücklich machen, wie Ökonomen vorher berechnet haben. Der von der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Bundestags eigens erarbeitete neue Indikatorsatz findet bis heute dagegen kaum Beachtung. Dabei läuft das Wachstum der Industrieländer schon längst im Grenzbereich und erzeugt mit unsicheren Finanzmärkten, Arbeitsüberlastung, ungerechter Verteilung, Klimawandel und Umweltzerstörung immer neue Probleme. Lokal und global. Damit die ökonomischen, ökologischen und sozialen Grenzen des Wachstums nie erreicht werden, ist in allen Ebenen der Gesellschaft eine Transformation zwischen Ökonomie, Ökologie und Soziologie notwendig.
Schon lange haben viele Künstler und Designer die Folgen globaler Naturnutzung zu einem zentralen Gegenstand ihrer Auseinandersetzung gemacht. In seiner Ausstellung „WEtransFORM“ versammelt das Neue Museum Nürnberg über 30 international renommierte Positionen aus Kunst und Design zu alarmierenden Themen wie die rasante Verknappung von Wasservorräten, fossilen Rohstoffen, Nahrung und Bodenfläche oder fragwürdigen Konsumgütern, die mehr oder weniger direkt für die Müllhalde produziert und gekauft werden.
Aufklärend verbindet die Ausstellung unseren markanten ökologischen Fußabdruck mit Arbeiten zu den wachsenden Plastikinseln in den Ozeanen und den Müllbergen an Land. In Bildern wird der Umbau der Erdoberfläche durch den Menschen dargestellt. Manche dieser Bilder gleichen bereits jetzt den dystopischen Szenarien, die den Betrachtern die Folgen unkorrigierten Handelns vor Augen führen.
Dabei legt WEtransFORM nicht nur den Finger in die ökologischen Wunden, sondern liefert Einblick in die historische und aktuelle Suche nach Alternativen und Lösungsmodellen zur Entkopplung von ökonomischem Wachstum und ökologischen Schäden. Einer der vorgestellten Wegbereiter war der Architekt der geodätischen Biosphère zur Expo ´67, Designer und Visionär Buckminster Fuller, der schon in den Zwanziger Jahren an energie- und materialeffizienten Konstruktionen arbeitete und später mit neuen technischen Konzepten versuchte, ökonomische Minimalprinzipien umzusetzen. Denn es braucht Innovation und neue Ideen, da allein Stillstand oder Reduzierung ohne Wandlung keine nachhaltige Lösung sein kann. Weniger Einsatz, bei gleichem Erfolg. Immer noch ist der Ressourcen-Hunger mancher Industrieländer so groß, als könnten sie mehrere Erden aus dem Schornstein zaubern, während das schlechte Gewissen mit einer Art Ablasshandel in Form von Emissionsrechten freigekauft wird. Ein recht fauler Zauber also.
Neben konsequenter Energiereduktion sind Gegenmodelle zur konventionellen Energiegewinnung nötig. Mit dem Aufbau „the idea of a tree“ zeigt das Studio mischer‘traxler seine idealisierte Vision der direkten Wandlung von Sonnenenergie in einen produktiven Prozess. Und obgleich sich mit Optimierungen in Konstruktion, Design und Produktion Energie und Rohstoffe sparen lassen, bleibt ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Verschwendung von Rohstoffen am Ende unser Konsumverhalten. Mit ihrem „Temple Of No Shopping“ vor dem Museum, bestehend aus mehreren hundert Metallfässern, erzeugt das Künsterkollektiv raumlaborberlin ab 23. April ein Mahnmal gegen den Konsumwahn. Denn es ist wohlfeil die Ausbeutung von Mensch und Natur anzuprangern, aber diese und weitere perverse Irrwege des Wachstums wie geplante Obsoleszenz mit ungebremsten und ungefilterten Konsumverhalten zu unterstützen, und die Ersparnisse durch technischen Fortschritt, anstatt in faire Produktion nur in noch mehr Konsum zu investieren. In der Addition von Ausbeutung und Zerstörung ändert das unter dem Summenstrich nichts. Dabei ist schon der Begriff von Wohlstand und Zufriedenheit immer noch von vielen falschen Statussymbolen belegt. Die gezeigten Alternativen einer soziologischen Transformation führen in der Konsequenz auch zu einer umweltverträglicheren Lebensweise. Mit der DIY-Bewegung und Repair-Cafés lässt sich Müll vermeiden, „Urban Farming“ und „Urban Mining“ schaffen eine selbsterhaltende Kreislaufwirtschaft und helfen Versorgungsprobleme zu lösen. Nicht zuletzt ist auch eine bessere Verteilungsgerechtigkeit notwendig, damit kein Ökonom mehr auf die Idee kommen muss, die globalen und lokalen Scheren zwischen Arm und Reich mit noch mehr Wachstum an falscher Stelle zu schließen.
Vom 2. bis 5. Juni findet ein Festival mit Vorträgen, Lesungen, Diskussionen und Workshops statt. „Dabei tauschen, recyclen, reparieren wir und verkochen Lebensmittel, die vorher in der Ausstellung gewachsen sind“, erklärt dazu Museumsdirektorin Dr. Eva Kraus, die zusammen mit der Design- und Kulturwissenschaftlerin Dr. Martina Fineder, die derzeit in Wien arbeitet, die Ausstellung aus zeitgenössischen Kunstinstallation und Designobjekten und historischen Wegbereitern kuratiert. Das vollständige Program wird im April veröffentlicht. Natürlich auch hier auf der Website.
Die Eröffnung der Ausstellung ist am Donnerstag, 17. März, ab 19 Uhr.
Als Medienpartner begleitet CURT die Ausstellung.
WETRANSFORM.
Vom 18. März bis 19. Juni im Neuen Museum, Luitpoldstraße 5, Nbg.
www.nmn.de
Führungen:
Ab 18.03., jeden Samstag, 15 Uhr, und jeden Sonntag, 11 Uhr.
Mo 28.03., 15 Uhr.
Kosten: 2 Euro zusätzlich zum Eintrittspreis
Kuratorenführungen
mit Dr. Eva Kraus / Dr. Martina Fineder:
Do 14.04., 18 Uhr.
Do 12.05., 18 Uhr.
Do 16.06., 18 Uhr
Kosten: 2 Euro zusätzlich zum Eintrittspreis
Gezeigt werden Beiträge von Michael Anastassiades, Stephan Augustin, Martin Beck, Michael Beutler, Böhler & Orendt, Miro Craemer, Des-In, Mark Dion, DLR – Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt / Earth Observation Center (EOC), Dunne & Raby, Charles und Ray Eames, ESA – European Space Agency, Studio Formafantasma, INAPRO Projekt (IGB, PAL Anlagenbau, Wenke Förster u.a.), Andrés Jaque / Office for Political Innovation, Richard Buckminster Fuller, Tue Greenfort, IDRV – Institute of Design Research Vienna, Little Sun, LIVIN farms (Katharina Unger, Julia Kaisinger), Tea Mäkipää, mischer'traxler, Hans Nevídal / Andreas Pawlik, Alejandro Mosquera Ochoa, Victor Papanek, raumlaborberlin, Gerd Rohling, Harriet Russell, Johanna Schmeer, Superflex, Stiletto, Oliviero Toscani / Steve McCurry, Suzanne Treister u.a.
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