So ein Theater ...
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In die zweite Premierenwelle mit Dieter Stoll. Jetzt wird ausgewertet und nachgeladen: die ersten Bühnen-Produktionen der neuen Saison stehen geballt als Angebot auf den Spielplänen – und wer da kommt, der soll willkommen sein. Während die zweite Welle in den Proberäumen grade hochgeschäumt wird, geht ergänzend die Konkurrenz der Wiederaufnahmen in Comeback-Stellung. Einiges sollte man auf den zweiten Blick beachten.
STAATSTHEATER NÜRNBERG
PREMIERE: Nirgends wird so schön gehustet wie in LA BOHEME von Giacomo Puccini. Das melodiensatte Künstlerdrama mit dem herzergreifenden Schmacht-Faktor, so lebensfroh wie todesnah, behauptet seit Generationen seinen Spitzenplatz in den Opern-Spielplänen. Nürnberg liegt da schnittig im Trend und lässt für die Neuinszenierung ein ungewöhnliches Duo ran. Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka aus Budapest arbeiten immer gemeinsam als Team für Regie und Ausstattung und werden international unter „besondere Talente“ gehandelt. In Coburg verblüfften sie vor drei Jahren mit einer entschlackten Puccini-„Butterfly“. Jetzt ihr Debüt am Opernhaus mit dem in der Dirigenten-Hierarchie des Hauses aufgerückten Gábor Káli am Pult. Nürnbergs Vorzeige-Sopranistin Hrachuhí Bassénz, die schon in „La Traviata“ allerliebst litt, ist die zartbitter schmelzende Mimi. Passend zur Jahreszeit reicht sie das „eiskalte Händchen“.
Premiere: 21. November. Weitere Termine: 24. und 27. November, dann wieder 4., 6. und 10. Dezember.
PARALLELE: Gleicher Stoff, andere Klänge nebenan im Schauspielhaus. Was Regisseur Stefan Otteni und Musikerin Bettina Ostermeier für ihren Blick aufs LEBEN DER BOHEME an Phantasie und Talentabschöpfung (bei entfesselt singenden, tanzenden Schauspielern) mobilisierten, nimmt vom geigenseligen Ur-Puccini nur Ahnungen auf und will auch vom spröderen gleichnamigen Kaurismäki-Film bloß Andeutungen haben. Eine ganz eigenartig umgestülpte, ziemlich nah heranrückende Künstler- und Theaterwelt mit Multi-Sound fürs wohlbekannte Thema – ein Feinschmecker-Angebot.
Termine: 3. und 25. November, 2. Dezember.
DREI AUFSTEIGER: Oft passiert es nicht, dass fertige Aufführungen wegen der Publikumsnachfrage in größere Räume wechseln. Jetzt bietet das der Spielplan im Dreisprung. Nürnbergs führender Mundart-Poet Fitzgerald Kusz hat den Aufstieg vor Jahrzehnten schon mal mit „Schweig, Bub“ geschafft und wird mit seiner drastischen Bescherungs-Satire LAMETTA nach ausverkauften Kammerspiel-Serien ins große Schauspielhaus verpflanzt. Gleiches gelingt dem britischen Komödien-Großmeister Alan Ayckbourn, für dessen pointensicher auf den Zwerchfell-Punkt gebrachte Deutschland-Premiere von ALLE LIEBEN GEORGE (Regie: Klaus Kusenberg) die Plätze nie ausreichten. Und das verspielt-saukomische Hör- und Schau-Spiel WINNETOU, viel mehr als die Einlegsohle für den Schuh des Manitu, wurde durch das schlagfertige Komödianten-Duo Philipp Weigand / Thomas L. Dietz zwischen Klavier und Marterpfahl zur Kult-Veranstaltung. Jetzt ziehen Karl May und sein Häuptling zur Blutsbrüderschaft mit nostalgierigen Zuschauern von der BlueBox in die Kammerspiele. Da muss man hin! Howgh!
