Mit Volldampf durch die Namibwüste
#Fahrrad, #Sport
369 Kilometer mit dem Moutainbike durch die unwirtliche Landschaft der Namibwüste bei vierzig Grad Außentemperatur. Welcher Mensch macht sowas? Unser Freund Charlie Leidel ist so einer. Mitte Dezember ist er wieder dabei beim Desert-Dash-Namibia, einem der härtesten Moutainbike-Rennen der Welt.
Unser Freund Charlie ist ein harter zäher Bursche. Faschingsmuffel und Ausdauersportler durch und durch. Triathlet, Duathlet, Radfahrer. Dass er das ist, grenzt an ein Wunder. Nach einem schweren Motorradunfall 2004 lag er monatelang im Krankenhaus. Es drohte sogar die Amputation seines linken Unterschenkels. Charlie gab nicht auf und kämpfte sich zurück. Über ein Jahr auf Krücken, etliche Operationen und mehr als 1000 Sitzungen Krankengymnastik später, war er entgegen den Prognosen wieder in der Lage Sport zu treiben und Rad zu fahren. Vielleicht ist gerade diese Erfahrung ein Vorteil gegenüber seinen Gegnern in diesem Sport, bei dem neben viel Training die Willensstärke entscheidend ist. Jeder Wettkampf und gute Platzierung ist am Ende auch ein Sieg über seinen eigenen Körper. Bei seiner ersten Teilnahme im Jahr 2011 wurde der Außendienstmitarbeiter der Fahrradfirma Cannondale Fünfter, im letzten Jahr sogar Zweiter von 122 Einzelstartern. Am 12. Dezember ist er wieder dabei, wenn der Startschuss fällt, zusammen mit 122 Einzelstartern, 106 Zweierteams, 50 Viererteams und zwei Tandems. Aus diesem Grund lassen wir Charlie noch mal zu Wort kommen und seine Eindrücke vom letzten Rennen schildern.
„Nach meinem überraschend guten Ergebnis 2011 wollte ich es noch mal genau wissen und bin wesentlich besser vorbereitet angereist. Neben dem Training mit langen Einheiten hab ich versucht, auch das Drumherum zu verbessern. Zum Beispiel eine bessere Akklimatisierung an 40 Grad plus bei unter 20% Luftfeuchte. Der Start des Rennens liegt auf ca 1.600 Meter. Ich bin extra 5 Tage vorher angereist und hab mit Julia erst mal Urlaub gemacht, um mich dabei daran zu gewöhnen. Oder dem Material, diesmal mit einem Fully (Fahrrad mit Federung an Rahmen und Gabel, Anm. d. Red.). Die Strecke ist zwar technisch nicht anspruchsvoll, aber 369 km Waschbrettpisten können einem die Plomben aus den Zähnen schütteln. Der Triathlon-Aufsatz hatte sich bewährt, es ging über lange Abschnitte mit Gegenwind.
Der Support ist mit das Wichtigste. Julia hat den Part übernommen und mich an den Checkpoints wieder ordentlich in die Wüste geschickt. Allerdings hat der Veranstalter, um die Staubentwicklung durch Begleitfahrzeuge einzudämmen, persönlichen Support für Solofahrer erst ab Checkpoint 3 bei 175 km erlaubt. Bis dahin hatte ich alles am Mann bzw.Rad. Die offzielle Versorgung bietet allerhand: Gummibärchen, KUDU (eine Antilopenart)-Wurst und Jerks, Hühnchenbeine und Kartoffeln. Aufgrund der offensichlich unterbrochenen Kühlkette habe ich die Finger vom Huhn gelassen. Das Rennen ging Freitag um 15 Uhr los, 122 Solofahrer, 100 Zweierteams und 55 Viererteams waren gemeldet und willens, die 369 km mit gut 300 Höhenmeter zu bewältigen. Die Teams fahren die ersten 32 km und die letzten 26 km zusammen im Team, dazwischen in 70-80 km Abschnitten mit festgelegten Wechselpunkten abwechselnd allein. Die Solofahrer fragen sich ständig, warum sie kein Team haben. Windschattenfahren ist nur unter den einzelnen Kategorien erlaubt. Als Solostarter darf man sich kein schnelles Team suchen und mitfahren. So sieht das dann aus Fahrersicht aus - man fährt alleine.
