MAGAZIN

Im Gespräch mit: Christian Mäzi Mätzler

MITTWOCH, 3. DEZEMBER 2014

#Balkon, #Charity, #Flüchtlinge, #Interview, #Stadt Nürnberg

Christian Metzler, Flüchtlingsbeauftragter der Stadt Nürnberg. Wir kennen den jungen Mann vor allem als Bedienung auf dem Balkon am Handwerkerhof. Immer freundlich, immer freche Sprüche und mit Mut zum Spaß, der auch mal weh tun kann. Er selbst im Christkind-Kostüm, immer hart am Gast. Ein guter Mann!

Doch wie das so ist im Leben, es gibt immer zwei Seiten. Auf der einen der Mäzi aus der Gastronomie – seit 2002 auch ehrenamtlich in der Weinerei aktiv, auf der anderen Seite der sozial engagierte Typ, der erkennt, dass seine Bankausbildung ihn nicht erfüllen wird und darum das Abi nachmacht, um schließlich Soziale Arbeit zu studieren, mit Schwerpunkt Interkultur, offene Kinder- und Jugendarbeit, Familienhilfe im Bachelor und Sozialökonomie und psychosoziale Beratung im Master (an der Masterarbeit sitzt er gerade noch). Sehr gestresst ist der Mäzi im Moment. Die Abschlussarbeit lässt kaum einen Termin zu, wir finden aber noch einen und treffen uns in der Meisengeige – er wohnt gleich ums Eck und verliert so weniger Zeit.

„Ich brauche Deinen kurzen Werdegang, ich kenn´ dich ja nur vom Balkon und eben jetzt durch deinen Job bei der Stadt“, erkläre ich ihm. Für Gastro hat er keine Zeit mehr, aber das soll sich nach der Masterarbeit wieder etwas entspannen, dann will er wieder Bier ausschenken, einmal die Woche. Mindestens – „die Gastro fehlt mir tatsächlich“, versichert er.

Mäzi: „Meine erste Gastroerfahrung machte ich in der Mata Hari Bar, das war großartig, aber die lange Öffnungszeiten waren mir neben dem Schule (BOS) zu stressig. Dann war ich Barkeeper im El Coyote, war seit 2002 in die Weinerei ehrenamtlich mit von der Partie und landete schließlich bei Karel und Mirko aufm Balkon. Aktuell muss ich pausieren, wegen der Doppelbelastung Masterarbeit und Job“, bedauert er.

Wie er denn vom Balkon zum „Flüchtlingsbeauftragten“ werden konnte, erklärt er, durch ein Praktikum („Master-Mentorat“), das er im Rahmen seines Studiums absolvieren konnte. Bei seinem ehemaligen Dozenten Dieter Maly bekam er Einblicke in das sozial-ökonomische System der Stadt und der Aufgabenvielfalt im Sozialamt – sowie das befristete Angebot, eine Krankenvertretung in Langwasser zu übernehmen, als Bezirkssozialpädagoge. Dann bewarb sich Mäzi schließlich erfolgreich für den neuen Posten des „Asylbeauftragten im Sozialamt“.


Interview

curt: Flüchtlingshilfe ist ein sehr prominentes Thema in Nürnberg. Du erlebst Flüchtlinge und deren Probleme täglich. Wie geht es Dir dabei?
Mäzi: Manchmal ist es hart. Das deutsche Asylrecht ist eine unerbittliche Schranke, die kaum eine vernünftige Willkommenskultur zu lässt. Wir selbst können ja lediglich für vernünftige Unterkunft und soziale Betreuung sorgen, haben aber keinen Einfluss darauf, was mit den Menschen in Sachen Asyl passiert –  die teilweise irrsinnige Geschichten erlebt haben. Flucht, zerstörte Städte, verlorenen Familienmitglieder. Und die sich hier ein sicheres, neues Leben aufbauen wollen, die Sprache lernen und arbeiten möchten, aber es oft nicht dürfen. Die wenigsten haben mit dem jetzigen Asylrecht eine echte Chance auf einen festen Aufenthaltstitel, die meisten leben in „Duldung“, die kaum Möglichkeiten lässt. Die Leute sind in großen Teilen zum Warten und Nichtstun verdammt.

Was beschäftigt Dich aktuell in deinem Job?
Mäzi: Ja, aktuell sind wir neben der Regelunterbringung mit der Organisation eine Notunterbringung für 250, noch nicht registrierte Flüchtlinge, beschäftigt. Die Regierung hat den Betrieb von Notunterkünften seit November an die Städte und Landkreise weitergereicht. Jeder hat sicher noch die staatlichen Notunterbringung, in Form von Zelten im Hinterkopf … Wir versuchen, es gerade besser zu machen und haben dazu einen ehemaligen Bürokomplex zur Notunterbringung ausgestattet. Wichtig ist uns hier vor allem, dass die Asylsuchenden, im Gegensatz zur damaligen Unterbringung, ordentlich versorgt werden. Dazu haben wir drei Soz.-Päds. und einen Arzt engagiert, die zusammen mit Sicherheitsdienst und Hausmeister diese vor Ort gewährleisten. Außerdem geht natürlich die „normale Belegung“ weiter. Wir haben aktuell neun größere Unterkünfte, dazu einige kleine, in denen die Asylsuchenden bis zur Beendigung ihre Asylverfahrens bleiben. Also was ganz anderes als die Notunterbringung, mein eigentlicher Job. Momentan belegen wir ein ehemaliges Altenpflegeheim mit kranken Flüchtlingen. Auch hier ist jeweils ein Sozialdienst vor Ort, den ich einsetze und mit dem ich ständig zusammenarbeite.

