40 Jahre Musikzentrale: Wilde Zeiten, auch in der Geschäftsführung
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Einen Boden unter den Füßen und ein Dach überm Kopf – das soll die MUZ laut eigenem Gründungsprotokoll der Nürnberger Musik-szene geben. Unterzeichnet wurde dieses Dokument im Jahr 1984, also vor, sag bloß, jawoll, doch es ist echt so: 40 Jahren! Der, um das einmal korrekt und vollständig auszuschreiben, Musikzentrale – Verein zur Förderung der Nürnberger Musikszene e.V., feiert einen runden Geburtstag und ist dank ständiger Selbstneuerfindung und Erweiterung der eigenen Aufgabenfelder längst kein alter stillgelegter Tanker, sondern immer noch jung und wuselig und wahrscheinlich wichtiger denn je. Die MUZ betreut rund 450 Mitglieder, steht beratend in allen Fragen des Musiker:innenlebens zur Seite, vermietet selbst Proberäume, verleiht die notwendige Technik und einen Tourbus, betreibt ein Tonstudio und natürlich den unersetzlichen MUZclub. Vor allem aber macht sie Lobbyarbeit, baut Brücken zu Politik und Verwaltung und setzt sich zum Beispiel für mehr Proberäume und bessere Förderstrukturen ein. Eine Nürnberger Popmusiklandschaft ohne die MUZ – man kann und mag sich das gar nicht vorstellen. Wir reden mit Geschäftsführer Sebastian Wild über das Geburtstagskind.
CURT: Lieber Sebastian, ich habe geschrieben, vor allem macht die MUZ Lobbyarbeit für die Szene. Würdest du das so unterschreiben, dass eure wichtigste Arbeit diese Hinter-den-Kulissen-Arbeit ist?
SEBASTIAN: Erstmal danke für die wertschätzenden Worte zur Einleitung, Andreas! Die verschiedenen Angebote und Säulen der MUZ, die du ja bereits angesprochen hast, nehmen saison- und phasenbedingt unterschiedlich viel Raum und Kapazitäten in Anspruch. Die Lobbyarbeit ist dabei auf jeden Fall ein wichtiger Pfeiler, denn es geht ja darum, auf verschiedenen Ebenen an einem fruchtbaren Nährboden für die Musikszene in ihrer ganzen Breite zu arbeiten. Wir wollen langfristig dazu beitragen, ein gutes Umfeld und gute Rahmenbedingungen für (Musik-) Kultur zu schaffen und zu etablieren, speziell auch für den Nachwuchs.
Du bist selber seit dreizehn Jahren bei der MUZ, seit sechs Jahren Geschäftsführer. Wie sehr unterscheidet sich die MUZ von 2011 von der heutigen?
Nach Bezug der Geschäftsstelle in Gostenhof und der Eröffnung des MUZclubs in 2007 ist die MUZ zunächst relativ schnell gewachsen, sowohl was die Anzahl der Mitglieder, als auch die der festen Mitarbeiter:innen und der angebotenen Projekte und Serviceleistungen angeht. In den letzten circa zehn Jahren standen dann Konsolidierung und Professionalisierung im Vordergrund. Ehrenamt spielt bei uns weiterhin eine tragende Rolle, aber ohne einen festen und fachlich fitten Personalstamm wäre unsere Arbeit so nicht denkbar.
Und würdest du, sofern dir das möglich ist, sagen, dass sich die Bedarfe in der Musikszene in den vergangenen 40 Jahren stark verändert haben?
Man kann über die Jahre schon eine gewisse Tendenz erkennen: Einerseits kommen manche Themen quasi nie aus der Mode, wie zum Beispiel die hohe Nachfrage nach geeigneten und finanzierbaren Bandproberäumen oder das Bedürfnis nach Livemusik, egal, ob aus Publikums-, Künstler:innen- oder aus Veranstaltungsperspektive. Andere Themen wie Streaming oder KI in der Musik standen früher natürlich noch nicht auf der Agenda, sind aber heute fester Bestandteil der wichtigen Fragen in unserem Bereich. Sie sind deshalb auch ein wichtiger Baustein unserer Fortbildungsreihe für Musiker:innen, die diesen Herbst wieder startet. Außerdem ist das Bewusstsein innerhalb der Musikszene für Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität oder Inklusion heute wesentlich höher. So gibt es eigentlich durchgängig eine lebendige Mischung aus Konstanz und Wandel im Hinblick auf die Bedarfe.
