Claudias Kinoempfehlungen für Mai 2015

MONTAG, 27. APRIL 2015

#Casablanca, #Cinecitta, #Filmhaus Kino, #Kino, #Metropolis

Alte Helden sterben im Mai und die (politische) Erneuerung bleibt aus. wir reisen quer durch die Genres in diesem Frühjahr und es ist härter als nötig. Aber ihr könnt ja danach rausgehen und Blumen anschauen.

THE GUNMAN
Ab 30.04. // Cinecitta
Wenn auf einem Kinoplakat Javier Bardem und Sean Penn steht, bin ich schon auf den Knien. Da fahr ich klar auch nach München, um den Film zu gucken. Humorfreie Action, sei mir willkommen. Söldner Penn trägt den Namen Terrier und arbeitet im Kongo. Wir sehen ihn verliebt (in die smarte Ärztin Annie), doch zu seinem Jobprofil gehört das gezielte Töten. Als er einen Minister erschießt, muss er das Land verlassen. Javier Bardem reibt sich die Hände, denn man sah schon, dass auch er der Ärztin gerne die Leviten lesen würde. Ich dachte, das ist ein Actionfilm? Acht Jahre später wird der eremitisch lebende Terrier (Arbeit: Brunnen bauen, Hobby: Surfen) beinahe gekillt. Nachfragen, wer das war geht nur in England und Spanien, bei teuren Filmen hoppt man ja gern durch die Metropolen. In zwei Stunden um die Welt. Gunman ist brutal, Penn steckt altersgerecht nicht alles weg, Bardem ist widerlich, und beide kämpfen gegen eine komplett unoriginelle Story, an der Penn mitgeschrieben hat. Wie simpel kann man eine Geschichte stricken? Ein Film wie ein schmerzhafter Spagat - da die Dreierkiste im Stil von Rosamunde Pilcher, dort die nicht enden wollenden Showdowns vor wechselnden Locations. Die reihen sich arg konstruiert aneinander, und sind nur möglich, weil sich der gut trainierte Held gegen jede Logik bewegt. Unfassbar, dass dieser Mann so einen Schwachsinn dreht. So schade. 
 



HÄRTE
Ab 01.05. // Filmhaus
Das ist nichts für jeden Tag. Diese Art von Härte vertrag ich schlecht. Sicher hat Rosa von Praunheim eine grandiose Bildsprache, erzählt in einem schwarzweißen Kaspertheater von der Kindheit des Berliner Kampfsportlers Andreas Marquardt. Doch so perfekt die Ästhetik ist, ändert sie nichts am Inhalt, von den Misshandlungen eines Jungen durch Mutter und Vater. Das was Andy durchlebt und was daraus resultiert, ist schwer zu ertragen. Aber die Art, wie Härte erzählt wird, ist tatsächlich großes Kino. Wie Marquardt sein eigenes Leben kommentiert, habe ich so noch nie gesehen. Trotzdem bleibt bei mir ein Fluchtreflex und Übelkeit.
 


REUBER
Ab 09.05. // Kino offen
Axel Ranisch ist ein zauberhafter Regisseur. Wir ziehen den Hut vor Dicke Mädchen und Ich fühl mich Disco. Das spacke Kind zweier Leistungssportler hat 80 Kurzfilme gedreht in einer Zeit, in der andere mit einem handlichen Bagger durchs Leben streichen. Er aber streifte durch Lichtenberg, den rauhaarigen Berliner Bezirk. Ranisch dreht mit einem kleinen Team, das man immer wieder trifft. Seine Oma mit ihren gut 90 Jahren und der dickbäuchige Heiko Pinkowski gehören dazu, wenn Ranisch - diesmal ein Märchen - erzählt. Geht nicht, dacht ich. Ging super, die Geschichte über Räuber, Zauberer und Kinder. Wie immer braucht man ein paar Minuten, um sich an Axels Art zu gewöhnen. Dann hat man einen Riesenspaß an den Männergesprächen ("Du stinkst", "Du schnarchst"). Ein Film, runder als der Regisseur. Mein wunderbarer Geheimtipp, der in Nürnberg noch kein Kino fand.
 


MELODYS BABY
Ab 14.05. // Casablanca
Melody ist 'ne ganz Liebe und nebenbei sieht sie auch gut aus. Nur das Geld für den Alltag fehlt. Drum verleiht sie ihren Körper, wird Leihmutter. Sie geht sogar weiter und zieht bei der Frau ein, die auf das Kind wartet. Wie das wird? Jeder möchte am längeren Hebel sitzen. Zwei einsame Seelen mäandern zwischen Machtspiel und gegenseitigem Vertrauen. Eine unromantische Geschichte mit einer erstaunlichen Kurve, die so nicht zu erwarten war. 
 


MEIN HERZ TANZT
Ab 21.05. // Metropolis
Sie haben es nicht leicht mit ihrer heimlichen Liebe. Dabei sehen Eyad und Naomi ganz normal aus. Doch er ist Araber, angenommen an einer guten Schule in Jerusalem, weil er so schlau ist. Seine Freundin ist Jüdin und ihre Mutter möchte den Tag nicht erleben, da die Tochter einen arabischen Freund hat. Dann lieber Krebs. Das meint sie ernst. Eyad ist ein ruhiger Charakter, wie die anderen in seiner Familie auch. Sein bester Freund Yonatan sitzt im Rollstuhl, seine Freundin hat die Geheimniskrämerei satt - abgesehen von der Welt draußen ist das Leben von Eyad schön. Doch das Leben da draußen zögert nicht, hart zuzuschlagen. Eran Riklis macht politische Filme, bisher waren die ernst und gut. Dieser hier wirkt harmlos und nett. Es wird kein Fass aufgemacht und deswegen hallt das alles lange nach. Nicht umsonst läuft immer wieder "Love will tear us apart", ein Lied, das sich neu einbrennt mit dieser Geschichte, die uns die Politik so nahe bringt. In was für einer Welt leben wir eigentlich? Manche müssen so viel Scheiße ertragen. Auch wenn man eine halbe Stunde vor Schluss ahnt, wohin es geht, wird die Identitätssuche nicht plump. Ganz sicher der Film des Monats.
 


LOST RIVER
Ab 28.05. //  Cinecitta
Ryan Gosling ist in meinem Universum einer der Besten. Und wenn er sein Regiedebüt präsentiert, ist das genauso wichtig wie weiland das von Tim Roth, der 1999 bei der Berlinale sein Inzestdrama vorstellte. Nicht dass der Film schlecht war, aber es ist auch nicht verwunderlich, dass es sein letzter Regieversuch blieb. Nun also Gosling mit einem Mystery-Thriller, kein Genre, das man unbedingt erwartet hätte.   Eine Mutter mit zwei Kindern schlägt sich durch in einer Stadt, die stirbt. Bald ist man allein an diesem Flecken von Detroit, mit einem Typ im Pailettenhemd, der durchs Megaphon verkündet, dass die Stadt ihm gehört. Die Mutter arbeitet in einem dubiosen Nachtclub, in dem Eva Mendes vortanzt, die mir immer ein bisschen zu viel ist. Zu viel ist das gesamte Credo dieses um keinen Effekt verlegenen Films. Es brennt schön, alles toll ausgeleuchtet, tanzende Teenager in Ruinen, Vogelperspektive, Typen ohne Lippen (schön ist das nicht). Handwerklich super, aber der Inhalt? Ziemlich belanglos im Dienst des Bildes. Gegen jede Chance kämpft die kleine Familie um eine Zukunft. So gern ich applaudieren will, doch Lost River ist nur eine Fingerübung für einen Star.
 




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