Elisabeth Hartung übers Kaufhof-Areal: Ohne die Zukunftsmusik wäre nur Leerstand
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Die kreative Bespielung des Kaufhofareals hat sich in den vergangenen Wochen mehr nach innen verlagert, in die ehemaligen Ladenflächen im Erdgeschoss. Jetzt, wenn die Temperaturen hoffentlich steigen, soll die Zukunftsmusik wieder mehr draußen spielen. Bei einem großen Fest der Demokratie am Wahlwochenende zum Beispiel. Und dann – neigt sich diese besondere Zeit eines konstanten kulturellen Funkelns am Leerstand langsam dem Ende zu. Oder vielleicht doch nicht? Wir haben nachgefragt, bei Dr. Elisabeth Hartung, Leiterin des Projektbüros und Erfinderin der Zukunftsmusik.
Lisa, kannst du uns ein kurzes Zwischenfazit der Zukunftsmusik geben: Was lief total super nach euren Vorstellungen, was ging richtig fies in die Hose?
Zukunftsmusik ist konzipiert als strategisches Experiment. Wir wollen zeigen, dass Kunst und Kultur das Zeug haben, Leben in die Stadt zu bringen, ja essentielle Bestandteile städtischen Lebens sind neben Wohnen, Arbeiten, Konsum. Dieses Experiment ist gelungen, auch wenn es noch lange nicht vorbei ist. Wir sind mittendrin. Wir entwickeln das Projekt permanent weiter, reagieren auf Anregungen und die immensen technischen, finanziellen und administrativen Notwendigkeiten eines Projekts in einem Leerstand dieser Bedeutung und Größenordnung. Da sind ständig kreative Lösungen für immense Herausforderungen zu erarbeiten. Wir haben es unter schwierigen Umständen geschafft, dass in den letzten Monaten rund um den Kaufhof neues Leben entstanden ist, neue Bilder nun mit dem öffentlichen Raum der Pfannenschmiedsgasse verbunden werden. Ohne die Zukunftsmusik wäre Leerstand das Charakteristikum der geprägten Durchgangszone seit Juni 2023. Wir hätten keine neue Perspektiven vom Turm aus gesehen, keine Kunst von mehr als 100 Künstler:innen erlebt, keine Klänge der Zukunft vernommen, an keinen Aktionen von gemeinnützigen Kollektiven teilgenommen, keine Überraschungen wahrgenommen und vieles mehr. Zum Glück aber ist das Experiment im Zusammenspiel mit hunderten von Akteuren Realität geworden.
Wir wollen ein positives Zeichen setzen. Transformation ist eine Chance. Es ist gelungen, Mittel zu bekommen, das Projekt kraftvoll zu starten. Jetzt wird es darum gehen, dieses in die Zukunft zu führen und Räume für Kunst und Kultur zu sichern. Es wäre schade, wenn dies aus finanziellen oder welchen Gründen auch immer in die Hose gehen würde, um bei Eurer Wortwahl zu bleiben.
Zukunftsmusik ist Best-Practice für den Funktions- und Bedeutungswandel eines leerstehenden Kaufhauses, von denen es hunderte nicht nur in Deutschland gibt, durch Kunst und Kultur. Es ist ein sehr individueller Weg Nürnbergs, der auch außerhalb der Stadt wahrgenommen und dem mit Respekt begegnet wird.
Welches Highlight hast du persönlich sofort präsent, wenn du an die zurückliegenden Monate am Kaufhof denkst?
Die besondere Atmosphäre während unserer Veranstaltungen mit unterschiedlichsten Kunstformen und das wunderbare Gefühl des Zusammenhalts. Breakdance bei Sonnenschein, Avantgarde im Advent mit Licht und futuristischen Klängen. Da gab es schon einige Highlights. Es macht mich persönlich glücklich zu erleben, wie das, woran wir arbeiten, in Nürnberg Realität wird und durch die Menschen, die Künstlerinnen und Künstler wie die Öffentlichkeit, Leben bekommt, wie getanzt und gelacht wird, wie debattiert wird über die Zukunft der Stadt, wie Menschen ins Gespräch kommen und wie neue Bilder und Erlebnisse entstehen.
Das Areal wird noch bis Mai bespielt, wie weit seid ihr in euren Planungen?
Bis Ende Mai 2025 steht unser Programm Zukunftsmusik im und um den Kaufhof herum, einschließlich einer Ausstellung in Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste zur Blauen Nacht am 17. Mai 2025. Die Shootings Stars der Kunst aus Nürnberg leiten dann unsere neue Reihe Dürers Echo ein. Anschließend hat der „kreative Förderturm“ von raumlaborberlin seinen Dienst getan und es wird sich im Gebäude Neues entwickeln. In Planung sind aktuell auch schon Projekte und Präsentationen rund um unsere Festivals, Programme und aktuelle Themen über Mai hinaus. Kunst und Kultur wird also auch über Mai 2025 hinaus mit uns im ehemaligen Kaufhof ein Forum finden.
Das Wahlwochenende wird ein Festival der Demokratie. Mit welchem Ziel veranstaltet ihr das?
Kunst und Kultur sind wichtige Elemente unserer Gesellschaft und repräsentieren in ihrer Vielfalt und Freiheit auch unsere Demokratie. Globale Entwicklungen, Krisen und Veränderungen in Politik und Gesellschaft gefährden diese Freiheit der Kunst und jedes Menschen. Wir sehen unsere Verantwortung als Projektbüro Kultur auch darin, mit den Mitteln von Kunst und Kultur ein Bewusstsein zu schaffen dafür, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern stets gestaltet werden muss. Deshalb nehmen wir die Neuwahlen des Bundestags am 23. Februar zum Anlass, mit einem vielfältigen zweitägigen Programm für die Demokratie zu werben und Demokratie sinnlich erfahrbar zu machen.
