Staatstheater im April/Mai: Kein Stillstand an der Guillotine
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Bevor die nächste Premiere ansteht, gibt es noch einige Gelegenheiten, bei den laufenden Produktionen nachzuholen, was man noch nicht gesehen hat. Ganz neu z.B. Die Ärztin, höchst gesellschaftsrelevante Gegenwartsdramatik, oder Andersen Oder Was bleibt, der digitale Märchenabend, der im XRT wieder aufgenommen wird oder Juices, diese die ganze BRD-Geschichte aus migrantischer Perspektive aufarbeitende Sprachspirale. Oder, oder. Und dann aber zum Büchner.
Mit Dantons Tod warf das früh verstorbene Wunderkind der deutschen Literatur in seinem ersten Drama einen Blick auf die Kehrseite der französischen Revolution: Fünf Jahre nach dem Sturm auf die Bastille hungert das Volk noch immer, Terror und Willkür regieren und die Guillotine steht nicht still. Zwischen den Revolutionären Georges Danton und Maximilien de Robespierre ist ein erbitterter Machtkampf um die richtige Staatsform ausgebrochen. Während Robespierre nach wie vor die Tugend hochhält, schaut Danton zunehmend desillusioniert und fatalistisch auf die unveränderlichen Machtdynamiken. Büchners Stück über Gefangennahme und Anklage des Danton demonstriert, wie in der Politik auch die ehrenwertesten Absichten pervertiert und ins Gegenteil verkehrt werden können. Büchner schrieb zwar über die zu seiner Zeit herrschende Jakobinerdiktatur in Frankreich, meinte aber auch die monarchischen Zustände in Deutschland. Inszeniert wird dieses Stück, das lange als unspielbar galt, vom Leiter des Theaters an der Parkaue, Berlin, Alexander Riemenschneider. Premiere am 25.04., an dem man danach gleich rüber- bzw. hochhüpfen kann in die Dritte Etage, wo ein interaktiver Avatar mit KI-Poetry gegen drei echt menschliche Slammer:innen aus der Region antritt. Wer ist wirklich besser, Mensch oder Maschine? Bei Verse.exe entscheidet das Publikum.
Die nächste Premiere folgt dann am 16.05., und das ist eine Arbeit des außergewöhnlichen Theatermachers Boris Nikitin, der mit den Mitteln des Dokumentartheaters immer wieder den Versuch unternimmt, die Gegebenheiten der Welt zu hinterfragen. Mixtape oder die unzerbreliche Gemeinschaft der freien Republiken ist direkt auch wieder so ein formaler Grenzübertritt: Die sieben Schauspielenden befinden sich nicht im Theatersaal, beim Publikum, sondern in der Stadt, sie werden live gefilmt, wie sie, ja, was eigentlich?, von sich und den Geschichten, die sie umgeben erzählen, während die Stadt zur Kulisse wird und die unbedarften, unbeteiligten Passant:innen zu Statist:innen werden. Auf ähnliche Weise hat Nikitin in Berlin und Basel, zusammen mit Sebastian Nübling unter dem Titel Dämonen, bereits mit seinen Ensembles zusammengearbeitet. Es wird spannend, zu sehen, welche Art von Stück in Nürnberg entstehen wird, wenn entfesseltes Theater in die Stadt kracht.
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Staatstheater Nürnberg
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