Im Gespräch mit: Florian Wagner
#Bayerischer Rundfunk, #Interview
Florian Wagner moderiert “Heimatrauschen”, das BR-Magazin über Menschen, Geschichten und Orte in Bayern. Für curt somit genau der richtige Ansprechpartner zum Thema Heimat. Unsere Kollegen in München haben mit ihm geplaudert.
Und keine falsche Scheu, Heimatrauschen ist mehr, als Stereotypen in Lederhosen, es geht um Themen die Tradition aus der Heimat und modernen Stil auf außergewöhnliche Art verbinden.
Was ist für Dich Heimat?
Das werde ich oft gefragt, das ist auch immer gleich die erste Frage. Je mehr ich darüber nachgedacht habe ... Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl, kein starres Ding, sondern sehr flexibel. Freunde, Gerüche, Geschmäcker ... ein Konglomerat aus vielen verschiedenen Eindrücken. Das ist zumindest MEINE Heimat. Heimat ist ja auch was sehr Individuelles.
Wie kommt Ihr auf Eure Beiträge? Kann man sich auch mit einer Idee bei Euch melden?
Klar, man kann sich melden, da freuen wir uns sehr. Gerne per E-Mail oder auch per Facebook. Es gibt sehr fleißige Redakteurinnen und Redakteure, die nach Geschichten suchen, die wühlen und kramen und sich umhören. Es passiert sehr viel, auch per Mundpropaganda. Also: „Hey, ich hab gehört, da gibt’s einen, der einen kennt, der mal neben einem gewohnt hat, der früher mal als Lederhosen-Sattler gearbeitet hat.“
Wieso zieht das Thema Heimat so?
Also, ich hab da eine Theorie. Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der du jederzeit alles haben kannst: nachts einkaufen, in der Früh das Abendprogramm im Stream nachschauen, aus Amerika Sachen bestellen, die innerhalb von zwei Tagen da sind ... Die Welt ist einfach so klein geworden und so schnelllebig, digital und steril, dass generell eine Rückbesinnung stattfindet. Dass die Leute einfach gerne die „Heimat feiern“.
Oft kommt dieses Gefühl überhaupt erst bei Gemeinschaftsevents auf ...
Ja klar, Heimat ist, sich zugehörig zu einer Gemeinschaft zu fühlen. Früher ist man sonntags in die Kirche gegangen, dann war man Mitglied einer Gemeinschaft. Den Leuten fehlt heute irgendwie der Bezug. „Ich bin in Susannes Yoga-Gruppe“ ist jetzt vielleicht nicht so das große Gemeinschaftsgefühl.
Hast du einen Lieblingsbeitrag?
Was für mich generell das Besondere an der Sendung ist, ist, dass es mich jedes Mal aufs Neue überrascht, was für schräge Vögel wir haben. Auf was für Ideen wir kommen. Und auch was für eine geile alte Handwerkstradition wir haben, die inzwischen vollkommen neu interpretiert wird. Wir hatten mal einen Beitrag über Barbiere. Jetzt lassen sich Hipster die Bärte stehen, gehen in den Friseurladen rein und fragen: „Sag mal, kann man sich bei euch auch rasieren lassen?“ Und es gibt einige, die machen jetzt wieder Barber-Shops auf, wo du dich als Mann richtig wie früher hinsetzt und schön mit heißem Wasser und Rasierschaum rasiert wirst. Und das ist doch geil! Das ist das Nagelstudio des Hipster-Mannes. Das, finde ich, ist eine irre tolle Geschichte.
Gibt’s einen Geheimtipp, ein Eckchen in Bayern, das kein Mensch kennt?
Klar, also es gibt unzählige Plätze und Orte und Menschen und Sachen. Ich find’s zum Beispiel total geil, mit ein paar Euro in der Tasche, ohne Telefon, im Sommer mit Flip-Flops und Sonnenbrille loszulaufen und einfach mal so in die Stadt zu gehen. Und dann zu gucken, wie sich der Tag entwickelt. Um am Schluss die Lichter in irgendeinem Biergarten ausgehen zu sehen und dann noch zu versuchen, irgendwo in einen Club reinzukommen, was nichts wird, weil man eben diese Flip-Flops noch anhat, um dann irgendwo anders was zu trinken und heimzugehen. Für mich ist das München. Man kann alles zu Fuß machen, gehst rein, erlebst was, gehst wieder raus. Und am nächsten Tag wachst du natürlich früher auf, weil du wegen der Flip-Flops nicht in den Club reingekommen bist. Also hat selbst das was!
Brennt dir, zum Schluss, denn noch was unter den Nägeln?
Jawohl. Ich stehe sehr hinter dieser Sendung, ich muss mich nicht verstellen oder so tun, als fände ich jetzt irgendwas toll. Diese Sachen, um die es in der Sendung geht, das ist auch so ein bisschen mein Lebensstil, auch wenn ich nicht jeden Tag in Lederhosen rumlaufe. Nur weil man ein Heimatmagazin hat, heißt das auch nicht, dass man jetzt immer Urlaub in Niederbayern macht. Wenn man eine tolle Heimat hat, dann kann man toll verreisen, und hat den Vorteil, dass man sich auch freut, wieder zurückzukommen.
Und Heimat ist für mich wie Liebe. Die ist da, aber muss auch gepflegt werden. Wenn man sagt, ich bin jetzt verliebt, dann wird das irgendwann mal weniger werden. Wenn man da aber immer so schön mit Blümchen und Küsschen und so arbeitet, dann wird diese Liebe lang dauern. Und so ist’s mit Heimat auch. Wenn man natürlich immer nur hier sitzt und sagt, „Ich fühl mich hier so wohl“, aber sich eigentlich nicht die Heimat anschaut und die Heimat entdeckt, … dann ist man vielleicht irgendwann mal heimatlos.
Florian Wagner, Moderator des BR-Magazins „Heimatrauschen“
Interview: Nurin Khalil // Foto: BR/Theresa Högner
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