Was ist speziell top an Popmusik und der Popmusikszene in Nürnberg und was funktioniert konkret besonders mies?
Das Besondere an der Szene in Nürnberg ist der bemerkenswert hohe kreative Output, die vielen unterschiedlichen Nischen und Ausprägungen und die wirklich hohe Anzahl an Aktiven. Wir haben etwa 2000 Bands und Acts hier, eine gute Livemusikkultur und spannende Spielorte, die oft mit viel Hingabe und Herzblut betrieben werden, das ist schon bemerkenswert. Leute aus anderen Städten sind immer wieder positiv überrascht, was Nürnberg in Sachen Musikszene alles zu bieten hat. Allerdings passiert auch viel unter der Oberfläche und man muss ein bisschen suchen und entdecken wollen, es ist sehr heterogen. Guttun würden uns in Nürnberg ein paar mehr richtig erfolgreiche Labels und Bookingagenturen, die auch überregional und international relevant sind. Auch die bestehende Medienlandschaft könnte aus Sicht der Musikszene mehr hergeben – das curt Magazin hier übrigens explizit ausgenommen. Man stelle sich zum Beispiel vor, die „Visions“ oder der „Musikexpress“ wären in Nürnberg ansässig.
Was war der größte Schritt der MUZ – und, um das offensichtliche vorweg zu nehmen, mit Ausnahme der Eröffnung des MUZclubs?
Die 80er- und 90er-Jahre waren für die Musikzentrale eine bewegte Zeit, die viel von ehrenamtlicher Aufbauarbeit geprägt war. Neben den Chance-LPs aus der Gründungsphase wäre sicher auch die Eröffnung des Proberaumzentrums im Nürnberger Jakobstorbunker 1986/87, die Umsetzung des Zentralnervs als Vereinszeitschrift mit knapp 120 Ausgaben oder die Mitwirkung an der Gründung der Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl zu nennen – neben vielen anderen Meilensteinen. In die Zeit seit dem Jahrtausendwechsel fällt zum Beispiel die Eröffnung des Proberaumzentrums in der Dianastraße 2004, die generelle Neukonzeption und -organisation 2006/07, die feste Etablierung des Tourbus-Angebots für die Musikszene, die Eröffnung der Proberäume im Kraft-Werk Erlangen, die Gründungsphase der Kulturliga als Regionalverband der freien Musikspielstätten und nicht zuletzt auch die Beteiligung der MUZ an der Betreibergesellschaft des Z-Bau, mitsamt der umfassenden vorbereitenden Phase. Mit dem Bonsai Festival haben wir gemeinsam mit der Jugendkultureinrichtung Luise ein neues Format für die junge Popkultur geschaffen, das nach inzwischen drei Ausgaben an der Wöhrder Wiese jede Menge Beteiligte und Ehrenamtliche um sich schart. Und spannend waren natürlich auch unsere Veranstaltungen in der Kongresshalle letztes und dieses Jahr, sowie der gesamte Prozess in Bezug auf die geplanten Ermöglichungsräume in der Kongresshalle, den wir aktiv begleiten. Du merkst, es fällt nicht ganz leicht, eine Auswahl zu treffen. Wichtig ist mir aber zu betonen, dass all die Angebote, Veranstaltungen und Projekte natürlich niemals alleine, sondern immer nur zusammen mit einer Vielzahl an tollen Partner:innen und Unterstützer:innen möglich sind. Daher an der Stelle ein ganz großer, herzlicher Dank an alle, die sich – egal in welcher Rolle – in den letzten 40 Jahren für die MUZ engagiert, eingebracht und eingesetzt haben!
