Möchte Nürnberg keine internationalen Studierenden haben?

DIENSTAG, 22. OKTOBER 2024

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Die bürokratische Odyssee, die eine Studentin der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg (AdBK) seit mehreren Jahren erlebt, löst Sorge um den aktuellen Zustand der regelnden Behörde aus.

Hannah Suda ist 23 Jahre alt und kommt aus Japan. Sie studiert seit Herbst 2022 in Nürnberg Freie Kunst an der AdBK bei ihrer Professorin Heike Baranowsky, und das trotz einer geradezu kafkaesken Einreisebürokratie, die sie vom ersten Tag an in allen Bereichen behindert hat. Ich habe mich mit ihr unterhalten um einen Fall zu dokumentieren, von dem man nur hoffen kann, dass er keinen alltäglichen Einblick in die Abläufe der zuständigen Behörden gibt.
Hier ist das Interview in voller Länge.

Marian Wild: Warum bist du für das Studium nach Nürnberg gekommen?
Hannah Suda: Ich habe mich an verschiedenen Kunsthochschulen beworben und am Ende in Bremen und Nürnberg eine Zusage bekommen. Da habe ich mich für Nürnberg entschieden.

M: Was war für dich in Nürnberg interessanter als in Bremen?
H: Die Akademie war sehr schön, und ich fand dort das Alltagsleben, wo alles so auf einer gleichen Ebene stattfindet, sehr angenehm.

M: Hattest du das Gefühlt hier ist eine Offenheit für internationale Studierende?
H: So habe ich das zunächst empfunden, vor allem, als ich das erste Mal in der Nürnberger Südstadt war. Da habe ich so viele tolle türkische Supermärkte gesehen, und in der Straßenbahn habe ich immer fünf Sprachen auf einmal gehört und fand das super.

M: Als du hier angekommen bist: Was war das Erste, was du mit den Behörden regeln musstest?
H: Erst einmal musste ich meinen Wohnort anmelden. Ich hatte die ersten sieben Tage noch keine Wohnung und habe immer ab sechs Uhr früh vor dem Amt für Migration und Integration der Stadt Nürnberg (früher: Ausländerbehörde) gewartet, bis 14 Uhr die ganzen bürokratischen Angelegenheiten gemacht, und bin dann wieder in mein Hotelzimmer zurückgegangen. Weil schon absehbar war, dass alles so lange dauert, habe ich sogar schon vorher damit angefangen, als ich noch in Heidelberg wohnte.

M: Du hast vorher in Heidelberg gewohnt? Wie lange?
H: Ich habe nach meiner Einreise in Deutschland für zwei Monate bei meiner Deutschlehrerin wohnen können, um von dort die letzten Bewerbungsprozesse durchlaufen zu können. Im September 2022 bin ich dann nach Nürnberg gekommen.

M: Du hast bereits im Juli und August 2022 angefangen, von Heidelberg aus die Behördenangelegenheiten für die Zeit in Nürnberg zu erledigen?
H: Ja. Weil ich per Email oder Telefon keine Antwort von der Behörde bekommen habe, wusste ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe auch mit der AdBK viel Kontakt gehabt und dort zusätzliche Dokumente für die Behörde bekommen. Dann habe ich auf meinen Gesprächstermin im Amt für Migration und Integration gewartet. Ich sollte immer warten, das hat alles nicht so viel gebracht.

M: Du hast sieben Tage hier im Hotel gewohnt. Wie hast du bis dahin alles finanziert?
H: Das ist alles bis heute finanzielle Unterstützung meiner Familie. Vor meiner Reise nach Deutschland wussten wir schon, dass ich erst mal einen Sperrkontobetrag einzahlen muss. Aber weil ich keinen Bearbeitungstermin beim Amt für Migration und Integration bekommen hatte, war das Konto noch nicht gesperrt. Da konnte ich noch automatische Auszahlungen in Anspruch nehmen, und damit waren meine Eltern auch einverstanden. Ich habe den ganzen Prozess mit den Behörden deshalb ja schon angefangen, bevor ich nach Nürnberg kam, weil mein erster Aufenthaltstitel in Deutschland mein Reisepass war. Aus manchen Ländern – unter anderem Japan, Südkorea und eine Handvoll anderer – braucht man kein gesondertes Visum, wenn man nach Deutschland kommt. Deshalb konnte ich leicht mit dem Reisepass nach Deutschland einreisen, aber begrenzt auf drei Monate. Zwei davon hatte ich dann schon in Heidelberg „verbraucht“, also blieb mir ja offiziell nur noch ein Monat übrig. Das hat mich belastet.

