Im Gespräch mit: Serdar Somuncu
#Comedy, #Kabarett, #Meistersingerhalle
Wenn der „Hassprediger“ kommt, dann freuen wir uns! Wir können nicht umhin, zuzugeben, dass uns der Herr Somuncu besonders gut gefällt. Er pendelt zwischen bitterböse, extrem unflätig, brillant sarkastisch – und kann was! Er haut auf Nazis drauf, auf Islamisten, bayern-Fans und Veganer – mindestens. Ohne Rücksicht auf sich und andere. Mit dieser Haltung ähnelt er stark dem gemeinen Franken!
curt: Anlässlich Deiner neuen Tour kommst Du am 4. Mai auch nach Nürnberg.
Serdar: Richtig, und ich freu mich darauf. Nürnberg ist wunderschön und ich hab ja schon oft bei Euch gespielt.
curt: Deine Show hat ja auch immer einen Bezug zum jeweiligen Auftrittsort. Rein historisch gibt es hier ja genügend Material …
Serdar: Ich versuche immer, die Leute mit einzubeziehen, in allen Städten. Natürlich bietet es sich gerade in Nürnberg an, auch über Hitler zu sprechen - das mache ich ja sowieso oft. Aber hier gibt es ja auch noch den 1. FCN. Bei den anderen Städten gibt es aber ebenfalls immer genügend Themen, Nürnberg sticht da nicht hervor.
curt: Wir haben hier einen gefühlten regionalen Hype um Comedy und Kabarett. Wird das außerhalb Frankens auch so wahrgenommen?
Serdar: Grundsätzlich gilt Nürnberg unter den Kabarettisten, die ich kenne, als sehr spröde. Das empfinde ich jedoch nicht so, im Gegenteil. Mein Publikum hier war immer sehr aufgeschlossen.
curt: Unser komödiantisches regionales Flagschiff Matthias Egersdörfer hat soeben den Deutschen Kleinkunstpreis erhalten. Und mehr als das: Er hat bei uns eine feste monatliche Kolumne. Kennt Ihr Euch?
Serdar: Ich kenne ihn und schätze ihn sehr!
curt: Trefft Ihr Comedians Euch denn gelegentlich? Besucht man sich gegenseitig bei den Shows?
Serdar: Leider eher selten, wir sind ja alle permanent auf Tour. Aber manchmal klappt das, wenn man in der selben Stadt ist – ich habe Kaya Yanar neulich bei seinem Auftritt in Wien besucht. Und Matthias‘ vorletzte Show habe ich in Köln gesehen. Es ist immer interessant und bemerkenswert, was die Kollegen machen und ich werde auch oft danach gefragt. Mit Matthias habe ich natürlich mehr Berührungspunkt als mit Kaya. Es ist schön zu sehen, welchen Erfolg er nun hat und dass die Leute verstehen, was er macht.
curt: Was kann man bei Deinem aktuellen Programm erwarten? Einen Rundumschlag gegen Politik, Nazis, Islamisten, Lobbyisten?
Serdar: Es sind sehr tagesaktuelle Themen, die mich bewegen. Es wird die Fortsetzung des letzten Programms, in der ich als Gründer einer monoklonalen Theokratur als Gott und Prophet in Personalunion einem Reich von Klonen vorstehe. Mit dem Zweck, flächendeckend durch alle Religionsgemeinschaften, politische Haltungen und sexuelle Präferenzen zu beleidigen – um so zu lernen, wie Intoleranz funktioniert. Und dadurch wiederum toleranter zu werden. Im neuen Programm kehre ich als mein eigener Geist zurück, eine Art Pfingstfest. Ich kann so Dinge tun und krasser aussprechen als bisher. Ganz sicher wird kein Blatt vor den Mund genommen, schließlich mache ich kein Gefälligkeitskabarett.
curt: Du haust auf jeden drauf, also auch auf Dein Publikum. Wie setzt sich Dein Publikum zusammen?
Serdar: Es ist bunt gemischt, von jung bis alt, vom Studenten bis zum Rentner. Und das ist gut so, denn es gibt eine Menge Themen, die besprochen werden müssen: Gibt es gute Ausländer? Schlechte Ausländer? Darf die Bild Zeitung eine Kampagne gegen Griechenland starten? Was denken wir über Russland und geht uns der Krieg in Syrien am Arsch vorbei?
curt: Worum geht es Dir dabei? Ums Lachen, Nachdenken, Missionieren?
Serdar: Missionieren ist Teil des Ironischen. Wir persiflieren die Religion, indem wir eine eigene Religionsgemeinschaft gegründet haben. Ungerechter, weniger humorvoll und radikaler als alle Religionsgemeinschaft und politische Parteien. Zwischen den Aussagen, die ich ernst meine, und den ironischen - oder wenn ich kolportiere – gibt es jedoch eine klare Grenze. Dabei wird die Fallhöhe aber hoch sein!
curt: Wird viel gelacht?
Serdar: Sehr viel! Bei meiner Mischung aus Comedy, Kabarett und Theater ist das Lachen ein wichtiger Bestandteil. Wenn das Verstehen auch dabei ist: umso besser.
curt: Man hat oft das Gefühl, zu Serdar Somuncu zu gehen ist hip. Man geht zu Dir, auch wenn man Dich nicht kennt.
