Dorfdisko Geiselfahrt: Der Abschlussbericht
Uns Barni ist wieder da, erholt und seine zittrigen Finger haben es auch wieder bis zur Tastatur geschafft. Hier kommt die finale Zusammenfassung seiner drei Tage voller Trunk, Tanz, Jux, Dollerei und Audiolith:
++ Audiolith, das sympathische, berühmte und berüchtige Hamburger Label mit Schwerpunkt Elektro-Rave-Punk hat diesen Frühling ein wahres Feuerwerk an hochkarätigen Releases zu vermelden. Egotronic, Frittenbude bringen, Bratze brachten bereits ein neues Album heraus. Den Jungs von und mit Labelchef Lars Lewerenz ist dafür eine ungewöhnliche Promotionmaßnahme eingefallen: Anstatt in den üblichen verdächtigen Medienstädten zu spielen und dort Reporter auf Gästeliste zu setzen die entweder eh nicht kommen oder auch wenn sie dann da keinen sonderlich großen Aktionismus an den Tag legen, buchten sie vier Shows in Dorf-Jugendzentren, mieteten einen Reisebus für sich und die Journalisten, nannten den Spaß "Dorfdisko Geiselfahrt" und hofften auf das Stockholm-Syndrom.
Der Start in Hamburg beginnt damit, dass Herr Lewerenz verschläft. Dennoch schaff er es irgendwie, vor der Abfahrt beinahe unbemerkt mehrere hundert Dosen Bier und Red Bull in den Bus zu verfrachten. Damit geht es nach Berlin, wo die ersten Gäste und der Reiseführer und Booker Artur Schock einsteigen.
DÖBELN
Weiter nach Döbeln in Sachsen - ein Dorf der Kontraste. Eingefallene Häuser stehen neben neu renovierten "Prachtbauten". Der Konzertladen namens Rohtabak, ein alter Industriekomplex, der noch von oder bereits für eine Goa-Party dekoriert ist: Ausverkauft. Wie übrigens alle Shows der Tour. Vor dem Soundcheck dreht das Magazin "Tracks" (Arte) noch einen Bericht über das Label. Dafür müssen die Bands ständig im Kreis laufen. Saulustig. Zumindest für Außenstehende.
Im Backstageraum dann das Warten auf die Show, die man sich mit Interviews, örtlichem und das überregionalem Bier vertreibt. Es ist der erste Abend und alle sind fit. Die Auftrittsreihenfolge wird ausgewürfelt. Frittenbude sind als erstes dran. Ihr Beschluss, das komplette neue, noch zu erscheinende Album „Katzengold“ zu spielen, wird vom Publikum zwar mit Rufen nach alten Hits quittiert, tut aber der Stimmung insgesamt absolut keinen Abbruch und zur Zugabe kommt dann auch der Rest.
VIDEO VOM FRITTENBUDE GIG
Dann betreten Bratze alias Der Tante Renate und Clickclickdecker die Bühne. Da ihr Album „Korrektur nach unten“ bereits erschienen ist, war der Mitgröhlfaktor bei ihnen wesentlich höher.
VIDEO VOM BRATZE GIG
Als dritte Egotronic. Die dienstälteste Band der Runde spielt eine gute Mischung aus alten Songs und Songs, die auf dem kommenden Album „Ausflug mit Freunden“ erscheinen werden. Einige Gastsänger von der Platte klinken sich auch live ein (Frittenbude, Saalschutz und Captain Capa). Die Menge ist alles andere als müde. Eher aufgeheizt. Vor der Bühne gibt es eine Feierei der ausgelassensten Form. Auf der Bühne ebenso, da sich dort nun der gesamte Reisetross kollektiv um die Band versammelt um Fotos zu machen oder einfach nur zum abfeiern.
VIDEO VOM EGOTRONIC GIG
Danach legt Saalschutz-Mastermind MT Dancefloor in einem Nebenraum auf, getanzt wird noch einiges, bis es ins nahegelegene Jugendzentrum zum Schlafen, wahlweise Weitertrinken geht.