Du selber bist ja nun nicht der Schnapsausschenker an der Bar und auch nicht der Programmmacher mit Standleitung nach London oder so, sondern eben der Geschäftsführer. Was ist das allerschönste an deinem Job?
Bei mir laufen alle Bereiche zusammen, das find ich super. Ich kann zudem in meinem Job der Musik und der Kultur in der Ernsthaftigkeit nachgehen, die ich schon immer darin gesehen hab. Dazu sehe ich es als großes Privileg, eine sinnvolle, gemeinwohlorientierte Tätigkeit ausüben zu dürfen. Außerdem habe ich eine Vorliebe für Exceltabellen. (lacht)
Und was ist das allerfurchtbarste am Geschäftsführersein?
Corona war wirklich keine schöne Zeit, viele in der Musikszene haben sehr gelitten und bei manchen war dann auch verständlicherweise die Luft raus. Für die MUZ war es auch nicht leicht. Gleichzeitig haben wir aber auch viel aus dieser Phase gelernt und aus der Not heraus ein paar richtig gute Projekte wie zum Beispiel den sechswöchigen „Musikspeicher“ am Spittlertor oder auch zwei Konzertreihen im Zukunftsmuseum umsetzen können. Ansonsten ist zum Glück nichts so richtig furchtbar.
Und wie geht’s der MUZ eigentlich? Seid ihr durch Fördergelder von der Stadt im Grunde immer stabil und sorgenfrei, oder ist das Gegenteil der Fall?
Der kommunale Zuschuss macht etwa ein Viertel unseres Haushalts aus, der Rest sind Eigenmittel, selbst erwirtschaftete Einnahmen, Mitgliedsbeiträge, Spenden etc. Es ist einerseits super, selbst Einnahmen generieren zu können, die dann wieder komplett dem gemeinnützigen Förderzweck zu Gute kommen, gleichzeitig ist hier jedoch das erreichbare Maximum schon mehr als ausgeschöpft. Die branchenspezifischen Kostensteigerungen seit Corona und steigende Personalkosten können wir nicht komplett aus eigener Kraft stemmen. Insofern sind wir dringend auf einen deutlich höheren kommunalen Zuschuss angewiesen. Eine Institution wie die MUZ kann die Szene nur dann gut fördern, wenn sie selbst ausreichend gefördert wird!
Um die 40 zu feiern gibt’s zwischen 23. und 26. Oktober vier Sonderveranstaltungen, natürlich mit Livemusik, aber auch mit Podiumsgespräch und Netzwerktreffen und am Ende großer Party mit großem Knall. Worauf freust du dich besonders, was hast du dir vorgenommen?
Ich freue mich darauf, dass alle zusammenkommen! Das verbindende Element ist die Musikzentrale, und jede:r hat seine oder ihre eigene Sicht darauf und Geschichte zu erzählen. Viele kennen sich vielleicht noch gar nicht und haben in dem Rahmen Gelegenheit, sich kennenzulernen und auszutauschen. Ich selbst hab mir vorgenommen, im Strudel der Organisation auch immer mal wieder innezuhalten, um es ebenfalls genießen zu können.
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Musikzentrale – Verein zur Förderung der Nürnberger Musikszene e.V
40-Jahre-Jubiläumsfeierlichkeiten mit vier Sonderveranstaltungen:
Mittwoch, 23. Oktober | Mittwochskonzert mit WEZN & Support
Donnerstag, 24. Oktober | Netzwerkkneipe und Podiumsgespräch zum Thema Popförderung
Freitag, 25. Oktober | Festakt, Grußworte, Get Together (nur mit Voranmeldung)
Samstag, 26. Oktober | Livemusik, Konzerte, Party, u.v.m.
www.musikzentrale.com
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Sebastian Wild
arbeitet seit 2011 bei der MUZ und ist seit 2018 Geschäftsführer.
Davor war er Gitarrist der legendären The Audience und Mitgründer des Labels Avantpop.
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