M: Du hattest also für drei Monate eine Aufenthaltsgenehmigung als Tourist, das ist in Japan umgekehrt mit deutschem Pass auch so. Nach den drei Monaten hättest du also direkt die Aufenthaltsgenehmigung für dein Studium gebraucht, richtig?
H: Ja.

M: Als diese drei Monate abgelaufen waren, was ist geschehen?
H: Das war der Punkt, der meinen Bewerbungsprozess so komplex gemacht hat. Ich wusste damals schon von Freunden, dass die Anmeldung des benötigten Aufenthaltstitels sehr lange dauern kann.

M: Hast du dann in Nürnberg Post von der Behörde bekommen?
H: Erst mal musste ich die Einwohneranmeldung hinkriegen. Mit der konnte ich mich dann theoretisch für den Aufenthaltstitel anmelden. Deswegen habe ich erst mal abgewartet. Und dann kam relativ schnell, nach etwa einer Woche, ein Brief, der die Anmeldung bestätigt hat. Damit konnte ich mich auch an der Akademie immatrikulieren. Also, bis ich mich überhaupt für den Aufenthaltstitel anmelden konnte, war es Mitte September.

M: Also war das nur ein paar Wochen vor Semesterbeginn. Stand in dem Brief, was du als Nächstes zu tun hast?
H: Ja. Das kam mit meiner Fiktionsbescheinigung, das ist so etwas wie ein vorläufiger Pass. Als ich es bekommen habe, stand da, dass ich erst mal eine Weile warten muss, bis der aktuelle Aufenthaltstitel kommt. Ich habe das so verstanden, dass mein Studentenvisum und die Fiktionsbescheinigung zusammen mit dem Reisepass mein aktueller Aufenthaltstitel sind.

M: Jetzt hast du diesen Pass bekommen und dich immatrikuliert. Du bist dann irgendwann von dem Hotel in ein Studierendenwohnheim gezogen, richtig? War das kurz danach, gleich zu Beginn des Studiums?
H: Mit der Einwohneranmeldung.

M: Also auch im September. Gab es da ein Problem, etwas zu mieten?
H: Ich habe mich damals auf über hundert Plätze beworben, und der einzige Ort, wo ich Antwort bekommen habe, war das Studentenwohnheim vom Studentenwerk. Ich kann das nicht sicher sagen, aber es kann natürlich sein, dass viele private Vermieter ungern internationale Studierende annehmen, weil sie keinen Aufenthaltstitel haben. Ohne Wohnsitz kann ich aber ja auch keine Einwohneranmeldung machen, und ohne Anmeldung den Titel nicht beantragen.

M: Ich sehe hier jetzt so eine Fiktionsbescheinigung das erste Mal in echt, weil ich ja meinen regulären deutschen Personalausweis und Reisepass habe und dadurch so etwas noch nie gebraucht habe. Was bedeuten die Angaben?
H: Es gibt auf dieser Bescheinigung drei Kästchen, die vom Amt angekreuzt werden können, und die Konditionen sind je nach Kreuzchen jeweils sehr unterschiedlich. Die Kondition, die bei mir angekreuzt wurde, ist die einer Person, die auf ihren richtigen Aufenthaltstitel wartet, die also tatsächlich davor keinen gültigen Aufenthaltstitel in Deutschland hatte und ihn aber pünktlich angemeldet hat. Das zweite Kreuzchen ist fast das gleiche, nur dass die Person ihren Aufenthalt nicht pünktlich angemeldet hat, das ist von den dreien quasi der schlimmste Fall. Die dritte Kondition ist die beste: Sie besagt, dass die Fiktionsbescheinigung eigentlich nur die Brücke ist, zwischen einem bestehenden Aufenthaltstitel zu einem neuen Titel, und dass der neue Titel bald kommt. Das wird zum Beispiel angewendet, wenn man von einer Ausbildung zum Studium gewechselt hat. In dem Fall darf man auch reisen.

