PALIMPSESTE IN STEIN
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Das Buch „Das ehemalige Reichsparteitagsgelände im 21. Jahrhundert“ zeichnet mit frischer Perspektive die vielschichtige Bedeutung des größten zusammenhängenden NS-Bauensembles nach. Am 29. April findet im Filmhaus eine Buchvorstellung mit Filmscreening statt.
Nichts, was man auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände tut oder nicht tut, ist einfach. Zur Monstrosität dieses Ortes von „Faszination und Gewalt“ (so auch damals der Name der ersten Themenausstellung auf dem Gelände) gehört auch, dass man sich in Widersprüchlichkeiten verheddert, egal welchen Weg man beschreitet. Der historische, eingriffsfreie Erhalt des Ortes hat ebenso seine Untiefen wie jede Art der Nutzung, und auch wie die Nichtnutzung. Ein aus demokratischer Perspektive vorbildlich diskursives Sprach- wie Meinungsgewirr prägt seit Jahrzehnten die Debatte, in dem sich hochintelligente Beobachtungen oft mit tradierten Ungenauigkeiten mischten, und unleugbare Emotionalitäten bezüglich des Ortes gegen ein undurchdringliches Dickicht aus vermeintlichen und realen historischen Motivationen und unauflösbaren Leerstellen der NS-Forschung prallten. Das Gesamtbild des Ortes, soviel lässt sich ohne Bauchschmerzen festhalten, ist größer und komplexer als man es in einem einzigen Blickwinkel darstellen kann.
Erfrischend und wichtig kann man darum den Buchbeitrag der Autoren Stefan Applis, Ingmar Reither und Richard Rongstock finden: Eine – wohl aussichtslose – monoperspektivische Gesamterzählung wird in der Publikation nicht angestrebt; vielmehr wird das Gelände als Palimpsest aufgefasst, also behandelt wie eines jener historischen Schriftstücke, deren Oberfläche in den vielen Jahrhunderten des Mangels immer wieder saubergekratzt, „recycled“ und neu beschrieben wurden. Was sind die Eigenschaften solcher Objekte? Natürlich kommt die jüngste Beschriftung am Klarsten zur Geltung, sie ist aber weder zwangsläufig die relevanteste, noch die letzte. Vielmehr offenbart der Blick in die Tiefen der Schichten vergessene wie überzeichnete Zustände, die mitunter parallel laufen, mitunter keinerlei Schnittmenge besitzen, optisch wie inhaltlich. Sogar das Alphabet selbst kann sich im Laufe solcher Palimpsestbildungen ändern.
Monströs ist nicht nur die Geschichte des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes, sondern auch seine schiere Dimension: Es ist je nach Grenzziehung drei- bis fünfmal so groß wie die gesamte Nürnberger Altstadt und besitzt in seinen Regionen ganz eigene Areale, Funktionsorte, Relikte und Perspektiven. Jeder Ort im Ort ist ein eigener Forschungsgegenstand, eine eigene Überschreibungsgeschichte, mit ihren jeweils eigenen Kratzspuren. Einige dieser Orte durchleuchtet das Buch, rund 200 Farbabbildungen, allesamt bisher unveröffentlicht, versachlichen den Blick auf diese unerschöpfliche Diskursbaustelle und geben denjenigen, die fundierter abwägen wollen, Impulse zum Nachdenken.
Stefan Applis/Ingmar Reither/Richard Rongstock
Das ehemalige Reichsparteitagsgelände im 21. Jahrhundert
Transformationen nationalsozialistischer Räume
176 S., 220 × 280 mm, Farb- und s/w-Abb., 30,- EUR
ISBN 978-3-96311-973-6
Erschienen: November 2024, miteldeutscher verlag
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Am Dienstag, den 29. April um 19 Uhr
BUCHVORSTELLUNG UND FILMSCREENING
Die drei Autoren des Buchs, Stefan Applis, Ingmar Reither und Richard Rongstock, sind anwesend, es wird unter anderem der Film „BRUTALITÄT IN STEIN“ von Alexaner Kluge und Peter Schamoni gezeigt.
FILMHAUS NÜRNBERG, im Ersten Stock des Künstlerhauses, Königstraße 93, Nbg.
kunstkulturquartier.de/filmhaus
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