Unter Druck Vom Nachttopf des Kanzlers bis zum Bio-Reaktor
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Text von Andreas Radlmaier
Der Geruchssinn wird auch bedient in der Sonderschau Unter Druck. Die Geschichte der Zugtoilette, die erstmals, und damit origineller Weise, „die Geschichte der Zugtoilette“ erzählt. Zum Glück ist es aber der Geruch frischer Farbe, der den Raum im Nürnberger DB-Museum erfüllt. Der Rest liegt – beim Spaziergang vom Fäkalien-transportwagen zum mobilen Bio-Reaktor – in der Phantasie des Betrachters.
Gleich zu Beginn wird deutlich gemacht, dass das vermeintlich stille Örtchen ein ratterndes war. Da blickt man bei geöffnetem Deckel durch die berühmte Öffnung des Plumpsklos auf die Schienen, die im montierten Endlosfilm vorbeirauschen. Der Umgang mit dem menschlichen Grundbedürfnis in den Zeiten moderner Mobilität war niemals einfach. „Negative Erfahrungen“ mit der Zugtoilette gehörten zu den Grunderfahrungen der Reisenden, weiß Museumsdirektor Oliver Götze. Also zeigt sie Projektleiter Benjamin Stieglmaier auch.
„Ich bin im EC Berlin-Dresden und aus irgendeinem Grund blockiert die Tür der Toilette. Notrufsprechstelle gibt es nicht. Ich würde gerne Neustadt raus. Könnt ihr mir helfen?“ twitterte ein reichlich verzweifelter Fahrgast im April 2018. Auch nicht schlecht ist die „Bahn-Ansage des Monats“ vom Oktober 2022: „Da alle Toiletten ausgefallen sind, halten wir in Nürnberg etwas länger für eine Pinkelpause. Am Gleis gegenüber steht ein ICE, in dem Sie die Toiletten nutzen können.“
Wer den Schaden hat, kann den Spott auch gleich selber besorgen. So sind die acht buntfarbenen Themeninseln, die riesigen WCs samt Deckeln nachempfunden sind, eine Rundreise durch fast 200 Jahre Erleichterung im Zug. Zwei Jahre Recherche liegen hinter Stieglmaier, 150 Exponate aus Berlin, Hamburg, Wien und Nürnberg illustrieren den Fortschritt, den es wirklich gab und gibt.
Am Anfang waren Druck und fehlende „Abtritte“, dann folgten – weil es keine durchgehende Waggons gab – der Gepäckwagen als Notquartier (bis zum nächsten Halt), der Nachttopf im Abteil (die Leihgabe aus dem Reisezug von Reichskanzler Bismarck ist ebenso zu sehen wie der mobile Stuhl des österreichischen Kaisers) und der Schwenk in die Komfortzone des Adels: auf dem Bildschirm kann man WC und Salonwaggon des bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. erkunden und danach ein Stockwerk tiefer das Original erleben.
Man kann eigenhändig am Modell das Fallrohr-Prinzip der Zugtoilette erproben, Seifenmehl aus dem Spender drehen, im Exkurs zur indus-triellen Revolution die neue Geruchsensibilität kennenlernen und die Toilette als geheimen Ort für Flucht (aus der DDR) und für politischen Widerstand (im NS-Regime). In Zeiten der Hochgeschwindigkeitszüge verdrängte das Vakuum-WC, nachdem Probleme mit unvorteilhaftem Gegendruck in die Toilette beseitigt waren, in den 90er Jahren das alte Plumpsklo. In einem Eck steht schon das WC der Zukunft: Ein mobiler Bio-Reaktor mit Hi-Tech-Innenleben und Mikroorganismen, die menschliche Hinterlassenschaften neutralisieren.
Und wo gehen überhaupt Lokführer, wenn sie nicht streiken, auf die Toilette? Auch das löst der „Trainfluencer“ Peter Wuschansky alias „Peterle Sky“ in dieser anregenden Ausstellung auf. Verraten wird’s in curt an dieser Stelle nicht.
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Unter Druck. Die Geschichte der Zugtoilette
im DB-Museum Nbg noch bis Anfang 2025.
ÖZ: Di–Fr 9 bis 17 Uhr. Sa, So, Feiertage 10 bis 18 Uhr.
www.dbmuseum.de
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