Welches Programm erwartet dann die Nürnbergerinnen und Nürnberger?
Erstmals wird neben dem öffentlichen Raum und den Ladengeschäften, die wir seit November 2024 bespielen, auch ein Teil der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Kaufhofs zu neuem Leben erweckt. Das Gebäude selbst wird mitten in der Stadt zum Präsentationsort für über 100 Plakate, die von Designer:innen, Künstler:innen und Bürger:innen eigens für das Festival gestaltet wurden. Diese Plakate werden auch selbst zur „Wahl“ gestellt: Die Bürger und Bürgerinnen sind aufgerufen, an diesem Wochenende ihre Favoriten zu wählen, die dann öffentlich prämiert werden.
Und mehr: Nürnberger Chöre kommen zusammen, die Breakdance-Community rund um die Tanzschule Lawreys findet hier wieder einen Auftrittsort mitten in der Innenstadt. Im Innenraum des ehemaligen Kaufhofs werden preisgekrönte Kurzfilme aus dem Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen zu sehen sein, unter anderem Jugendfilme. Lars Henrik Gass, Autor, Filmhistoriker, stellt Überlegungen an zu kulturellen Praxis Kino. Die Autorin Kristina Lunz wird ihr Buch „Empathie und Widerstand“ zusammen mit der Buchhandlung Jakob präsentieren. Das interdisziplinäre Kollektiv Laissez-Faire e.V. lädt zu „do-it-yourself“-Aktionen ein. Partizipative Projekte aus der Stadtgesellschaft und der Nürnberger Kultur werden von den Akteuren selbst mit Bild und Text vorgestellt und vermitteln eindrucksvoll, welche guten Beispiele für ein friedliches Zusammenleben und die Gestaltung der Demokratie bereits am Start sind. Das ganze Programm gibt es unter zukunftsmusik.nuernberg.de.
Für die kommenden Wochen: Sind eure Kanäle für Künstler:innen, die sich einbringen wollen, noch offen?
Wir sind immer offen, aber, und das müssen wir leider sagen, aufwändige neue Projekte wie im Rahmen unseres ersten Aufrufs werden wir nicht mehr umsetzen können. Wir werden uns darauf konzentrieren, für den Ort passende Formate anzubieten und hoffen auf vielfältigste Synergien. Wir möchten auch, dass Künstlerinnen und Künstler ihre im Rahmen der Zukunftsmusik finanzierten Programme noch einmal aufzuführen und so die Chance nutzen, ein neues Publikum zu adressieren.
Was wird bleiben von der Zukunftsmusik?
Alles was hier passiert, klingt nach, manches leiser, manches lauter. Die Zukunftsmusik ist ein Experiment, eine Erfahrung, ein Erlebnis. Strategisch konzipiert, um die Rolle von Kunst in der Stadt auch für die Zukunft zu sichern und neues Leben in die Stadt zu bringen. Ich bin Optimistin und überzeugt davon, dass die Anstöße, die wir hier geben, noch lange nachhallen und Wirkung entfalten. Aber derzeit ist die Zukunft des Kaufhofs noch nicht abschließend formuliert und alle sind gefragt, sich in diesen Prozess einzubringen, Bürgerinnen und Bürger, die Politik, Wirtschaft und sicher auch Kunst und Kultur.
Und was passiert im Anschluss mit dem Kaufhof, weiß man was?
Noch ist nichts gewiss. Aber die Visionen und Ideen, die Bürgerinnen und Bürger in den partizipativen Prozessen während des Eröffnungswochenendes der Zukunftsmusik formuliert haben, sind gesichert und fließen in die weitere Entwicklung des Gebäudes durch die Stadt Nürnberg ein. Die Stadt Nürnberg hat ebenfalls eine weitere Bürger-befragung gestartet, in der auch das Thema Kunst & Kultur und die Erfahrungen mit der Zukunftsmusik auf einer Themeninsel moderiert vom Projektbüro einfließen. Eine intelligente und wirtschaftlich tragbare Vielfalt der Nutzungen in diesem prominenten Gebäude wünschen sich viele, wenn ich mir die Ideen und Gespräche mit so vielen Menschen vergegenwärtige. Ich persönlich denke auch, das ist zeitgemäß und realistisch, auch wenn es noch nach Zukunftsmusik klingt.
Vielen Dank. Und jetzt essen wir erst mal eine Stadtwurstmusik!
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Zukunftsmusik
Kunst & Kultur im und um den (ex) Kaufhof herum.
Festival der Demokratie: 22. und 23. März
Dr. Elisabeth Hartung
die gebürtige Coburgerin leitete zuletzt im Münchner Kulturreferat die Feier des 50. Jubiläums der Olympischen Spiele 1972. Sie ist Gründungsdirektorin der „Platform“ München, einem PostDoc-Programm für innovative Kulturberufe, und realisierte neuartige Formate angewandter Kunst für das Münchner MaximiliansForum. Als Dozentin der Fakultäten für Design, Innenarchitektur und Architektur war sie an den Hochschulen München und Coburg beschäftigt. Seit Juni 2023 leitet sie das Nürnberger Projektbüro.
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