Homesick Cowboys auf der Tafelhallenbühne: Eva Borrmann im Nostalgia-Interview

FREITAG, 17. JANUAR 2025, TAFELHALLE

#Eva Borrmann, #Nostalgia, #Plan Mee, #Premiere, #Tafelhalle, #Tanz

Zwei widerstreitende Gefühle: Das eine zieht uns in die Ferne, wo dann sofort die Heimat flehentlich nach uns ruft. Die Tänzerin und Choreografin Eva Borrmann hat sich für ihre jüngste Arbeit Nostalgia mit Fern- und Heimweh auseinandergesetzt. Als Preview war Nostalgia bereits in der Kulturwerkstatt zu sehen, die Premiere gibt’s dann im Januar in der Tafelhalle. curt sprach mit Eva über die Recherche, das Team aus Locals und die Frage, ob es Fernweh überhaupt gibt.

CURT: Hi Eva, dein neues Stück, Nostalgia, handelt von Fern- und Heimweh, warum war dieses Thema dir genau jetzt wichtig?
 
EVA BORRMANN: Wir haben das in unseren Interviews als Frage formuliert: Wenn du dich entscheiden müsstest, eher Fern- oder Heimweh? Ich selbst habe mir diese Frage prinzipiell gestellt, weil es so viele Menschen gibt, die diese Sehnsucht nach der Ferne haben, und rauswollen. Nach der Recherche würde ich aus meiner persönlichen Sicht behaupten, dass Fernweh immer etwas von außen Konstruiertes ist, um den Konsum anzuregen. Das heißt, selbst in der Ferne suchen wir immer ein Zuhause. Das ist etwas, was mich grundsätzlich beschäftigt und eine Grundfrage des Menschen.
 
Wie würdest du die Frage für dich beantworten?
 
Wie gesagt, ich glaube ich würde antworten, dass es dieses Gefühl von Fernweh gar nicht gibt, aber die Suche nach einer Heimat in der Ferne. Insofern müsste ich mich für Heimweh entscheiden. Man fühlt sich ja auch manchmal fremd in der Heimat, manchmal gerade in Nürnberg ...
 
Geht es dir so mit Nürnberg?
 
Es gibt schon Orte auf der Welt, in denen mehr durchfließt an Kultur von außen oder auch an großen Projekten. Produktionen oder Menschen, die meine Sicht auf Theater verändert haben, die habe ich in Nürnberg nicht wirklich getroffen, deshalb ist es mir auch so wichtig, viel im Außen zu sein.
 
Ihr habt der Arbeit eine Recherche vorangestellt, wie seid ihr da vorgegangen, wie lange hat diese Arbeit gedauert?
 
Wir haben uns im Februar erstmals besprochen und dann von April bis Juni Interviews geführt. Und zwar mit verschiedensten Leuten: Ein Groundhopper, der in 187 Ländern war, ein 8-jähriges Kind, das Fernweh gar nicht kennt, eine christliche Person, die Fernweh nach dem Jenseits hat, eine junge Frau, Anfang 30, die sich viel mit Fernweh beschäftigt und viel auch alleine reist, eine junge Frau aus dem Iran, die ihre Heimat verlassen musste, um sich überhaupt in Freiheit entwickeln zu können, eine 75-jährige Aussteigerin, die wir in Sizilien getroffen haben, ein Flugbegleiter, der sehr stark an Heimweh leidet, ...
 
Wie habt ihr diese Leute gefunden?
 
Das sind alles Menschen, nicht aus unserem Innser Circle, aber zwei, drei, vier Kreise entfernt. Teilweise kamen da wunderschöne Aussagen, wie wenn der Groundhopper sagt, er findet diese Idee, sich auf Reisen selbst zu finden romantisch und daran glaubt er nicht. Oder die junge Iranerin, für die es um Freiheit geht und die uns sagt, sie malt immer ein Bild von sich in der Zukunft, damit geht sie mit dem Heim- und Fernweh um.
 
