In der Familie ist der Wurm drin: Interspecies Families im Zukunftsmuseum

DONNERSTAG, 27. FEBRUAR 2025, DEUTSCHES MUSEUM NüRNBERG – ZUKUNFTSMUSEUM

#Brachland Ensemble, #KI, #Performance, #Talk, #Theater, #Theo Fuchs, #Zukunftsmuseum

Das Brachland Ensemble probiert ein Theater-Performance-Talk-Format mit KI im Zukunftsmuseum. Interspecies Families heißt die TechNovela, die auf fünf Folgen angelegt ist. curts technikaffinster Mitarbeiter Theo Fuchs hat die Premiere gesehen.

Das Publikum sammelt sich im Foyer, es wird Sekt gereicht, der Regisseur geht von Gruppe zu Gruppe und lässt jede Person unter vier Adjektiven (z.B. „logisch“) wählen. Jedem Adjektiv ist eine Gruppe zugeordnet, die Tiere, die Menschen, die Pflanzen, die KI. Das spielt nachher noch eine Rolle. Mit geschätzt 60 Zuschauenden ist im großen Forum jeder Platz besetzt.

Das Brachland-Ensemble, zieht, inszeniert von Gunnar Seidel, Alexandra Rauh, jedes technische Register. Alles ist möglich im Zukunftsmuseum: Übertragung eines CamCoders, der auf den Regenwurm gerichtet ist, direkt auf den Mega-Kubus-Bildschirm, ChatGPT wird live gepromptet, der Regisseur steht wie ein Datenstrom-DJ am Laptop und wechselt zwischen den Plattformen. Nach und nach werden die vier eingangs gebildeten Gruppen aufgefordert, per SmartPhone im hauseigenen WLAN ein Mentimeter zu füttern. Das alles ist bereits ein Erlebnis für sich.

Zum Einstieg werden die Zuschauer in je zwei Gruppen durch eine Familienaufstellung geschickt, Scheinwerfer markieren auf dem Boden in Ampelfarben drei Bereiche: ja, nein, vielleicht. Wer hat Tiere zu Hause? Wer Pflanzen? Wer nutzt bewusst eine KI am Arbeitsplatz? Wer hat schon einmal einem technischen Gerät einen Namen gegeben (Spoiler: bis auf einen alle)? Und nicht zuletzt: wer sieht in einem technischen Gerät einen Familienangehörigen? Diese Prozedur macht das zentrale Thema der „Interspecies Family“ für die Zuschauer:innen sofort konkret greifbar.

Eine Sorge jedoch muss man nicht haben: Partizipativ bedeutet nicht, dass man vor den anderen sprechen oder Gedanken haben oder mitspielen müsste. Das SmartPhone genügt.

Für den Theorie-Teil wird eine Live-Schaltung nach Osnabrück hergestellt, zu Nora Freya Lindemann, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin in der Forschungsgruppe Ethik und kritische Theorien der KI am Institut für Kognitionswissenschaft der Universität Osnabrück. Frau Lindemann kennt ihr Thema, sie spricht nahezu druckreif über feministische Theorie und die Kritik an Dualismen wie Frau vs. Mann, Mensch vs. Natur oder Mensch vs. Technik.

Der Vierklang Pflanze, Tier, Mensch, KI zieht sich durch das gesamte Stück. Wobei ein armer Regenwurm gleich das ganze Tierreich repräsentieren muss. Dass es da eigentlich noch mehr Lebewesen gibt, daran erinnern zwei Schaffelle, die den Wohnraum der Familie, einer aus polygonalem Gestänge konstruierten, filigran-transparenten Halbkugel, erst so richtig gemütlich machen.

Es bleibt letzten Endes der Mensch und seine Körperlichkeit im Mittelpunkt, nicht zuletzt dank der Bewegungs- und Berührungslust der beiden Schauspielerinnen, Ludger Lamers und Sarah Plattner. Der bodennahe Ausdruckstanz, den Sarah im Duett mit einem der Regenwürmer auf dem Körper improvisiert, während Ludger aus nächster Nähe das Winden und Wälzen filmt, hinterlässt wohl den stärksten visuellen Eindruck der Vorführung.

Zu beachten ist, dass der Rezensent die Pilot-Folge dieser „TechNovela“ sah, in der die Protagonist*innen, das Gesamt-Setting und die Fixpunkte des Ablaufs vorgestellt wurden. Insofern darf man sehr auf die nächsten Folgen gespannt sein, wenn nun die Handlung ins Rollen kommt, sich Spannungen auf- und abbauen, Beziehungen entwickeln und emotionale Kommunikation stattfindet.
Und sich, so wurde es versprochen, ein humanoider Roboter ins Geschehen einmischen wird. Wie eben in einer waschechten Telenovela-Familie.

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Interspecies Families im Deutschen Museum Nürnberg


Konzept und Regie: Gunnar Seidel, Alexandra Rauh
Mit: Sarah Plattner, Ludger Lamers
Bühne, Kostüm: Johanna Deffner
Produktion: Julia Opitz
Netzwerk: Dominik Breuer
Grafik und Layout: Felix Kramer
Fotos: Gunnar Seidel, Lukas Pürmayr
Wissenschaftliche Beratung: FAU-Nürnberg-Erlangen, Hochschule für Musik Nürnberg
Gefördert vom Verband Freie Darstellende Künste Bayern e.V

Weitere Termine:
24.04., 29.05., 26.06., 24.07.,




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TEXT: Christian Winkler
MUSIK: Lars Stöwe (Anstam)
VISUALS: Simon Janssen.

Mit Unterstützung der Stadt Nürnberg/ Amt für Internationale Beziehungen.

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Eine Live-Performance-Clubbing präsentiert von CURT.
Am 11. Februar im Z-BAU, Frankenstraße 200, Nbg.
Beginn 19:30 Uhr. VVK: 10,- / AK: 12,- / Ermäßigt: 10,-

 


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