Rainer Langhans zum 70sten

FREITAG, 18. JUNI 2010



Kommune 1, Pudding-Attentat, Uschi Obermaier, Sexuelle Befreiung, RAF, LSD, Happenings und freier Geist. Wohl kaum ein anderer ist mehr Sinnbild für die rebellische und aufregende Zeit der späten 60er Jahre als Rainer Langhans. Und ist es auch mit 70 Jahren noch bis heute geblieben.

Zum 70. Geburtstag von deutschlands dienstältesten Hippie pflanzt curt ein kleines Hanfpflänzchen in den redaktionseigenen Garten und frönt der freien Liebe ... auch wenn die Redaktion fast rein männlich ist, das darf zu diesem Anlass keine Rolle spielen!
Und mit dem Raini hatten wir anlässlich seines Filmes „Das wilde Leben“ vor zwei Jahren mal geplaudert, das haben wir hier für Euch nochmal aus dem Archiv gekramt.

curt: In der Kommune stand an der Wand “erst blechen dann sprechen”. Muss ich jetzt
für das Interview erstmal Geld auf den Tisch legen?
Rainer:
Nein, nein. Wir haben nur gesagt, ladet uns zum Essen ein oder so. Dadurch, dass wir extreme Bürgerschrecks waren, gab’s ja keine Möglichkeit zum Geldverdienen. Ansonsten haben wir auch Raubdrucke von Büchern gemacht, die es nicht mehr gab. Teilweise gab’s auch Geld von den Eltern.
curt: Du bist nicht versichert?
Rainer:
Nein, ich geh‘ in die Zahnklinik, wenn ich Zahnweh habe, weil das da billiger ist.
curt: Hast du da immer Glück gehabt?
Rainer:
Na ja, da wird man schon gequält. Was der Arzt in fünf Minuten macht, dauert da zwei Stunden. Ich glaube, die haben bei mir auch einiges vermurkst. Das ist schon hart zum Teil. Immerhin bin ich ein bisschen in der Hierarchie aufgestiegen. Mittlerweile teilen sie mir die Fortgeschrittenen zu.
curt: Warum lebst du in München und nicht Berlin oder Kopenhagen?
Rainer:
Ich bin ja damals aus Berlin geprügelt worden, weil ich die anderen mit dieser Frau (Uschi) verraten hatte.
curt: München war also ein Fluchtort?
Rainer:
Na ja, in Berlin war gegen Ende der Kommune Krieg bzw. RAF. Und in München war die Frauenkommune.
curt: Und warum bist du geblieben?
Rainer:
Äußerlich ist München Exil, aber innerlich hat es was. Hier gibt es ja auch keine Demokratie, sondern Feudalismus. Ich sage immer: Die Bayern sind die Tibeter Deutschlands. Die sind wie so ein beklopptes Bergvolk, aber die haben was Besonderes. Berlin, Hamburg, etc., da gibt es so etwas nicht. In Stuttgart ein bisschen, aber das ist Provinz. München ist die spirituelle Hauptstadt Deutschlands.
curt: Wie kommst du über die Runden?
Rainer:
Ich bin Rentner. Das erste regelmäßige Einkommen meines Lebens. Ich war mal in der Bundeswehr.
curt: Vor der Kommune-Zeit?
Rainer:
Ja natürlich. Später habe ich mir einen Spaß gemacht, das Kommune-Bild und das Bundeswehr-Bild nebeneinander zu stellen.
curt: Gönnst du dir gar keinen Luxus?
Rainer:
Ich esse sehr gut. Biologisch, streng vegetarisch. Das ist ein bisschen teurer, aber ich suche nach abgelaufenen Lebensmitteln. Meine Wohnung ist winzig, ganz weiß, da ist nichts drin.
Zwischenfrage Rainer: Wenn ich jetzt noch einen Nachtisch nehme, dann zahlt das deine Zeitung und nicht du privat?
curt: (künstlich lächelnd): Ja, ja... Was zahlst du da an Miete?
Rainer:
Ich habe vor 33 Jahren angefangen mit 99 Mark. Das war ’ne Sozialwohnung, die habe ich damals in der Burgstraße zugeteilt bekommen. Das war gut, aber keine Heizung, keine Spüle, nur so ’ne komische Wanne. Später wurde alles saniert. Jetzt zahle ich 350 Euro für 29 Quadratmeter.
curt: Du lebst mit fünf Frauen zusammen?
Rainer:
Das ist ein virtueller Harem. Wir leben nicht zusammen, aber wir ziehen gelegentlich zusammen. Wir sind jetzt etwa 30 Jahre zusammen.
curt: Wenn man sich täglich mit fünf Frauen austauscht, fühlt man sich dann nicht als Therapeut?
Rainer:
Nein, der Unterschied zur Therapie ist, dass wir es leben. Therapie ist ja immer ein beschützter Bereich. Das funktioniert nur selten.
curt: Und Männer? Können die dem Harem beitreten?
Rainer:
Ja klar. Da kommen ja immer wieder welche dazu. Die werden dann meistens Lakeien der Frauen für irgendwelche begrenzten Dienstleistungen, auch sexueller Natur.
curt: Sonst hat das bei euch nichts mehr mit Sex zu tun?
Rainer:
Doch. Es ist ja nicht so, dass man den Sex einfach abstellt, wenn man älter wird.
curt: Aber du lebst ohne Samenverlust?
Rainer:
Das habe ich mit 32 Jahren angefangen. Ich musste lange auf die Initiation von meinem Meister warten, weil ich Drogen genommen hatte. Der sagte, Sexualität ist der Tod, Enthaltsamkeit das Leben. Damals dachte ich, nein, das kann ich nicht. Mit der Zeit habe ich rausgefunden, dass es stimmt. Es ist das Schwerste, das es gibt, aber man kommt weiter. Die Frauen haben mich teilweise dafür gehasst.
curt: Werden dir fünf Frauen nicht irgendwann zu viel?
Rainer:
Manchmal gerate ich an den Rand meiner Leidensfähigkeit. Stell dir mal vor, wie das mit einer Frau ist, und dann das Ganze mal fünf. Das potenziert sich. Das ist wie ein Sturm, der über einen hinwegweht. Aber ich tue es ja auch für mich, also kein Helfersyndrom. Wir (Männer) haben ja keine Ahnung von Frauen.
curt: Stehen bei dir sonst irgendwelche Projekte an?
Rainer:
Ich habe jetzt einen Roman geschrieben. Mal sehen. Alle Projekte, die mir sonst so eingefallen sind, haben mir die Frauen einfach kaputt gemacht. Als Beispiel: Wir haben jetzt Dreharbeiten für Spiegel-TV gemacht. Ich war vor der Kamera und die Frauen haben das gefilmt. Jetzt stellt sich heraus, dass der Ton nicht brauchbar ist, weil sie keinen Test davor gemacht haben.
curt: Aber es gibt doch bestimmt Sachen, die die Frauen gerne machen würden, auf die du aber keine Lust hast?
Rainer:
Nein, ich bin für alles!

[Text und Fotos 1+2: Jan Voss]




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