Raum + Zeit im Zukunftsmuseum: Naturschutzgebiet oder Zweitmondsitz?
#Deutsches Museum Nürnberg, #Museum, #Theo Fuchs, #Zukunftsmuseum
Von Theobald O.J. Fuchs
Es ist eine uralte Idee – Menschen, die in den frühen 1960ern geboren wurden, kennen es aus ihren Mickey-Mouse-Heftchen und dem Heimat- und Sachkundeunterricht in der Grundschule: Anfang der 1970er stand die Menschheit kurz davor, eine Kolonie auf dem Mond zu errichten. Unterirdisch, wegen der Meteoriten, die sich mangels Atmosphäre sehr schwer damit tun, zu verglühen, ehe sie einschlagen. Man malte sich Gewächshäuser, Bergwerke und Atomkraftwerke aus, und sogar ein Touristen-Hotel, das »Lunar-Hilton«
So what?, mag man fragen, warum sollten wir uns heute wieder damit beschäftigen? Nun, womöglich kommt da derzeit eine richtige große Sache auf uns zugerollt, deren Folgen sich nur sehr schwer einschätzen lassen, ja womöglich sogar anders geil sind.
Die Physik hat sich – soweit wir als Menschheit es mitbekommen – in den letzten 60 Jahren nicht geändert, allerdings gab es vor allem eine technische Innovation, die heute Dinge möglich macht, die damals undenkbar waren. Die Rede ist vom Computer. Die unfassbare Rechenpower, die uns heute zur Verfügung steht, ist die Voraussetzung für derartig unfassbare Entwicklungen wie die Elon-Musk’schen Starship-Raketen, die rückwärts einparken.
Betriebswirtschaftlich gesehen führt die technologische Innovation zu wesentlich geringeren Kosten für den Transport irgendwelcher Dinge zum Mond. Geringere Kosten bedeutet, dass sich private Unternehmen gründen, die Profit erwirtschaften, indem sie Dinge bauen, die man im Weltall nutzen kann. Das Ergebnis insgesamt können wir täglich selbst beobachten: eine Rakete nach der anderen hebt ab, ein Nationalstaat nach dem anderen »launcht« Weltraum-Missionen, immer mehr Astronaut:innen werden in neu errichteten Trainingszentren für das (Über-) Leben woanders als auf der Erdoberfläche ausgebildet. In der ISS, auf dem Mond – wenn es nach Elon ginge, auch auf dem Mars. Schon seit Jahrzehnten gab es keinen einzigen Augenblick mehr, in dem sich wirklich alle lebenden Menschen innerhalb der Erdatmosphäre befanden.
Zwischen 1969 und 1972 erlebten wir sechs erfolgreiche Mondlandungen, insgesamt 12 (!) Menschen spazierten auf unserem grauen, meteoritenkraterigen, käsig-farbenem Nachtbegleiter herum, davon übrigens elf weiße, männliche Angehörige des US-Militärs.
Und heute? Mehreren Staaten ist es nach den U.S.A. und der U.d.S.S.R. inzwischen ebenfalls geglückt, Sonden auf dem Mond zu landen: neben China auch Indien und Japan. Dieser Ausbruch an Aktivitäten wirft natürlich diffizile politische und gesellschaftliche Fragen auf. Denn in gewisser Hinsicht sind wir schon mittendrin in einer Neuauflage des »moon race«, das in den 1960ern zwischen den beiden Supermächten ablief. Nur, dass diesmal auch knallharte ökonomische Interessen eine Rolle spielen, dass diesmal die gesamte Mondoberfläche in den Fokus der Eroberer genommen wird (und nicht nur die leicht erreichbare Gegend um den Äquator auf der uns unveränderlich zugewandten Seite des Mondes), und dass wie schon vor einem halben Jahrhundert die Frage nach Besitzansprüchen und einer Rechtsprechung außerhalb unseres Planeten völlig ungeklärt sind. Man stelle sich nur einmal vor, auf dem Mond klaut eine Chinesin einem Amerikaner die zweite Sauerstoffflasche im Mond-Café, woraufhin dieser verröchelt, aber ein indischer Ermittler verliebt sich in die Taikonautin, die vehement einen russischen Agenten beschuldigt. Die juristische Frage lautet: darf der japanische Staatsanwalt die heiße Witwe des Amerikaners zum Mondkalb-Burger einladen, ohne sich zu kompromittieren? Oder lass mal irgendjemanden auf die Idee kommen, auf dem Mond so eine Art »NoAirbnbNoTM« zu starten. Wie soll sich eine Hausgemeinschaft gegen die illegale Vermietung an Partytourist:innen wehren, die jede Mondnacht bis um drei den Krater zum Beben bringen – und eine Mondnacht dauert bekanntlich 14 Erdentage!
Viele weitere Informationen dieser Art finden sich seit Neuestem im Zukunftsmuseum, in der Abteilung »Raum und Zeit« im 3. Obergeschoss, gleich neben der Raumkapsel »Foton 1«. Hier können Besucher:innen aller Alters- und Größenklassen verschiedene Szenarien einer Besiedelung des Mondes durchspielen und sogar darüber abstimmen, wie wir Menschen den Mond am besten behandeln sollten. Diskutiert wird erstens der Mond für Alle (»Weltmond«), zweitens ein quasi ungeregelter Ausbeutungswettlauf (»Moon rush«) und drittens die Ausweisung eines Naturschutzgebietes im Weltall (»Mond pur«). Übrigens: Letztere Option, den Mond einfach komplett in Ruhe zu lassen, findet gar nicht mal so wenig Zuspruch.
Wer Lust hat, sich weiter in diese und weitere Fragen solcher Art zu vertiefen, kommt im Nürnberger Zukunftsmuseum auf seine/ihre Kosten – definitiv! curt-Tipp für mondsüchtige Technologie-Fans: vier von fünf Sternen.
Und allen anderen sei gesagt: es schadet nie, sich rechtzeitig zu informieren, ehe da oben das große Spektakel losgeht.
___
Zukunftsmuseum / Deutsches Museum Nürnberg
Seit 23. Oktober neu in der Dauerausstellung: RAUM & ZEIT.
#Deutsches Museum Nürnberg, #Museum, #Theo Fuchs, #Zukunftsmuseum