Termine: Lamentta: 16., 29. und 30. November; Alle lieben George: 11. und 15. November; Winnetou: 11. und 27. November.
STAATSTHEATER NÜRNBERG.
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg.
staatstheater-nuernberg.de
STADTTHEATER FÜRTH
PREMIERE: Große Ausstattung braucht dieses Stück nicht, denn bei GIFT – EINE EHEGESCHICHTE liegt aller Glitzer im Dialog-Detail. Die niederländische Autorin Lot Vekemans lässt ein geschiedenes Ehepaar sechs Jahre nach der Trennung am Grab des verstorbenen Kindes zurückblicken. Das emotional nach allen Seiten ausschlagende und ebenso in leisen Tönen grübelnde Stück lässt tief ins Innerste blicken. Seit 2009 europaweit erfolgreich – auch deshalb, weil es Schauspielerfutter der schmackhaftesten Kategorie ist. Intendant Werner Müller inszeniert mit Herbert Schäfer und Daniela Kiefer im Fürther Kulturforum.
Premiere: 7. November. Weitere Termine: 8., 26., 27., 28. November.
GASTSPIEL: Wie man aus dicken Romanen handliche Theaterstücke machen kann, gehört zu den aktuell inflationär eingesetzten Kunst-Tricks der Theaterwelt. Auch DIE BLECHTROMMEL - nobelgepriesen als Buch, von Oscar umarmt als Film - sucht nun den dritten Weg. Der inzwischen verstorbene Günter Grass sah im Vorjahr in Hamburg noch die Dramatisierung mit nachsichtigem Wohlwollen. Jetzt zeigen die Schauspielbühnen Stuttgart auf Tournee ihre Version der epischen Saga im Fürther Theater – und gut möglich, dass die Nicht-Leser als heimliche Zielgruppe anvisiert sind.
Termine: 11. bis 15. November.
GASTSPIEL: Ein deutscher Choreograph käme wohl nicht auf die Idee, mit dem Hinweis auf seinen Beitrag zur Helene-Fischer-Show für künstlerischen Tiefgang eines neuen Balletts zu werben. Jenseits der europäischen Hochkultur-Grenzen sieht man das entspannter. Die australische Sydney Dance Company verweist mit ihrem spanischen Chefchoreographen Rafael Bonachela auf Partnerschaft mit Kylie Minogue – und schickt ein ganz anderes, 2013 entstandenes Stück voller artistischer Aktionen unter dem Titel 2 ONE ANOTHER auf Europatour. Das Fürther Theater setzt mit solch internationaler Tanz-Szene seit Jahren Spielplan-Schwerpunkte.
Termine: 18. bis 23. November.
STADTTHEATER FÜRTH.
Königstr. 116, Fürth.
stadttheater.fuerth.de
THEATER ERLANGEN
KLASSIKER UND ZEITGENOSSE: Mit gebündelten Kräften bereitet das Erlanger Ensemble seinen jährlichen Beitrag zur vorweihnachtlichen Eltern-Entlastung vor. Diesmal also DIE SCHNEEKÖNIGIN ab 29. November. Den Erwachsenen bleiben Klassik und Gegenwart, fast noch premierenfrisch: Lessings immer wieder passende Toleranz-Parabel NATHAN DER WEISE als entspannte, von Regisseurin Katja Ott in Komödiennähe gedrängte Versuchsanordnung in einem medizinischen Hörsaal und Philipp Löhles sicher nicht für die Ewigkeit bestimmtes, aber als Gegenpol zum hohen Wort & Wert bestens passendes Stück WIR SIND KEINE BARBAREN. Da geht es dem zeitgenössischen Autor um tragikomisch kriselnde Partnerbeziehungen samt Angst vor dem Fremden – und ein „Heimatchor“ gibt als mitnichten schweigende Mehrheit den Senf dazu.
Termine: Nathan der Weise am 9. und 10. November; Wir sind keine Barbaren am 13. und 14. November.
THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de
GOSTNER HOFTHEATER
WIEDERAUFNAHME: Im Vorjahr brachte Ingrid Lausunds böse Komödie BENEFIZ: JEDER RETTET EINEN AFRIKANER dem Gostner Hoftheater eines seiner größten Erfolge. Maya Fanke inszenierte den Egotrip von fünf Wohltätern, die sich bei der Organisation der eigenen Hilfsbereitschaft in Political Correctness und gespreizter Eitelkeit verfangen, in aller hämenden Gedankenfreiheit. Der Spott über stolzierende „Gutmenschen“ und ihren Leerlauf-Aktionismus hat 2015 womöglich an Brisanz gewonnen. Kann sein, dass die Zuschauer angesichts der kippenden Meinung zur aktuellen Flüchtlingspolitik etwas weniger unbefangen lachen.
Termine: 20. November bis 5. Dezember.
GOSTNER HOFTHEATER
Austraße 70, Nbg
gostner.de
TAFELHALLE
PREMIERE: Die anhaltenden „dance affairs“ der Tänzerin und Choreographin Susanna Curtis, die mit wechselnden Partnern als CURTIS & Co. in Nürnberg präsent ist, sind wie Girlanden von bewegten Geschichten. GOING SOLO – A QUESTION OF IDENTITY ist eine neue Choreographie von Simone Sandroni betitelt. Curtis selbst wagt den Schritt zum tanzenden Kalauer im zweiten Stück: HAMLET OMELETT. Da ist auch die intellektuelle Abenteuerlust der Zuschauer gefragt.
Premiere: 7. November. Weitere Termine: 8., 20. und 21. November.
TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg
tafelhalle.de
POCKET OPERA COMPANY
WIEDERKEHR: Zwischen Schleudergängen, Schonprogramm und Klar-Spülung, wo die Stürme hinter dickem Glas gebändigt sind, findet Richard Wagners DER FLIEGENDE HOLLÄNDER eine völlig neue Art der Erlösung. Die Pocket Opera Company, seit gut 40 Jahren im Einsatz für die Ent-Heroisierung der großen Töne, verwandelte dafür einen Nutz-Raum mit Selbstbedienung zum wunderbaren Waschsalon. Auf den Reinigungs-Maschinen balancieren der verwunschene Seefahrer und seine hilfreiche Jungfrau, während Franz Killer das Saxophon-Ensemble im Gebläse durch Wagners Welten treibt. Die Damen vom Motettenchor Nürnberg sind beim Abstauben hilfreich und trösten am Ende mit dem nahtlos angehängten Abendsegen aus „Hänsel und Gretel“.
Termine: 26. bis 28. November und 3. bis 5. Dezember
SB-WASCHSALON
Schweppermannstr. 27, Nbg.
pocket-opera.de
THEATER SALZ & PFEFFER
GASTSPIEL: Wer von der Geschichte der DDR redet, kommt am legendären DEFA-Kassenknüller von 1973 nicht vorbei. Rike Schuberty aus Berlin hat vor fünf Jahren die Spur des Films, der dazumal jeden dritten Bürger der Republik temporär mit Glückshormonen versorgte, aufgenommen und den seither mehrfach preisgekrönten Theater-, Musik- und Puppenspielabend PAUL UND PAULA – EINE LEGENDE draus gemacht. Die Puhdys, die realsozialistischen Rocker, sind per Klampfe dabei. Als Gastspiel ist das zwei Tage im Theater Salz & Pfeffer am Plärrer zu sehen.
Termine: 20. und 21. November.
THEATER SALZ+PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nbg.
salzundpfeffer-theater.de
ZU DIETER STOLL
Dieter Stoll war Kultur-Ressortleiter der AZ und Theaterkritiker für alle Sparten über 35 Jahre bis zum Ruhestand (da gab es die AZ noch) und schreibt seither noch weiter überregional für Die Deutsche Bühne und ddb-online (Sitz Köln) und nachtkritik.de (Sitz Berlin), außerdem liefert er monatlich einen Theatertipp für den Nürnberger Straßenkreuzer.
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