OELDE
Trotz allem: Die beiden Geiselnehmer Artur und Lars verfrachten die versammelte komplette Meute relativ pünktlich ins Gefährt und der Busfahrer Hamid bringt uns auf nach Westfalen nach Oelde. Manch einem Bandmitglied muss gar ein Videobeweis vom Vorabend-Gig gezeigt werden, mangels Erinnerungsvermögen. Nach einigen Stunden Fahrt, die mit Interviews, Trinken und Schlafen verbracht werden, erreichen wir Oelde. Das komplette Gegenteil zu Döbeln. Alles sehr fein herausgeputzt. Artur macht uns per Bordmikro sogar auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt aufmerksam (Brauerei und Krankenhaus). Dann geht es zum Veranstaltungsort, einem kleinem, sehr sterilen Jugendzentrum namens „Alte Post“.
Beim Aussteigen lä der Merchandiser erstmal Wasser. War dringend. Ans örtliche Rathaus. Da fand gerade eine Sitzung statt. Inkluisve Bürgermeister. Der fand das nicht witzig und schickte das Ordnungsamt mit einer 35 Euro Rechnung vorbei. Dann klärte uns der grauhaarige JUZ-Leiter über das Rauchverbot auf. Der Abend war zwar ausverkauft, aber nicht voll. Scheinbar dürfen bei weitem nicht soviel Leute reingelassen werden wie theoretisch gekonnt hätten. Bratze fangen an, dann Egotronic, dann Frittenbude. Im Vergleich zum Vorabend springt der Funke anfangs nicht so über. Aber gegen Ende wird es doch richtig groß.
Als Schlafgelegenheit gibt es dieses Mal Matratzenlager bei der Tochter des Ex-Bürgermeisters. Die lädt uns nachts dann auch noch in die Hausbar mit gutem Pflaumenschnaps ein. Am nächsten Morgen um sieben Uhr, als wir aufs Taxi warten, kommt dann auch wirklich jeder Anwohner des Einfamilienhäuserviertels vorbei, um zu sehen welche komischen Existenzen da schon wieder von der Tochter angeschleppt worden sind. Von der Tochter des Bürgermeisters. Ex-Bürgermeisters.
TANNHEIM-EGELSEE
Auf zur weitesten Fahrt der Tour. Auf nach Tannheim-Egelsee. Irgendwo bei Memmingen. Man merkt uns den dritten Tag an. Anfangs ist es doch sehr leise im Bus. Nachdem wir bei einer Pause an einer fränkischen Raststätte bei Rothenburg ob der Tauber von einer Windböe beinahe in alle Richtungen verstreut werden kommen wir irgendwann doch an.
Dieses Kaff an der bayrischen Grenze, dessen zuständige Polizeiwache woweit weg ist, dass hier eh niemand die Bullen rufen würde, besteht aus zwei Bauernhöfen und einer Gaststätte namens „Schwarzer Adler“ - der Mutter aller Dorfdiskos.
Beim betreten der altehrwürdigen Location überkommt uns ein leichter Schock. Wir füllen das Lokal quasi aus. Full House. Oder so was. Aber im Backstagebereich gibt es W-LAN. Deshalb wird es die nächsten Stunden erneut still. Abends füllt sich der Laden vor allem ob seiner Größe völlig unerwarteter Weise sehr sehr schnell. Die Leute sind stark am trinken. Egotronic fangen an - was für ein Exzess. Es gab wohl noch nie ein Audiolith-Konzert vor sovielen Menschen mit Punk-/Hardcore- und Metalshirts. Dementsprechend wild die Tanzbewegungen. Als dann die Menge immer wieder auf die Bühne stürzt muss Artur himself das Equipment schützen. Bei Frittenbude geht das nahtlos weiter. Wobei gegen Ende einige Leute einfach vor Erschöpfung umgefallen sind. Bratze haben dann ein Publikum das zwar noch richtig Lust hat, aber es geht körperlich einfach nichts mehr. Das Duo hat trotzdem viel Spaß und die, die noch stehen können, auch.
Danach wieder DJ MT Dancefloor, auf der Tanzfläche aber fast nur noch mitgebrachte Audiolith-Geiseln.
VIDEO VOM DRITTEN DORFDISKO-ABEND
Am nächsten Morgen muss ich dringend wieder zurück nach Franken. Leider fahren von diesem Kaff nur zwei Busse pro Tag. Um 6:30 Uhr klingelt mein Wecker. Ich verabschiede mich von den Menschen, die noch wach sind und dann los gen Heimat.
AUDIOLITH-PORTRÄT
Autor: Sebastian Barnickel
Bild: Johannes Büttner
Unsere vollständige Dorfdisko-Berichterstattung gibt es HIER.
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Audiolith im Netz.