Mit Kriegsbemalung in den Grimassen-Contest
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„Der Dachs hat heute schlechte Laune“ als Premiere im Kindertheater Mummpitz - Nominierung bei Mülheimer Theatertagen
Theaterkritik von Andreas Radlmaier
Für die erwachsenen Börsenspekulanten dürfte es aktuell beunruhigender sein, dass der Dax angesichts eines orangefarbenes Du-weißt-schon-wer in Übersee schlechte Laune hat. Aber wenn der Dachs seine tierische Umgebung im Wald unerwartet runterzieht, sind die Reaktionen und Konsequenzen fürs Nervenkostüm auch nicht ohne. „Der Dachs hat heute schlechte Laune“ heißt die Bilderbuch-Adaption, die Andrea Erl, künstlerische Leiterin des Theater Mummpitz, im Kachelbau als Uraufführung zu einer einfallsreichen Gute-Morgen-Geschichte formt. Feingeistreiches für die ganz Kleinen ab 4 Jahren.
Ein schwarzes T-Shirt wird mittels Kleiderbügel und Wäscheklammern als Schnabelersatz zur Amsel auf der Wäscheleine, das bis in Fingerspitzen nervöse Eichhörnchen wird im Nuss-Schach ausgetrickst, aus Hamsterkisten ploppen, grunzend und fiepend, die Lampion-Umrisse von Igel, Wildschwein und Hase auf und wenn der Dachs seine schlechte Laune ins Freie lässt, raucht es bedrohlich überm Dachsbau, der offensichtlich von einem Bauhaus-Architekten entworfen wurde, also eine rechteckige Holzkiste ist.
Behutsam und poetisch setzen Andrea Erl und ihre Bühnenbildnerin Maria Pfeiffer ihre Tier-Parabel in Szene. Weil sich Dramatik und Dynamik in Grenzen halten (um die Zielgruppe nicht zu verschrecken), dauert es etwas, bis die Erzählung greift. Aber sie greift. Die Musik bildet erneut das probate Gleitmittel, wie sich überhaupt die Schnittmengen von Schauspiel und Soundtrack zum umwerfenden Stilprinzip bei Mummpitz verfestigt haben. Da darf der Dilettantismus mitunter wunderbar charmant schimmern, wenn sich Schauspielerinnen (Christene Mertens und Sabine Zieser) und Musiker (Komponist Özgür Kantar und Ferdinand Roscher) fachübergreifend umarmen.
In schlanken 45 Minuten führt die Dachs-Stimmungs-Rallye zur Erkenntnis, dass die Kriegsbemalung, die sich der auf Krawall gebürstete Dachs (Sabine Zieser spielt das mit bemerkenswerter Körpersprache) ins Gesicht schmiert, kein Dauerzustand sein muss. Wenn die „Entschuldigung“ ausgesprochen ist und alle nach befreiendem Grimassen-Contest ins „große Dachs-Fest“ steuern, strahlen auch die Tierlampions wieder mit der Welt versöhnt vom Bühnen-Himmel.
Beim Theater Mummpitz, dessen Sonderstatus gerade durch eine Nominierung bei den 50. Mülheimer Theatertagen mit der herausragenden Produktion „Freddie und die ganze Katastrophe“ unterstrichen wird (wo sich die Nürnberger dann in prominenter Gesellschaft der Münchner Kammerspiele oder des Thalia Theater Hamburg wiederfinden), neigt man inzwischen zur Pauschal-Empfehlung. Das muss den Mummpitzen erst mal jemand nachmachen. Applaus, Applaus!
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„Der Dachs hat heute schlechte Laune“
Mittwoch, 2.April, 10.00 Uhr
Donnerstag, 3. April, 10.00 Uhr
Samstag, 5. April, 16.00 Uhr
Sonntag, 6. April, 15.00 Uhr
Montag, 7. April, 10.00 Uhr
Dienstag, 8. April, 10.00 Uhr
Mittwoch, 9. April, 10.00 Uhr
Donnerstag, 10. April, 10.00 Uhr
Freitag, 11. April, 10.00 Uhr
Samstag, 12. April, 16.00 Uhr
www.theater-mummpitz.de
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