M: Du darfst mit diesem Aufenthaltstitel nicht arbeiten, seit 2022. Wie finanzierst du dein Leben?
H: Also meistens unterstützt mich meine Familie. Meine Familie ist nicht reich. Und dazu kam die riesige Inflation nach der Pandemiezeit. Das ist ungefähr ein Plus von 60 %, so viel haben meine Lebenshaltungskosten zugenommen. Außerdem bewerbe ich mich auf Stipendien oder bei Stiftungen. Und natürlich habe ich auch in Japan nach Studienstipendien gesucht, aber weil ich nicht in Japan studiere, gibt es fast keine Stelle, wo ich mich bewerben kann.

M: Wenn du keine Unterstützung von deiner Familie hättest, könntest du dann hier studieren?
H: Nein.

M: Etwas später wurde er ungültig gestempelt, wie ich hier auf dem Pass sehen kann.
H: Ungültig geworden ist er Anfang November. Da war meine erste Studienexkursion an der Akademie. Damals habe ich das wohl nicht genau verstanden, was ich nun machen kann und was ich nicht darf. Deswegen bin ich mit meiner Klasse auf Exkursion in den Kosovo gefahren.

M: Aber theoretisch hättest du es nicht gedurft? Du kannst also mit diesen Unterlagen Teile deines Studiums gar nicht durchführen? Gerade Exkursionen außerhalb Deutschlands sind ja ein zentraler Teil des Kunststudiums.
H: Diese Regelung kannten auch die anderen Studierenden in meiner Klasse nicht. Ich habe einen Kommilitonen, der auch wie ich eine Fiktionsbescheinigung hatte, aber er hatte eben andere Konditionen. Ich habe andere gefragt, ob es ok wäre, dass ich auf die Exkursion mitkomme. Aber dann frage ich meistens deutsche Freunde, die all das noch weniger als ich kennen. Den Ungültigkeitsstempel habe ich am deutschen Flughafen Memmingen bekommen, als ich mit der Klasse in den Kosovo ausgereist bin. Da habe ich die Zusage bekommen von der dortigen Kontrollperson, dass ich auch wieder einreisen darf. Aber natürlich sind die Kontrollpersonen nicht jedes Mal die gleichen. Deswegen war es knapp, ich durfte fast nicht zurück ins Land kommen.

M: Also ich fasse das nochmal zusammen: Du bist im Rahmen einer Studienexkursion ausgereist in den Kosovo, bei der Ausreise hat man deine Bescheinigung ungültig gestempelt und bei der Einreise zurück hat man dich am Flughafen zur Seite genommen?
H: Ich wurde bei der Rückreise für etwa 20 Minuten dortbehalten und musste mich erklären. Da wurde ich natürlich wegen dieses „Ungültig“-Stempels gefragt und ich habe erklärt, wie es dazu kam. Ich glaube, der Kontrolleur kannte so einen Fall nicht, so wie er reagiert hat. Kommilitonen aus meiner Klasse haben dann auch nochmal alles für mich erklärt und irgendwann war er dann einverstanden und hat mich reingelassen.

M: Diese Reise in den Kosovo war eine Exkursion der Akademie? Eine offizielle Lehrveranstaltung?
H: Genau, ja.

M: Die Fiktionsbescheinigung wurde also ungültig gestempelt. Wie lange hat es gedauert, bis du die neue Bescheinigung hattest?
H: Das ging auch relativ schnell. Sie war etwa nach einer Woche da.

M: Mit anderen Worten, das Amt für Migration und Integration kann zügig reagieren, wenn es möchte. Dann hast du die neue Fiktionsbescheinigung bekommen, im November 2022. Was war der nächste Moment, als du mit dem Amt für Migration und Integration in Kontakt treten musstest, und warum?
H: Ich habe genau das nachgefragt, als ich die neue Fiktionsbescheinigung angemeldet habe. Da musste ich auch wieder um sechs Uhr in der Schlange stehen und warten. Die Mitarbeiterin meinte damals, dass ich mindestens acht Wochen warten muss, dass es generell so lange dauern wird, sie aber nichts garantieren kann. Ich habe natürlich die acht Wochen abgewartet. Aber wegen der Inflation wollte ich so schnell wie möglich einen Minijob anfangen. Ich dachte mit der Fiktionsbescheinigung konnte ich schon arbeiten. Ich habe dann mit einer Freundin zusammen meine Dokumente geprüft und dann hat sie entdeckt, dass da „Erwerbstätigkeit nicht möglich“ steht.