Ich hab mich schnell gut vorne einsortiert und bin zügig auf den Kupferberg-Pass hochgezogen, dabei lag ich irgendwo unter den Top 10. Oben hat uns dann heftiger Gegenwind empfangen: 12 km/h auf topfebener Strecke bei gutem Untergrund - das hat vielen den Garaus gemacht und unverhältnismässig viel Kraft gekostet. 30 der gestarteten Solofahrer haben das Rennen schon vor der Hälfte ohne reelle Chance auf ein Finish innerhalb von 24 Stunden beenden müssen. Am Ende kamen nur 61 Solofahrer an.
Bei Kilometer 90 geht es eine lange Abfahrt hinunter. 700 Höhenmeter in 10 km bergab bei Geschwindigkeiten bis zu 70 km/h - das zieht den Schnitt wieder ordentlich hoch. Ab 100 km kommt der schwerste Abschnitt des Rennens, ein ständiges Auf und Ab mit bis zu 15%-steilen Rampen, dabei wird es auch noch dunkel und in der Wüste kühlt es ziemlich schnell ab. Hier hatte ich mein persönliches Tief und mir schon überlegt, wie ich das erkläre, dass ich aussteigen musste. Genau in diesem Moment kam ein südafrikanischer Mitstreiter aufgefahren und hat mich motiviert mitzugehen. 15 km hing ich an ihm dran, dann war ich über den Berg und über die Berge und es lief wieder rund. Bei meinem ersten eigenen Support nach 175 Kilometer und ca. neuneinhalb Stunden hab ich schnell gemerkt, dass Julia von Harry eingewiesen wurde: Akku gewechselt, Flaschen getauscht, eine Cola ... nicht hinsetzen, fahr weiter ...
Ab da ging es mir blendend, mit einem knapp 30er Schnitt ging es über lange (Schotter-)Strecken. Ich habe einen Fahrer nach dem anderen eingesammelt. Nachts ist es ein besonderes Erlebnis zu fahren, der Vollmond und der spektakuläre Sternenhimmel machen das Licht fast überflüssig, man hört manchmal nur das Knirschen der Reifen, teils machen die Zirkaden einen Lärm, dass man meinen könnte, man fährt den Solarer Berg beim Rother Challenge hoch. Ca. 100 km vor dem Ziel hab ich einen weiteren Solofahrer eingeholt und versucht, ihn sofort abzuschütteln. 15 km bin ich Vollgas gefahren, ohne den Lichtkegel auch nur einen Meter zu distanzieren – bis er an mir vorbeifuhr und ich feststellen musste, dass hinter mir mittlerweile ein aufgefahrenes Zweier-Team aus Heilbronn fuhr und der andere längst weg war. Durch diese Attacke bin ich wohl schon sehr nah an die Spitze herangefahren. Ich glaube, ich war da Vierter oder Fünfter. Die letzte Versorgung hab ich mehr oder weniger ausgelassen und mir nur Wasser geben lassen - dabei hab ich vermutlich zwei Kontrahenten überholt, die sich im Checkpoint aufhielten.
Der letzte Abschnitt war diesesmal neu, es ging erstmal 18 km durch das trockene Flussbett des Swakop, eine bizarre Mondlandschaft, die schon für viele Filmkulissen verwendet wurde, unter anderem wurde hier Apollo 13 oder Mad Max 4 gedreht. Da ich beim letzten Mal erst 2 km vor dem Ziel noch einen Platz gut machen konnte, bin ich – nicht wissend, dass ich mittlerweile schon Zweiter bin - bis zum Schluss hart durchgefahren und nach 16:57 Stunden als zweiter Solofahrer ins Ziel in Swakopmund eingefahren. Acht Zweier- und ein Vierer-Team waren außerdem noch vor mir.
Desert Dash Namibia 2014 - 24 Stunden MTB Team Challenge.
Vom 12. bis 13. Dezember 2014. 369 Kilometer von Windhoek nach Swakopmund durch die älteste Wüste der Welt.
desertdashnamibia.com
#Fahrrad, #Sport