Erinnerungen werden Tanz: Ewig Sommer am schauspiel erlangen

12. APRIL 2025 - 7. JULI 2025, THEATER ERLANGEN

#Erlangen, #Ewig Sommer, #Interview, #Premiere, #schauspiel erlangen, #Schauspieler, #Theater

Was ist ein Hotel ohne Gäste? Vielleicht immerhin noch ein Rückzugsort. Insbesondere, wenn rings herum die Wälder brennen. Eine Hotelbesitzerin harrt allein in ihrem Betrieb aus, als unerwartet eine Frau mit Kind ankommt. Was wollen die beiden hier, ausgerechnet im Sommer, wovor fliehen sie? Aus der Begegnung entwickelt sich Spannung und Nähe, Ewig Sommer von Franziska Gänsler ist ein atmosphärisch-rätselhafter Roman, den das schauspiel erlangen jetzt auf die Bühne bringt. Mit viel Tanz und Musik. Wir sprachen mit den beiden Schauspielenden Hermann Große-Berg und Marie Hanna Klemm über ein besonderes Stück.

CURT: Hallo Marie und Hermann, wir sprechen kurz vor eurer Probe für Ewig Sommer. Wie läuft‘s denn?
 
HERMANN GROSSE-BERG: Ich als eigentlich Schauspieler muss sagen, es macht mir sehr viel Freude, mit Marie und dem anderen Gasttänzer die Figur Alexander (Vargas) zu tanzen. Für mich als Nichttänzer hat das natürlich Grenzen, weniger physischer als geistiger Art, so lange Bewegungsabläufe zu wiederholen. Das ist aber Übungssache und ich habe derzeit viel Freude an der Bewegung. Marie und Sagí (Amir Gros, Choreograph) helfen mir manchmal bei den ganz praktischen Sachen. Manchmal soll man ja nur von A nach B laufen, aber im Takt, mittlerweile klappt das auch.

MARIE HANNA KLEMM: Wir sind jetzt (03.04.) von der Probebühne auf die Bühne im Markgrafentheater gewechselt. Das ist ein sehr spannender Moment, zu gucken, wie kommt alles zusammen, wie können wir einen gemeinsamen Bogen aus Körper, Stimme, Gesang spannen? Trotzdem sind das natürlich auch schwierige Aufgaben, weil die Proben ganz anders ablaufen, als wenn es eine pure Tanz- oder pure Schauspielprobe wäre. Da ist immer Anpassungstalent gefragt.
 
Was ist der Kern dieses Stücks für euch?
 
M: Der Kern sind für mich Frauen, die sich Räume schaffen durch Empowerment. Die sich gegenseitig Räume schaffen und halten.
 
H: Das finde ich einen guten Ansatz, ich hätte es nicht besser formulieren können. Die Geschichte an sich ist die einer Hotelbesitzerin in einem Ort, der vom Feuer umschlossen ist. Auf einmal kommen eine Mutter und eine Tochter in dieses Hotel, und diese Begegnung ist ganz toll und mit viel Feinheit und Sensibilität geschrieben. Es könnte sich auch eine Liebesbeziehung entwickeln, aber das ist gar nicht so wichtig.
 
M: Es geht viel um zwischenmenschliche Ambivalenzen und die Zwischenräume, die nicht klar definiert werden. Zwischenräume, die noch nicht etwas Neues sind, aber auch nicht mehr das, was sie einmal waren.

H: Es geht auch um Gewalt, aber nicht platt um Schläge. Das Interessante ist, dass jeder, der den Roman liest, erstmal auf der Seite der Frau ist. Wenn dann ihr Mann anruft, bekommt man aber auch eine leicht andere Geschichte zu hören.
 
Was könnt ihr über eure jeweiligen Rollen sagen?

 
H: Es gibt einen weiteren Strang in der Geschichte; das ist die Erinnerung, eine Rückschau, wie der Großvater der Hotelbesitzerin mit seiner Tochter Ada umging. Deren Geschichte wird im Tänzerischen erzählt. Zu viel darüber, was für eine Art von Beziehung das ist, will ich noch nicht verraten. 
 
M: Und ich verkörpere Ada, die Mutter der Hotelbesitzerin, und einmal kurz Dori, die das Hotel besucht. Momentan sind wir in einer Findungsphase: Was genau soll transportiert werden, was ist der Kern der Message, den wir repräsentieren? Dieses Verhältnis zwischen Großvater und Ada ist sehr komplex, und ich werde mir immer klarer darüber, was auf der Bühne körperlich funktioniert. Das kommt mit dem Schwung des Stücks.
 
Das heißt aber, eure Anteile an dem Stück sind rein tänzerisch?
 
H: Ich habe als Großvater auch noch etwas Text mit meiner Tochter, dieser Teil der Tochter wird aber von jemand anderem gespielt. Das ist ein sehr kleiner Teil und sonst ist alles rein tänzerisch.
 
M: Die Idee ist grundsätzlich, die Erinnerungen durch Gesang und Körper darzustellen.
 
Begegnet man einer solchen Aufgabe, als Schauspieler zu tanzen, dann auch noch mal anders mit Respekt, gibt es eine Unsicherheit, ob man den Ansprüchen eines Choreographen als Schauspieler überhaupt gerecht werden kann?
 
H: Das alles ja! Ob ich den Vorstellungen entsprechen kann, aber auch ob mit 58 meine körperliche Fitness ausreicht für die Choreographien, die da gefragt sind.
 
Marie andersherum, du bist Tänzerin und hast auch eine reine Tanzrolle, ist das Arbeiten für dich am Theaterstück trotzdem etwas anderes?
 
M: Auf jeden Fall. Sobald man eine Geschichte erzählt, kriegt der Körper eine ganz andere Bedeutung, das muss man mitdenken, man muss ganz anders achtsam sein, weil die Bewegung nicht komplett frei interpretiert werden kann. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass das eine andere Verantwortung mit sich bringt. Und tänzerische Einwürfe in einem Stück haben eine ganz andere Dramaturgie, einen ganz anderen Aufbau, als wenn ich in einem einstündigen Tanzstück auf der Bühne stehe.
 
Was macht das Stück für euch besonders, ist es dieser formale Ansatz oder der Inhalt?
 
H: Ich finde, das Formale ist ein ganz anderer Ansatz. Aber ich habe auch dieses Buch lieben gelernt. Mir ist es wirklich wichtig, dass wir das machen. Und in meiner Aufgabe bin ich jetzt so drin, dass sich das nicht mehr dauernd in Frage stellt. Man tanzt nicht mehr irgendwie, sondern erzählt das buchstäblich.
 
M: Ich habe schon mehr Formate gesehen, die in diese Richtung gehen, auch im Sinne der interdisziplinären Form. Aber dass man einen Roman in diese Form übersetzt, ist schon eine besondere Herangehensweise.

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Ewig Sommer
nach dem Roman von Franziska Gänsler, Regie: Jonas Knecht
am schauspiel erlangen
Premiere: 12.04.




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