M: Das bedeutet, im Grunde hast du keine Erlaubnis, mit dieser Fiktionsbescheinigung deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?
H: Genau. Die Freundin, die aus Südkorea ist, meinte, dass ich die Behörde um ein Zusatzblatt bitte könnte, mit dem ich dann arbeiten darf.

M: Das hast du versucht?
H: Ja, ich habe es zweimal versucht. Also ich hatte zwei Gespräche mit Mitarbeitenden im Amt, aber da wurde mir nur gesagt, dass ich einfach noch ein bisschen warten muss. Ich habe dann eine Emailadresse erhalten von einer Freundin an der Akademie, die ihr Visum erfolgreich erhalten hat. Als ich dann mit Silvan Wilms von der Studierendenvertretung der AdBK Nürnberg dort war, war die Ansprechpartnerin wieder eine andere Mitarbeiterin. Sie hat bei mir angerufen, wegen eines letzten benötigten Dokuments, aber das war sehr komisch: Auf dem Handy stand nicht „Amt für Migration und Integration“ als Anrufer, sondern die Telefonnummer einer städtischen Stelle. Die Nummer war mir auch unbekannt, deshalb habe ich nicht begriffen, dass das überhaupt ein Kontaktversuch des Amts für Migration und Integration ist.

M: Wann hat sich das Amt für Migration und Integration das nächste Mal bei dir gemeldet?
H: Die Einladung für ein Gespräch kam im März 2024.

M: Du hast von Weihnachten 2022 bis März 2024, also für rund 15 Monate (!), nichts vom Amt für Migration und Integration gehört?
H: Nein, wirklich gar nichts, außer wenn ich selber nachgefragt habe. 2022 wurde mir gesagt, ich solle acht Wochen warten.

M: Es hat aber dann fast eineinhalb Jahre gedauert.
H: Ja.

M: Ein Regelstudium an der Akademie dauert etwa vier Jahre. Das heißt du hattest zu dem Zeitpunkt dann schon drei Semester studiert?
H: Ja. Ich habe auch schon mein Vordiplom bestanden, also ich bin fast zur Hälfte mit dem Studium fertig.

M: Du bist also zur Hälfte mit dem Studium fertig, darfst bei Exkursionen ins Ausland nicht teilnehmen, und bei dem Antrag, der eigentlich etwa acht Wochen dauern sollte hat es 15 Monate gebraucht, bis du überhaupt eine Einladung zum Gespräch bekommen hast? Und das ist in einer Behörde passiert, die dir zweimal innerhalb von sieben Tagen eine Fiktionsbescheinigung ausstellen konnte?
H: Ja.

M: Das ist schon bemerkenswert. Was stand genau in dem Brief, den du im März erhalten hast?
H: Dass ich einige Dokumente vorbereiten und zusammensuchen soll. Unter anderem die Sperrkontobestätigung, meinen Mietvertrag und meine Einwohnermeldungsbestätigung.

M: Was genau ist ein Sperrkonto?
H: Ein Sperrkonto ist ein besonderes Bankkonto, das internationale Studierende besitzen müssen. Auf das Konto kann man Geld überweisen, auch aus dem Ausland, aber der Zugriff darauf ist dann eingeschränkt. Man kann das Geld nicht einfach selber abheben.

M: Die finanzielle Unterstützung, die du aus Japan bekommst, landet auf diesem Sperrkonto?
H: Ja. Und ich hatte so ein Sperrkonto mit automatischer Auszahlung, das immer einen festgelegten Betrag auf mein normales Bankkonto schickt, damit ich eben regelmäßig meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Der aktuell von der Behörde abverlangte Sperrkontosbetrag ist 11.208 Euro, und das habe ich extra mit meinen Eltern besprochen und alles genauso aufgeladen. Seit dem 01.09.2024 gilt der erhöhte Betrag von 11.904 Euro.

