Körperliche Präsenz und existenzielle Erzählweise: Roland Klappstein und das Theater Salz+Pfeffer
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Nach über 40 Jahren steht da auf einmal ein neuer Name im Impressum: Wally und Paul Schmidt haben das Theater Salz+Pfeffer hinter sich gelassen und sich als Theater SalzstreuNer quasi back-to-the-roots-mäßig wieder auf Wanderschaft begeben. Das Traditionshaus für Puppentheater am Plärrer gibt es aber nach wie vor. Dafür trägt nun Roland Klappstein die Verantwortung, ein ausgebildeter Bariton, an dessen Werdegang im Figurentheater die Schmidts einen nicht unerheblichen Anteil haben. curt nimmt sich den Neuen zur Brust.
CURT: Roland, Du standst selbst 2011 erstmals auf der Salz+Pfeffer-Bühne. Was für eine Produktion war das und wie kam es dazu?
ROLAND KLAPPSTEIN: Für das Salz+Pfeffer stand ich das erste Mal als Sänger in einer Musicalproduktion von Guus Ponsioen. Der Regisseur merkte schnell, dass ich auch ein Händchen für Puppen hatte und brachte mich an das Figurenspiel heran. Figurentheater verbindet für mich körperliche Präsenz mit einer besonderen und existenziell ehrlichen Erzählweise, die mir sehr liegt. Diese erste Erfahrung hat mich tief geprägt und mir die Türen zu einer ganz neuen Theaterform geöffnet.
Wally und Paul Schmidt nennst du als wichtige Impulse für dein Schaffen. Warum – was haben die beiden dir mitgegeben?
Wally Schmidt hat mir eine intuitive und poetische Herangehensweise an das Figurentheater vermittelt. Sie kann mit minimalen Mitteln eine Figur so beleben, dass sie eine eigene Seele bekommt. Odem ist ein Wort, was bei mir bei ihr sofort in den Kopf springt. Und sie ist bis heute eine Mentorin, die mich in regelmäßigen Abständen berät und inspiriert. Paul Schmidt hingegen prägte mich in seiner dramaturgischen Klarheit – er lehrte mich, wie man Szenen rhythmisch aufbaut und dass jede Bewegung eine erzählerische Bedeutung hat. Ihr Zusammenspiel von Spontaneität und Struktur war für mich inspirierend und prägt bis heute meine künstlerische Arbeit.
Seit dieser Spielzeit hast du die künstlerische Leitung am Salz+Pfeffer inne. Wie muss ich mir den Weg dahin vorstellen?
Mein Weg zur künstlerischen Leitung war eine Entwicklung. Aus der Rückschau betrachtet, liest sich so etwas ja immer steter als es eigentlich war: Schon als Kind war ich von der Bühne fasziniert – ein prägendes Erlebnis war Lohengrin mit acht Jahren, das mich tief berührte. Mein Gesangsstudium in Nürnberg legte dann eine fachliche Grundlage, danach folgten freischaffende Jahre in Schwerin, drei Jahre am Staatstheater in Meiningen und schließlich die Arbeit mit dem Objekttheater beim letzten Kleinod. Jede dieser Stationen öffnete mir neue Türen, ließ mich Theater aus unterschiedlichen Perspektiven erleben.
Die entscheidende Türöffnerin war aber Silva Heil, eine Sängerin und enge Freundin, die mich ermutigte, mich intensiver mit Theater auseinanderzusetzen und eigene Wege zu gehen. Solche Türöffner:innen wünsche ich mir für jeden Menschen. Und zwar egal, ob sie einen ins Salz+Pfeffer, zum nächsten Fußballspiel, zum Hardrockkonzert oder zur ersten Bahnfahrt mitnehmen – Orte und Begegnungen, die Menschen inspirieren und zum Beispiel für das Figurentheater begeistern. Als die Stelle erneut ausgeschrieben wurde, spürte ich, dass genau diese Erfahrungen mich hierhin geführt haben – also bewarb ich mich auf die künstlerische Leitung des Salz+Pfeffer.
Viele verbinden Figurentheater vor allem mit Kindertheater. Was sind die größten Überraschungen, die Erwachsene im Figurentheater erleben können?
Das Figurentheater ist ein Genre, das sein Publikum sehr ernst nimmt und es gleichzeitig dort abholt, wo es gerade steht – unabhängig vom individuellen Erfahrungsschatz. Unsere Inszenierungen funktionieren auf mehreren Ebenen: Ein Klassiker bei uns spricht gleichermaßen Menschen an, die tief in der Kunst- und Kulturszene verwurzelt sind, wie auch jene, die vielleicht zufällig ins Theater stolpern – ob Student:innen, Handwerker:innen, Literaturliebhaber:innen oder Clubgänger:innen. Jeder kann etwas für sich herausziehen, egal, mit welchem Hintergrund oder welcher Erwartungshaltung er oder sie kommt. Wir erzählen Geschichten, die zugänglich sind, aber immer mit Tiefe – man hat einen unterhaltsamen Abend, aber es klingt auch etwas nach.
