Zwischen den Fronten: Rechte Propaganda trifft auf Gegenwehr in der Nürnberger Innenstadt
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Rechte Gruppierungen haben am vergangenen Samstag, den 26.04.2025, unter dem Motto „Gemeinsam für Deutschland“ bundesweit Demonstrationen abgehalten. In Nürnberg organisierte das sogenannte „Team Menschenrechte“, welches seit mehreren Monaten wöchentlich in Nürnberg Aufmärsche mit rechtsradikaler Beteiligung veranstaltet die Aktion. Die „Omas Gegen Rechts“, sowie das „Bündnis Nazistopp“ mobilisierten Gegenproteste. Unser Reporter Silvan war vor Ort und hat die Geschehnisse live beobachtet.
Schon beim Ausstieg aus der U-Bahn wird klar: Heute wird es ungemütlich in der Nürnberger Innenstadt. Kaum ist die Haltestelle „Weißer Turm“ angekündigt, strömt eine Gruppe auffälliger Gestalten in den vorderen Bereich des Zugs. Ihre schwarzen Jacken tragen Logos von Marken wie Lonsdale und Thor Steinar, die jüngsten unter ihnen wirken nicht älter als sechszehn, die älteren circa um die dreißig. Am Bahnsteig sammelt sich die Truppe unter lautstarken Kommandos und Dominanzgehabe. Ich ziehe an ihnen vorbei, die Treppe hoch; jetzt nur nicht auffällig hingucken, keine Aufmerksamkeit provozieren, einfach weitergehen und tun, als wenn nichts wäre, in dem Wissen: Das ist ein gutes Dutzend waschechter Neonazis in meinem Rücken, das da jetzt demonstrativ im Laufschritt die Treppe hochgetrampelt kommt.
Der Jakobsplatz ist bereits von den Polizeikräften eingezäunt, zu beiden Seiten flankiert von Gegenkundgebungen. Vor dem Weißen Turm haben sich viele Gegendemonstrierende zur Kundgebung des Nürnberger „Bündnis Nazistopp“ aus Gewerkschaften, Parteien, Antifa und Co. versammelt, gegenüber sorgen die „Omas Gegen Rechts“ mit ihrem Stand für Stimmung. Das Polizeiaufgebot ist immens.
Mit Kuschelballaden und Friedenstauben gegen die demokratische Grundordnung
Wohl um die zahlenmäßig weit überlegenen Gegendemonstrierenden zu beiden Seiten zu übertönen, hat das selbsternannte „Team Menschenrechte“ vier große Soundboxen aufgestellt, die zu beiden Seiten in Richtung der Trennzäune weisen. Als zu Beginn der Kundgebung zunächst in großer Lautstärke melancholischer Kuschelrock aus den Lautsprechern tönt, sorgt das auf Seiten der „Omas Gegen Rechts“ für ungläubige Belustigung. Man fragt sich: Meinen die das ernst?
AfD-Stadtrat Klaus Krestel begrüßt die rechten Demonstrierenden, indem er beschwört, sie alle seien „von unserem Schöpfer wunderschön geschaffen.“, und feiert die jüngsten Umfragewerte seiner vom Verfassungsgericht als teilweise rechtsextrem eingestuften Partei, indem er konstatiert: „74 Prozent Dummheit, 26 Prozent gesunder Menschenverstand. 70 Prozent Faschismus, bald 30 Prozent Demokratie“. Diese Selbstinszenierung als Verfechter*innen der Demokratie und Friedensbot*innen führt im späteren Verlauf des Demonstrationsgeschehen noch zu grotesken Szenen. Denn zwischen den zahlreichen Deutschlandfahnen finden sich nicht nur Friedensflaggen mit weißen Tauben, sondern in der Tat auch eine mit der Aufschrift „Gegen Nazis“ und einem durchgestrichenen Hakenkreuzsymbol. Mitunter stehen sich, durch Polizeibarrieren getrennt, beide Seiten gegenüber und rufen sich wechselseitig „Nazis raus!“ entgegen. Auf der einen Seite Antifaschist*innen, auf der anderen russlandfreundliche „Friedensaktivist*innen“, AfD-Funktionäre oder auch der Chef der bayerischen „Heimat“ (frühere NPD). Hier werden auf die Melodie der Nationalhymne „Deutsche Frauen, deutsche Bräuche“ besungen, bei Sonnenschein Regenschirme mit buntem Klecksdesign (Symbol gegen den „Regen queerer Ideologie“) getragen und rassistische Reden geschwungen. Bemerkenswert erscheint auch eine israelische Fahne in der rechten Versammlung, inszeniert sich gerade die AfD jüngst doch als Verteidigerin für jüdisches und israelisches Leben. Und doch werden auf der Abschlusskundgebung nicht nur islamfeindliche, sondern auch antisemitische Narrative über angebliche Tötungsbefehle in Thora und Koran kolportiert.