M: Als du nach Nürnberg gekommen bist, hat deine Familie also auf das Sperrkonto einen hohen Betrag eingezahlt, und monatlich fließt dann ein bestimmter Betrag auf dein normales Konto hier in Deutschland, das kannst du dann abheben? Ist das so richtig?
H: Ja. Und die Behörde verlangt einen Mindestbetrag für internationale Studierende auf dem Sperrkonto. Das sind 934 Euro pro Monat, seit dem 01.09.2024 sind es 992 Euro. Aber das war mehr als genug für meine Lebenskosten, deshalb habe ich den monatlichen Abfluss vom Sperrkonto verringert, um Geld zu sparen.

M: Bedeutet das auch, alles, was man mit dem Sperrkonto tut, muss die Behörde genehmigen?
H: Nein eigentlich nicht. Die Behörde prüft, soweit ich weiß, einmalig, ob die Vollsumme auf dem Sperrkonto liegt.

M: Das Geld, das auf dem Sperrkonto liegt, ist alles, was du hier in Deutschland zur Verfügung hast, richtig?
H: Ja. Und da gibt es eine Erklärung, warum der Erstbetrag so hoch ist: Man muss die Lebenskosten für ein Jahr bestreiten können.

M: Das bedeutet, weil du jeden Monat Unkosten hast und Miete zahlen musst, wird sich logischerweise der Betrag auf dem Sperrkonto jeden Monat verändern.
H: Ja.

M: Du musstest der Behörde melden, wie hoch der Betrag auf deinem Sperrkonto ist, richtig? Wann war das?
H: Das war im April 2024.

M: Und jetzt, im August, hast du einen Brief erhalten, dass der reale Betrag nicht übereinstimmt mit dem auf dem Sperrkonto.
H: Ja, weil jetzt weniger Geld auf dem Sperrkonto war als im April.

M: Weil du zwischen April und August Unkosten hattest und jeden Monat deine Lebenshaltungskosten und die Miete zahlen musstest.
H: Genau.

M: Das heißt, weil die Behörde so langsam gearbeitet hat und nach deiner Meldung des Kontostands drei Monate gebraucht hat, um den Kontostand gegenzuprüfen, hat dieser Betrag jetzt nicht mehr übereingestimmt.
H: In diesen eineinhalb Jahren, in denen die Behörde sich nicht gemeldet hat, haben meine Eltern diesen Betrag immer wieder aufgeladen, weil ich Angst vor so einem Fall hatte und nicht wusste, wann die Überprüfung stattfindet. Im April lag eine große Summe auf dem Konto, aber der Betrag ist unter der Hälfte dessen gewesen, was die Behörde gefordert hat, deshalb haben meine Eltern wiederum die fehlende Hälfte innerhalb von zwei Wochen aufgeladen, das sind ja mehrere tausend Euro. Aber wir haben das sehr schnell erledigt. Und dann habe ich im August diesen Brief bekommen, dass nun wieder nicht genug Geld auf dem Konto liegt.

M: Insgesamt, seit Oktober 2022: Wie viel Geld ist auf dieses Konto insgesamt transferiert worden?
H: Also der Vollbetrag ändert sich auch immer wieder von Seiten der Behörde. Als ich nach Deutschland kam, wurden noch ungefähr 9.334 Euro als jährliche Sicherheit verlangt, inzwischen sind es etwa 2.000 Euro mehr.

M: Also müssen aktuell jedes Jahr ca. 11.300 Euro von deinen Eltern auf dieses Konto überwiesen werden?
H: Genau. Ich denke im April hat die Prüfung  aus verschiedenen Gründen nicht geklappt: einerseits wegen der langsamen Bearbeitungsprozesse im Amts für Migration und Integration, und andererseits wegen dieser speziellen Art des Sperrkontos mit den automatischen Auszahlungen. Die Kombination dieser beiden Faktoren war sehr schlecht. Also da habe ich auch überlegt, die andere Bankoption zu versuchen, also dass es gar keinen Zugriff auf das Konto gibt, aber das konnte ich mir damals nicht leisten, und kann es auch jetzt nicht, weil ich ja nicht arbeiten darf.