2025 ist ein Wahljahr – spielen gesellschaftliche und politische Themen eine Rolle in eurer aktuellen Spielzeit?
Sehr sogar. Wir hinterfragen fast wöchentlich im Team – und im Produktionsprozess oft täglich – wo die Reise hingeht. Wie positionieren wir uns? Was wollen wir sagen? Unsere Produktion Kleiner Mann, was nun? (Premiere am 8. März 2025) trifft damit den Nagel auf den Kopf. Die Geschichte eines jungen Paares in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs ist eine klare Antwort des Theaters Salz+Pfeffer auf unsere aktuelle politische Situation.
Letztlich geht es nicht nur darum, wer Kanzler wird oder ob das gut oder schlecht ist. Viel entscheidender ist, wie (politische) Beziehungen gestaltet werden. Wie reden Menschen miteinander? Begegnet man sich auf Augenhöhe – international, national, auf der Straße oder bei uns im Theater? Diese Fragen treiben uns um und spiegeln sich in unseren Stücken wider – genauso wie in unserer Entscheidung, nach den Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie zu arbeiten, um Theater auch strukturell nachhaltig und werteorientiert zu gestalten.
Die Krone ist euer Spielzeitmotto. Ist das auch ein politischer Akzent?
Interessanterweise ja – zumindest indirekt. Die Krone steht für Macht, Autorität und die Frage, wer sie trägt und warum. In einer Zeit, in der politische Figuren wie Trump das Bild von Führung und Einfluss prägen, hinterfragen wir mit unserem Spielzeitmotto genau diese Mechanismen. Wer bestimmt, wer regiert? Und was bedeutet es, eine Krone zu tragen – im Theater, in der Gesellschaft, in persönlichen Beziehungen?
Am Salz+Pfeffer hast du jetzt die Krone auf. Was ändert sich dadurch, was ist deine persönliche Handschrift?
Mir ist eine enge und gleichwertige Zusammenarbeit mit den Menschen wichtig, die das Theaterumfeld prägen – sei es in kreativen, strukturellen oder gesellschaftlichen Bereichen. Theater ist für mich kein abgeschlossener Raum, sondern ein lebendiges Gefüge, das im Dialog mit den Akteur:innen der Stadt, der Verwaltung und dem Publikum entsteht. Dabei interessiert mich besonders, wie Kunst auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren kann, ohne sich vor schnellen Veränderungen zu scheuen. Dazu gehört auch, dass ich meine Profession – die Musik und das Figurentheater – stärker miteinander verzahne.
Ich freue mich auf Produktionen, in denen Musik eine treibende Kraft ist, wie es ja auch schon im Haus mit Stockmann (mit Musik aus den Vier Jahreszeiten) oder beim Erzählkonzert Der gestiefelte Kater mit Bläserquintett üblich war. Gleichzeitig bewegen uns Fragen danach, welche Werte unsere Arbeit leiten, wie wir Wandel gestalten und wo Machtverhältnisse im Theater wie auch in der Gesellschaft sichtbar werden – Themen, die sich auf und hinter der Bühne spiegeln werden.
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Theater Salz+Pfeffer
Im Feb/März mit Shakespeares Wie es euch gefällt, Kleiner Mann, was nun? nach Hans Fallada (Premiere: 08.03.) und dem Agatha-Christie-Krimiabend Die Mausefalle.
Rolands besonderer Tipp: Do., 27.02., 20:00 Uhr – Extraprise: Mann*Frau*Krone was nun? „Eine hervorragende Gelegenheit für alle, die noch keinen Kontakt zum Figurentheater hatten!“
Roland Klappstein
hat an den Hochschulen in Nürnberg und Würzburg klassischen Gesang studiert. 2011 stand er am Theater Salz+Pfeffer erstmals mit Puppe auf einer Bühne. Für seine Interpretation der Figur Papageno in Mozarts „Zauberflöte“ wurde ihm der Ida-Wolf-Gedächtnispreis der Stadt Fürth verliehen. Außerdem ist er mit der Pianistin Katja Lunkenheimer 1. Preisträger des Hans-Sachs-Lied-Wettbewerbs. Engagements führten ihn ans Nürnberger Staatstheater, an die Tourneeoper Mannheim und ans Meininger Staatstheater. Seit dieser Spielzeit leitet er das Theater Salz+Pfeffer.
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