Serdar: Es wurde mir schon vorgeworfen, dass ich auch teilweise Publikum habe, das „höchstens mal von mir gehört hat“. Am Ende geht es aber darum, dass mein Publikum Erwartetes und Unerwartetes erlebt, und das funktioniert. Ich will ein organischer Künstler sein, der jedes Mal neue Dinge auf der Bühne macht. Die Zuschauer haben Spaß an diesem Experiment und lassen sich darauf ein. Ich will dabei niemanden schocken, sondern will eine Einvernehmlichkeit und Bereitschaft. So kommt es zu einem schönen Austausch und am Ende ist es trotz allem eine sehr harmonische Veranstaltung.
curt: Wie ist es, schusssichere Westen zu tragen?
Serdar: Schwer und unbequem. Unbequem ist vor allem das Gefühl der Notwendigkeit.
curt: Diese Westen wären außergewöhnliche Serdar-Somuncu-Merchandise-Produkte.
Serdar: Danke für die Idee, das werde ich machen.
curt: Der Hass gegen Dich ist auch auf Deiner eigenen Website präsent, auf Deiner sogenannten „Klagemauer“, auf der man Tiraden gegen Dich posten kann.
Serdar: Diese Posts dokumentieren, wie engstirnig die Leute sind. Es wird immer nur die eigene Lobby verteidigt. Das ist sehr entlarvend und zeigt zugleich, wie sehr ich angefeindet werde. Das Erste, das immer kommt, ist, dass ich als Ausländer dahin gehen soll, wo ich her komme. Da sieht man, wie schnell Ausländerfeindlichkeit ans Tageslicht kommt und das muss dokumentiert werden. Die Klagemauer ist somit Teil meiner Öffentlichkeitsarbeit.
curt: In Halle an der Saale konnte mal ein Auftritt von Dir nicht stattfinden, weil er nicht gewünscht war. Die Polizei erteilte dem Ausländer Somuncu keine Genehmigung, mit der Begründung „Der Bombenhund schläft schon“. Das verdeutlicht sehr gut die Feindlichkeit, als auch die Gefahr.
Serdar: Richtig. Die sogenannte „Bedrohungslage“ gibt es bei kontroversen Themen immer. Mittlerweile sind es jedoch weniger Anfeindungen von Nazis, dafür umso mehr von Islamisten. Aber auch von Veganern und Bayernfans. Als Bedrohung zu agieren wird erleichtert durch die Anonymität und die Grauzone des Internets. Das ist erträglich, aber ich bin natürlich nicht unvorsichtig.
curt: Als Kabarettist muss man damit wohl leben.
Serdar: Ja, aber das muss man auch als Redaktion. Das Ganze ist sowieso unberechenbar, auch am Bahnhof kann eine Bombe losgehen. Die Bühne ist da vielleicht noch sicherer, da man hier achtsamer ist. Die Bedrohung hat jedoch auch was Positives, denn es befruchtet die Aufmerksamkeit, welche Rechte sich die Leute herausnehmen, mich zu beschimpfen - sogar auf meiner eigenen Website.
curt: Die Bedrohung bestätigt letztendlich auch Deine Arbeit.
Serdar: Leider ja. Ich wünschte mir, ich müsste weniger tun gegen Nazis, Islamisten und Intoleranz. Deswegen spiele ich weiter, denn es gibt trotz aller Lobbyisten auch noch Menschen, die sich viele Gedanken machen, wie man mit anderen Menschen umzugehen hat. Für mich gilt das alte Prinzip von „leben und leben lassen“: jeder Mensch kann glauben, woran er will, essen, was er will und ins Bett gehen, mit wem er will.
Wenn jemand sein Maß zu meinem machen will, dann übe ich mein Recht aus, mich dagegen zu wehren. Das gilt auch für Veganer, die mit ihrer Intoleranz massiven Einfluss auch durch die Medien auf uns nehmen wollen. Als selbstverantwortlicher Mensch treffe ich meine Entscheidungen aber selbst, auch, wenn sie ungesund sein sollten.
curt: Du scheinst selbst kein Veganer zu sein.
Serdar: Nein! Nein, nein!
curt: Bist Du auch karikativ tätig?
Serdar: Ja, ich hatte auch schon Schirmherrschaften, aber das muss ich nicht breittreten, denn das bekommt schnell einen schlechten Beigeschmack. Häufig ist soziales Engagement von Prominenten nur fürs Image und ein Marketingtool. Die Frau von Sky Dumont bekam vor zwei Jahren in Köln einen Preis verliehen für ihre Dokumentation über Flüchtlinge und bedankte sich dafür: „Dieser Preis ist auch für die 45 Millionen Flüchtlinge. Vielen Dank, Ihr seid toll!“
curt: Ein gutes Schlusswort!
SERDAR SOMUNCU, „H2 UNIVERSE - DIE MACHTERGREIFUNG“.
04. April, Meistersingerhalle, Münchner Straße 21, Nbg. Beginn 20 Uhr.
curt verlost 3x2 Tickets bis 31.04.2015. Einfach E-Mail an
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, Betreff “Serdar Somuncu”.
SERDAR SOMUNCU: BIO / AUSZEICHNUNGEN
Jahrgang ´68, geboren in Istanbul.
Ausbildung:
1984-86 Konservatorium voor Muziek/Toneelacademie Maastricht (NL),
1986-92 Staatliche Hochschule für Musik Wuppertal.
Auszeichnungen:
1990 1. Deutscher Literatur-Theater-Preis,
1993 Europäischer Nachwuchsförderpreis,
2004 Prix Pantheon,
2007 Kulturnews-Award,
2008 Gache Wurzn – Preis für Toleranz und Zivilcourage,
2011 Montreux Comedy Award.
SERDAR SOMUNCU
Montag, 04.05.2015 // 20:00h
MEISTERSINGERHALLE
#Comedy, #Kabarett, #Meistersingerhalle