M: Der Betrag, der ja die Absicherung deines Lebensunterhalts sein soll, müsste also dauerhaft über all die Monate und eben ggf. Jahre eingefroren sein, damit die Behörde immer den gleichen Kontostand vorfindet. Und dein eigentlicher Lebensunterhalt müsste dann trotzdem noch von deinen Eltern finanziert werden. Also müsste deine Familie die Lebenshaltungskosten doppelt zahlen.
H: Den ersten Jahresbetrag hab ich tatsächlich noch selbst zu etwa 90% aufladen können, mit Geld, dass ich in Japan in der Altenpflege verdient und zurückgelegt hatte. Als ich mich noch auf das deutsche Studium vorbereitet habe, habe ich unter der Woche über Tag in der Altenpflege und als journalistische Assistentin gearbeitet und eben mit dem Geld das Sperrkonto aufgeladen und Deutsch-Abendkurse gemacht. Als ich dann eingereist bin hatte ich so geplant, dass dieser Sperrkontoprozess etwa Anfang 2023 spätestens beendet sein sollte, damit ich dann hier einen Minijob anfangen und 525 € pro Monat selbst verdienen kann. Das sind schonmal rund 80% von dem, was ich monatlich brauche.

M: Es ist unglaublich, wie schwer diese Behörde einem das macht. Gibt es dadurch, dass dieser Kontostand jetzt nicht übereingestimmt hat, jetzt konkrete Nachteile für dich?
H: Ich habe mich tatsächlich hier in Nürnberg schon auf zwei Minijobs beworben, und ich hätte die auch gekriegt. Aber den Arbeitsstellen habe ich auch erklärt, dass ich eben noch auf den Aufenthaltstitel warten muss und gefragt, ob die mich nicht als Unternehmen mit dem Visums-Problem unterstützen könnten. Aber die können da auch nichts machen.

M: Also der Nachteil ist einfach, dass du eben immer noch nicht arbeiten darfst.
H: Ja, und am Telefon hat mir die Ansprechpartnerin der Behörde gesagt, dass ich das Visum schneller haben könnte, wenn ich einen Arbeitsvertrag hätte.

M: Aber den Arbeitsvertrag bekommst du nicht, solange du kein Visum hast?
H: Ja.

M: Hast du an anderen Stellen auch versucht Hilfe zu bekommen? Also z. B. bei der japanischen Botschaft?
H: Ja, das habe ich versucht. Aber die japanische Botschaft kann da nicht helfen. Man kümmert sich dort um japanische Aufenthaltstitel, nicht um deutsche. Ich habe auch, als ich so lange keine Antwort bekam, die Flüchtlingshilfe um Rat gefragt. Da hat man mir gesagt, dass deren Eingreifen es womöglich noch schlimmer macht, wenn ich mit ihnen das Amt für Migration und Integration kontaktiere und nachfrage, weil der Ablauf dadurch noch mehr verzögert werden kann.

M: Wie genau ist jetzt deine aktuelle Situation?
H: Weil ich schon zur Hälfte mit dem Studium fertig bin, überlege ich ob ich überhaupt hier weiter studieren sollte. Ich habe schon einen anderen Versuch angefangen, und zwar, dass ich in eine andere Stadt ziehe und dort diesen Prozess vielleicht nochmal probiere. Jetzt im Oktober ziehe ich nach Halle, und dort will ich es nochmal neu probieren. Die Wohnortänderung habe ich schon gemacht und ich habe auch einen Online-Job als Japanischlehrerin und schreibe für japanische Medien über meine Erfahrungen. Ich finde es aber etwas schade, dass ich zwar hier in Deutschland bin, dann aber in meinem Zimmer so abgekapselt bleibe bei der japanischen Arbeit. An dem Tag, an dem ich aus Nürnberg auszog, erhielt ich einen Brief vom Amt für Migration und Integration. Die E-Mail trug die Überschrift „Abschiebungsandrohung“. Ich hatte mich seit fast zwei Jahren ohne Visum in Deutschland aufgehalten, und da ich die Bedingungen meines letzten Gesprächs nicht erfüllt hatte, war die Stadt berechtigt, meine Abschiebung zu beantragen, wenn ich keine weiteren Beweise vorlegen würde. Die Frist für die Einreichung aller Unterlagen war die erste Oktoberwoche.
Ich dachte, ich hätte meine Bestätigung eingereicht und alle Formalitäten erledigt, aber nach meinem Umzug erhielt ich wiederum eine E-Mail von dieser Behörde, in der ich aufgefordert wurde, mich als Einwohnerin umzumelden. Ein Freund half mir dabei, und nach einem kurzfristigen Telefonat konnte meine Ansprechpartnerin die Frist ganz einfach verlängern.




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