Wir selbst haben ja meist überschaubare Probleme. Wird das Leid und die Not der Asylsuchenden unterschätzt?
Mäzi: Ganz sicher. Wenn Familien auseinandergerissen und zur Flucht gezwungen werden, dann sind das schlimme Tragödien und haben oft schreckliche Hintergründe. Es gibt natürlich auch die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“, die kommen aus anderen Gründen, aber auch denen geht es in der Heimat so schlecht, dass sie diese verlassen – es muss einiges passieren, um das gewohnte Umfeld und die Familie hinter sich zu lassen!

Wirst Du in Deiner Arbeit, also im Gespräch mit den Bürgern, mit Fremdenangst oder Fremdenfeindlichkeit konfrontiert?
Mäzi: Das kommt schon vor, aber die Grundstimmung in der Stadt ist erfreulicherweise sehr positiv. Zumindest die Angst kann man den Menschen nehmen, in dem man mit ihnen spricht, sie Informiert, aber auch mit Fakten konfrontiert. Wenn Fremdenhass im Spiel ist, dann ist es sehr schwierig. Hass bleibt.

Wie kann man denn als Privatperson selbst helfen? Mit Sachspenden, also z.B. Winterbekleidung und Spielzeug?
Mäzi: Tatsächlich sind wir hier aktuell sehr gut versorgt, die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung war und ist sehr gut, Spenden nimmt aber gerne immer das Rote Kreuz entgegen. Was wir brauchen sind monetäre Spenden, damit man sinnvolle Projekte fördern und dringende Bedarfe decken kann. Und ehrenamtliche Helfer, die sich längerfristig für bestimmte Projekte engagieren möchten. Auch hier haben wir einen hohen Zuspruch. Wer sich dafür interessiert, der kann sich gerne bei uns informieren. Was immer gebraucht wird sind kulturelle Spenden, das kann im Endeeffekt alles sein, von der Einladung zum Kaffeetrinken über Einladung zu einem Event, bis hin zur Ermöglichung von Hochkultur, z. B. ein Besuch in der Oper. Kultur ist Interaktion, gelebte Willkommenskultur und ganz sicher einer der Schlüssel zur Integration.  Asylsuchende sind kulturell interessiert wie wir, sie haben jedoch sehr wenig Mittel und Möglichkeiten. Hier wäre, gerade für die jungen Menschen, auch die Mithilfe der Gastronomie in Sachen Nachtleben gefordert ... Schön dass curt das Thema aufgreift. Vielleicht kommen ja ein paar Gastronomen auf gute Ideen.

Besteht die Gefahr, dass die Aufmerksamkeit, die der Flüchtlingsthema zuteil wird, an anderen Stellen Lücken erzeugt?
Mäzi: Lücken nicht, aber es gibt andere Themen, die der Stadt ebenso auf den Nägeln brennen und momentan nicht so im medialen Spotlight stehen. Am drastischsten ist es in Sachen Obdachlosigkeit. Die wenigsten wissen, dass die Stadt Nürnberg ca. 1.800 wohnungslose Menschen untergebracht hat und es kommen wöchentlich Betroffene hinzu. Wir kämpfen hier in beiden Bereichen… Flüchtlinge und Obdachlose gegen einen angespannten Wohnungsmarkt an, faktisch gibt es in Nürnberg keinen Leerstand mehr, was uns vor massive Probleme stellt. Obdachlosigkeit ist teilweise in der Öffentlichkeit ein „Schmuddelthema“… ich hoffe das ändert sich, da es schnell gehen kann mit dem „sozialen Abstieg“. Auch hier ist immer bürgerschaftliches Engagement gefragt, was Spenden aber auch Wertschätzung der Menschen anbelangt.

Wir sind gespannt, wie es weiter geht - mit Dir haben wir ja den perfekten Ansprechpartner – sowohl in Flüchtlingsfragen, als auch bald wieder am Zapfhahn. Danke für dieses Gespräch und Deinen Einsatz für Hilfesuchende.


___

Es leben aktuell in Nürnberg circa 500 Menschen in Regelunterbringungen der Stadt, davon 125 Kinder und Jugendliche. Hinzu kommen im Laufe des Dezembers 250 notuntergebrachte Flüchtlinge und ca. 1.200 Menschen in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften.

Mäzi und sein Kollege Herr Bach sind die beiden Ansprechpartner in Flüchtlingsfragen.
Ehrenamtlicher Helfer wenden sich einfach an die Hotline, täglich werktags von 9 bis 11 Uhr: 0911-2316938.




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