Im Gespräch mit: Julian Reus
#Interview, #Sport, #Volksbad
100 Meter in 10 Sekunden, normal ist das nicht. Kann so was Spaß machen? Ich dachte: Nein. Aber ich dachte ja auch, dass der Satz „Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper“ von Henry Rollins stammt. Dabei hat das der römische Dichter Juvenal vor über 2000 Jahren in den Sand geschrieben. Jedenfalls musste ich während des Interviews die ganze Zeit daran denken Und wo Rollins übertrieben hat, scheint Sprinter Reus alles richtig zu machen. Er ist so entspannt, dass ich mir überlege, ob an dem Spruch doch was dran ist ..
Julian Reus ist das Aushängeschild der Deutschen Leichtathletik Meisterschaften, die im Juli 2015 in Nürnberg ausgerichtet werden. Vorab haben wir mit dem Erfurter gesprochen, beim Shooting für die Kampagne zu den Titelkämpfen, im Volksbad, in dem einst, lange nach dem Badebetrieb, wilde Partys stattfanden. Davon hat auch der 26-Jährige schon gehört - aber Partys gehen bei einem Spitzensportler eh nicht, oder?
Reus: Man geht schon auf Feiern, aber nicht von November bis März und Mai bis August, oder September …
Da muss ich mal das Rechnen anfangen, was noch übrig bleibt.
Reus: Stimmt, aber ich vermisse es nicht, denn das würde mein Leben nicht bereichern. Da gibt mir der Sport mehr, als es jede Woche Party könnte.
Und wenn es dann geht, hat man da überhaupt noch Lust zum Feiern?
R: Schön sind Saisonabschlüsse mit den Leuten, mit denen man das ganze Jahr im Konkurrenzkampf zusammengearbeitet hat. Da bin ich gerne, das ist dann heftig und gut.
Was ist das Opfer, das Du bringst?
R: Nichts. Es gibt nichts, das ich als Opfer bezeichnen würde. Opfer ist, wenn ich meinem Körper eine Pause gönnen soll und nicht trainieren darf. Vieles passiert unterbewusst.
Wenn ich am Abend die Wahl zwischen einer Tafel Schokolade oder einem Apfel und Nüssen habe, nehm ich Apfel und Nüsse. Ich investiere sehr viel in Trainingseinheiten, will ich mich für manches belohnen, ohne Kalorien zu zählen.
In meiner Freizeit brauche ich kein schlechtes Gewissen, sonst kommt man in die spaßfreie Zone.
Wenn das Nichtstun für Dich schwierig ist, wie war das während der langen Verletzungspausen?
R: 2008, 2009 bis 2011 waren eigentlich komplett fürn Arsch, von Borreliose über Beugerprobleme zu Knochenödem am Fuß bis Schambeinentzündung. Als gar nichts ging, war das eine harte Zeit, aber ich wusste, wenn ich gesund bin, kann ich schnell laufen. In dieser Zeit habe ich viele Dinge hinterfragt und mir Trainingstheorie angeeignet.
Aber der Bewegungsdrang blieb auf der Strecke.
R: Ein bisschen was kann man machen, aber nicht das was man will: schnell laufen. Du fällst immer wieder zurück, musst neue Anläufe nehmen. Aber in meinem Bereich ist es so, dass unterschwellige Probleme so viel Gewicht bekommen können.
Wie kann man das, was man von richtigen Winkeln zwischen Hüfte und Knie weiß, in die Praxis umsetzen?
R: Man zwingt den Körper in die Position, baut den Bauch proportional mehr als den Rücken auf, sodass der Oberkörper automatisch in die gewünschte Position gezogen wird. Das ist viel Detailarbeit für zwei, drei Hundertstel. Aber diese Arbeit an Feinheiten macht den Sprint aus.
Trotz perfekter Vorbereitung hast Du beim Sprint den Erfolg nicht in der Hand - Temperatur, Wind, die Beschaffenheit der Bahn ...
R: Ja, da muss man Realist sein. Klar kann es mal zu kalt sein, aber ich weiß, ich wäre schneller gelaufen. Das ordne ich für mich ein, das ist okay.
Ärgert Dich denn gar nichts?
R: Doch, ein Jahr umsonst trainieren. Wenn du verletzt bist oder nur Schnupfen hast, zwei Hundertstel zu früh reagierst, dann bist du raus, Bums, dann ist schon Ärger dabei. Selbst wenn ich einen Fehler beim Beschleunigen mache, bin ich am Ende eine Zehntel langsamer, das sind Welten – und das kann dich fuchsteufelswild machen.
Gehst Du optimistisch an ein Rennen oder holt so ein leichter Pessimismus alles aus dir raus?
R: Wenn die letzten Trainingseinheiten gut waren, gehe ich mit einer unglaublichen Stärke rein, weil ich spür, dass ich eine Topleistung abrufen kann. Mit Pessimismus geht man nicht in einen Wettkampf, am besten mit Freude.
Klingt nach gar nicht so viel Druck …
R: Ist es auch nicht. Ich kann mich gut selbst einschätzen, mir Druck machen. Schwierig wird es, wenn andere etwas vorgeben, was ich machen muss. Ich brauch Spaß, Freude. Wenn andere meinen, sie müssten einschätzen, was ich erreichen kann, dann muss ich aufpassen.
Wie passt man auf?
R: Indem man Dinge ausblendet, andere Leute reden lässt.
Links rein, rechts raus?
R: Genau.
Du wirkst echt entspannt. Wenn ich noch länger mit Dir spreche, glaub ich langsam, dass Sport ausgeglichen macht.
R: Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, auch wenn ich dafür Kritik einstecken musste.
Für den Satz?
R: Ja, manche denken, man geht dann an die Sache wie an ein Hobby ran. Aber das geht dann auch links rein, rechts raus.
Offensichtlich ist Dein Weg bzw. Deine Art zu rennen, erfolgreich. Wie ist es, das Gesicht der Meisterschaften 2015 zu sein?
R: Schon eine Anerkennung, es zeigt, dass man eine gewisse Bedeutung für die Leichtathletik hat, was neben dem Rennen das Ziel ist. Ich bin gespannt, wie es sich anfühlt, wenn ich nächstes Jahr durch Nürnberg fahre und mich auf jedem zweiten Plakat sehe.
(Interview: CN)
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Die Deutschen Leichtathletik Meisterschaftem 2015 finden am 25. und 26. Juli 2015 in Nürnberg statt. Julian Reus wird als Favorit über 100m antreten - und ist auch Testimonial zur Werbekampgne.
Tickets als Weihnachtsgeschenk gibt es jetzt schon: 2 für 1 in der Kategorie 2, erhältlich unter reservix.de und bei den Nürnberger Nachrichten, nur vom 1. bis 23.12.2014.
Infos: leichtathletik.de
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