„Wir sind friedlich, was seid ihr?“
Als der Demonstrationszug des sogenannten „Team Menschenrechte“ sich in Bewegung setzt startet auch die Gegendemonstration ausgehend von der Kundgebung des „Bündnis Nazistopp“. Dessen offizielle Route erweist sich allerdings schnell als obsolet, denn bald weichen mehrere Blöcke vom vorgesehenen Weg ab. An mehreren Stellen in der Altstadt entstehen Sitzblockaden mit dem Ziel, die rechte Demonstration aufzuhalten. Die Polizei wird im Nachgang der Demonstrationen verlauten, es habe tätliche Angriffe auf Beamt*innen gegeben, die Polizeibeamten hätten „wiederholt unmittelbaren Zwang anwenden“ müssen, „unter anderem mittels Einsatzstock sowie Pfefferspray“. Da sich das Geschehen zu diesem Zeitpunkt über die ganze Altstadt verteilt an verschiedenen Orten abspielt, lässt sich unmöglich ein Überblick über die verschiedenen Begegnungen zwischen Protestierenden und den Einsatzkräften verzeichnen. Eine Antifagruppe wird in der Nähe des Hauptmarktes unterhalb der Museumsbrücke von der Polizei gestellt, Cafégäste und Passant*innen erleben die Konfrontation aus nächster Nähe. Die Antifaschist*innen bilden eine Sitzblockade rund um die Narrenschiffskulptur von Jürgen Weber. Eine Kette aus drei von ihnen ist gerade dabei, sich unterhalb der trockenen Brunnenskulptur auf den Boden zu setzen, als einer der Polizisten Pfefferspray auf sie sprüht und mit dem Einsatzstock mehrfach in die Gruppe der Sitzenden Demonstrant*innen schlägt. Ein gewalttätiges oder bedrohendes Verhalten durch die Getroffenen waren nicht unmittelbar zu erkennen. In der Reaktion erklingen Rufe der Empörung, die Demonstrant*innen skandieren „Wir sind friedlich, was seid ihr?“ und „Wo, wo, wo wart ihr in Hanau?“, in Referenz auf das rassistische Terrorattentat mit neun ermordeten Menschen vom 19. Februar 2020. Hier waren mehrfach vergeblich Notrufe bei der Polizei eingegangen.
Als die Antifaschist*innen umstellt und die Situation zunächst gesichert ist, versucht sich eine verwunderte Passantin bei einem Polizeibeamten zu erkundigen, worum es bei der Protestaktion ginge, wird aber unwirsch abgewehrt und muss ausweichen, um nicht von seiner Hand im Gesicht getroffen zu werden. Man fragt sich doch, woher dieses Aggressionspotenzial von Teilen der Einsatzkräfte sich speist. Ein schlichtes, aber höfliches „Entschuldigung, jetzt nicht.“ wäre sicher ausreichend, um der älteren Dame zu signalisieren, dass der Moment gerade nicht günstig ist.
Wer darf sich sicher fühlen?
Der Demonstrationszug des „Team Menschenrechte“ hat unterdessen Wartezeiten und erhebliche Einbußen ihrer Demo-Route zu verzeichnen. Die Zahlreichen Gegenproteste und Blockaden verhindern, dass die nördliche Altstadt erreicht wird. Wieder am Jakobsplatz werden die Demonstrant*innen am Stand der „Omas Gegen Rechts“ entlang geleitet. Diese empfangen den Zug mit Protestrufen und werden im Gegenzug mit Pöbeleien aus den Reihen der Zurückkehrenden bedrängt. Ein Kommunikationspolizist fordert per Mikrofon dazu auf, einfach weiterzugehen und sich „von den Omas nicht provozieren“ zu lassen.
Auf Seiten des „Bündnis Nazistopp“ füllt sich der Platz auch wieder zur Endkundgebung. Die Veranstaltenden betonen immer wieder nachdrücklich, niemand soll allein die Veranstaltung verlassen. Es sei bei vergangenen Protesten gegen die inzwischen regelmäßig stattfindenden rechten Aufmärsche im Nachhinein bereits zu gewalttätigen Überfällen von Neonazis auf Gegenprotestierende gekommen. Auch das Verhalten der Polizei wird kritisiert, ein Demonstrant wird aus der Kundgebung heraus festgenommen.
Wieder am U-Bahn-Gleis sammelt sich eine Gruppe der rechten Demonstant*innen unter Polizeigeleit an einem Ende des Bahnsteigs. Alle anderen halten sich fern. Unbeteiligte beäugen die Gruppe unbehaglich. Ich steige in die U-Bahn, am entgegengesetzten Ende des Zuges. Am Hauptbahnhof steigen die Rechten aus, ich bin froh, dass ich diesmal noch ein paar Stationen weiterfahre.
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Die “Omas Gegen Rechts” und das “Bündnis Nazistopp” veranstalten regelmäßig montagabends Gegenproteste gegen die rechten Aufmärsche. Nähere Infos auch zu weiteren Aktionen findet ihr hier:
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