Uraufführung: Keine Pinguine, nirgends
Premierenkritik von Andreas Radlmaier
Alles nicht von Pappe, was da auf der aufgerissenen Kammerspiel-Bühne zwischen Umzugskartons, Vintagelampen und Topfpflanzen von diesem zukunftsverängstigten Hipsterpärchen rasant verhandelt wird. Kinderwunsch und Überbevölkerung, Klimaangst und Lovesong, „Allah-Allerletzte-Generation“ und „Baby Boomers Zombies“, Vegetariergewissen und Fleischfresserverachtung, Bärlauchpesto-Overkill und zähe Rindsrouladensonntage stehen bedrohlich Spalier im Lebenslabyrinth von Ani und Oli. Wer will, wer kann da schon dauerhaft ankommen in der Dreisamkeit, in der Gesellschaft, in der rosigen Zukunft?
Auflösungen, gar Lösungen hat die Uraufführung, die Spartenchef Jan Philipp Gloger vor seinem Abgang nach Wien an den Anfang seiner letzten Nürnberger Spielzeit stellt, nicht zu bieten. Das gilt auch für den Titel des Zweipersonenstücks. „Keine Pinguine, nirgends“ nennt der erfolgreiche Regisseur David Bösch seine eigene Vorlage, die er gleich selbst und erstmals inszeniert hat und den Titel leicht verrätselt im Hinterkopf zurücklässt. Womöglich ist die Botschaft: Pinguine können leichter aussterben als fliegen. Wie wir Menschen auch.
„Es gibt schon einen Grund, warum wir mit Brei im Kopf zur Welt kommen. Würden wir wissen, was uns erwartet, würden wir direkt schreiend in die Gebärmutter zurückkriechen“, kontert Ani burschikos ihren Freund Oli aus, als der ein Kind mit ihr haben möchte. Nichts zu machen. Überbevölkerung und der saure Geruch von Muttermilch blockieren den Kinderwunsch. Die Adoption als korrekter Alternativ-Ansatz wird ausgehebelt durch rezitierte Kommentare der leibhaftigen, minderjährigen Mutter Svenja. Sozial-Betroffenheit nach Aktenlage. Alles ganz schön kompliziert hier.
David Bösch zeichnet ein Generationsmodell, das sich grundsätzlich vom Lebensentwurf der Eltern absetzen möchte und sich verzweifelt in den Zwängen und Ängsten verkeilt. Erst die finale Trennung lässt der Paradoxie und einer Kehrtwende in der Familienplanung freien Lauf. Das Leben bleibt eine komische Erfindung.
Mit dem genau agierenden Darsteller-Paar Katharina Kurschat als resoluter Aktivistin und Nicolas Frederick Djuren als verständnisinnigen Lebenssinnsucher schnürt diese hoch aktuelle Beziehungsskizze mit Tempo und schwarzem Humor durch 70 atemlose Minuten. Bei der Premiere gab es danach rhythmischen Beifall.
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Keine Pinguine, nirgends
im Staatstheater Nürnberg, Kammerspiele
Fr, 04.10.2024, 19.30 Uhr
Mi, 09.10.2024, 19.30 Uhr
Do, 17.10.2024, 19.30 Uhr
So, 20.10.2024, 19.00 Uhr
Mi, 23.10.2024, 19.30 Uhr
Do, 28.11.2024, 19.30 Uhr
Sa, 30.11.2024, 19.30 Uhr
Sa, 07.12.2024, 19.30 Uhr
Do, 19.12.2024, 19.30 Uhr
Sa, 22.03.2025, 19.30 Uhr
Tickets unter: www.staatstheater-nuernberg.de