Kennst du selbst das Heimweh?
 
Ja, aber das ist weniger an einen Ort gebunden, sondern viel mehr an Aktivitäten und Momente, die man mit Menschen hatte, die schon verstorben sind und an die Rituale, die man aufrecht erhält, um das Gefühl zu stillen. Wir sind in der Produktion sehr stark bei dieser Frage geblieben, weil wir nicht anfangen wollten mit, was ist Heimat?
 
Robert “Krupski” Krupa hat aus den Interviews Texte gewonnen, die dann von Schauspieler:innen eingelesen wurden. Wie macht man aus einem solchen Material eine Choreografie?

 
Nostalgia ist keine durchgehende Geschichte wie die Stücke zuvor, sondern eine Collage. Zu jeder Person haben wir uns überlegt: Was liegt unter dem Text, was ist der, vor allem körperliche, Subtext, was wurde noch nicht kommuniziert und gibt es eine Ebene, die nur körperlich verhandelt oder gezeigt werden kann? Das haben wir mit jedem einzelnen Text gemacht. Ich habe meinen Performer:innen gesagt, sie sind das Gefühlsmedium für diesen Text, sie laden sich mit diesen Geschichten auf und versuchen, diese körperliche Ebene wiederzugeben. Und wir haben damit gearbeitet, dass ich ihnen gesagt habe: Ihr seid Homesick Cowboys. Fernweh ist euer Job, unterwegs zu sein, das auszuhalten, aber im Herzen kennt ihr das Gefühl vom Homesickness.
 
Wenn man auf die Liste der Beteiligten schaut, wird klar, wie groß dieses Projekt ist, du hast mit vielen Menschen aus der Nürnberger Kultur zusammengearbeitet. Wie hast du dieses Team gefunden?
 
Mit Daina (Kasperowitsch) arbeite ich schon lange zusammen, mit Robbie war es unser erster Versuch. Es mussten alles Menschen sein, die auch hier leben, sodass man in einen Austausch kommt und sich nicht nur ein, zwei Mal zu den Proben sieht. Die Gruppe ist sehr lokal und ich glaube, was uns ein stückweit zusammengebracht hat war, dass ich nicht nach Gemeinsamkeiten, sondern nach Diversität gesucht habe. Was uns verbindet, ist die Unterschiedlichkeit. Die Performer:innen kannte ich alle schon bis auf Julian, der über einen Open Call zu uns kam. Es sind alles Leute aus meinem näheren Umfeld.
 
Nostalgia hat in der Kulturwerkstatt bereits stattgefunden allerdings als Preview nicht als Premiere. Wo ist der unterschied, wirst du noch viel verändern bis 17. Januar?
 
Wir arbeiten noch weiter, aber an kleinen Sachen und mehr am Drumherum. Ich stelle mir beispielsweise die Frage, wie kann mein Stück weiterleben. Jorina Fricke, eine Grafikerin von Akademie, hat dazu eine Landkarte erstellt bzw. ist noch in der Entwicklung. Die Preview war ein Test, um herauszufinden, was macht da Stück aus? Wir haben festgestellt, die Menschen müssen sich sehen können und in 360 Grad um die Performer:innen herumsitzen, sonst funktioniert das Stück nicht. Es war ein großes Showing, aber wirklich viel verändern wird sich jetzt nicht mehr. Wichtig ist aber: Es verändert sich mit jedem Raum. Wir haben kein Bühnenbild und nur eine Lichtstimmung, nur Sound und Musik und jeder Raum bringt etwas Eigenes mit sich. Danach wird Nostalgia ja auch noch in Münster und Leipzig gezeigt. Das wichtigste war wirklich die Erkenntnis, dass man die Zuschauenden sehen muss. Dadurch spielen sie unbewusst selbst mit.
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Eva Borrmann/PLAN MEE
Premiere: 17.01.25., Tafelhalle
www.planmee.de/works/nostalgia/
 
 
 
 




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