Lars Fischer: Im akustischen Kokon

DONNERSTAG, 15. AUGUST 2024

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Interview von Tommy Wurm

Lars Fischer ist seit Jahren als Musiker und Produzent in der Nürnberger Szene unterwegs. Er war bzw. ist Mitglied bei Grand Sports, Stadt Aus Draht und Trak Trak. Warum wir beinahe nicht in den Genuss seines „Klangkollektor“-Albums gekommen wären und alles zu seiner Arbeit als Kulturschaffender, erzählt er uns in diesem Interview.

TOMMY: Hallo Lars, dein Album ist jetzt seit circa sechs Wochen am Start. Die bisherigen Reaktionen sind durch die Bank positiv. Wie fühlt es sich für dich an?
LARS: Bis jetzt fühlt es sich sehr schön und auch etwas surreal an. Es war ja ursprünglich gar nicht dafür gedacht, veröffentlicht zu werden, sondern war etwas sehr Privates. Dass jetzt durchweg so ein positives Echo zurückkommt von mir völlig fremden Menschen, auch viel aus England, ist für mich völlig unerwartet und flasht mich auch ziemlich. Ich nehme das aber gerne an, lehne mich zurück und genieße es einfach.

Das Album erscheint auf dem britischen Label Before I Die. Wie kam dieser Deal zustande?
Frank Mollena kannte Jason Boardman, der das Label führt. Die beiden halten schon eine Weile Kontakt und Jason war auch schon ein paarmal in Nürnberg zum Auflegen, er ist ein exzellenter DJ. Auf dem selben Label hat letztes Jahr auch schon die Nürnberger Band Konformer eine sehr gute Platte veröffentlicht, das kam auch über Frank zustande.

Im Zusammenhang mit deinem Musik-Alter-Ego Klangkollektor fällt immer wieder der Begriff „Field Recording“. Erkläre doch mal musik-interessierten Laien, was der Begriff bedeutet und wie Field Recording konkret in deine Arbeit einfließt.
Beim Field Recording geht man mit einem mobilen Aufnahmerekorder raus aus dem Studio und hinaus vor Ort zu den Klängen. Mittlerweile habe ich einen sehr kleinen Rekorder von OM Systems, der in jede Hosentasche passt. Deshalb kann ich ihn fast überall mit hinnehmen und nehme neben Vögeln und anderen Naturatmosphären zum Beispiel quietschende Bootsanlegestege oder blubbernde Toilettenspülkästen auf. 
Auf der Platte sind bei „Tabarka“ z.B. zwei singende Muezzine, die ich in Tunesien im Wald oberhalb der Stadt Ain Draham aufgenommen habe.

Das Album hat den Titel „Dubtapes Volume 1“. Die Dub-Einflüsse haben ja mit Acts wie z.B. Boozoo Bajou eine gewisse Tradition in Nürnberg. Welche Produzent:innen bzw. Bands haben deine Arbeit beeinflusst?
Ganz wichtig waren dafür The Orb, speziell die beiden Platten „Adventures Beyond the Ultraworld“ und vor allem „U.F.Orb“. Die habe ich in den 90ern quasi inhaliert, ohne dabei jedoch zu wissen, dass ich da auch Dub höre. Das habe ich erst Jahre später herausgefunden, als ich mich mehr mit Studiotechnik und den Dub-Klassikern wie King Tubby oder Scientist auseinandergesetzt habe.

Du arbeitest als Musikproduzent, Theater- und Filmmusiker und bist auch Mitglied in Bands wie Trak Trak und Bambi Davidson. Wie unterscheidet sich deine Arbeit im Bandkontext zu deinem Soloprojekt Klangkollektor?
Der große Unterschied ist natürlich, dass in einer Band mehrere Leute zusammenkommen und Musik machen wollen. Da gibt es dann unterschiedlichste Meinungen, Einflüsse und Erfahrungen, aus denen dann die Musik entsteht. Speziell bei Trak Trak ist das ein richtiger kultureller Schmelztiegel, der immer wieder zu interessanten Ergebnissen führt, auf die man alleine gar nicht gekommen wäre.
Beim Soloprojekt muss man im Gegensatz zu einer Band keine Kompromisse mit anderen eingehen. Das ist sehr schön und auch befreiend, allerdings bleibt auch alle Arbeit bei einem selber hängen, haha. 

In der Info zu deinem Album steht, dass Frank Mollena eher zufällig beim Mixing der letzten Trak Trak-Platte auf die Roughmixe deines Soloalbums gestoßen ist und dich ermutigt hat, daran weiterzuarbeiten. Erzähl doch vom Weg der Roughmixe hin zum fertigen Album.
Als wir mit Trak Trak im Mixing Prozess waren, habe ich Frank mal meine fertigen Roughmixe von den Dubtapes geschickt. Eigentlich wollte ich nur wissen, wie er es findet und ob ich vielleicht etwas verbessern kann. Ich halte viel von seiner Meinung. Stattdessen schrieb er mir eine Woche später mehrere völlig begeisterte Whatsapps und fragte, ob er es nach England zu seinen Kontakten schicken könne. Wir machten noch einen recht audiophilen Mastermix bei ihm im Studio, anschließend schickte er es nach England. Und von dort kamen dann auch wieder völlig begeisterte Nachrichten von Jason Boardman, der fragte, ob ich mir vorstellen könnte, es zu veröffentlichen, er wolle es unbedingt auf seinem Label Before I Die herausbringen. Natürlich konnte ich das und so brachten wir es auf den Weg mit vielen E-Mails und einigen Videokonferenzen. Das wunderschöne Coverbild bekam ich von Thomas Bergner, welcher nicht nur sehr toller befreundeter Fotograf ist, sondern auch mein Nachbar. Mit ihm machte ich dann auch die Künstlerfotos. 
Drei Monate vor dem Release startete Jason dann noch eine Art Umfrage über seinen Mailverteiler. Er verschickte es an Dutzende befreundete DJs, Influencer und Plattenläden und bat um Meinungen und Feedback. Das Echo war hervorragend, es gab nur Höchstwertungen! Die Plattenläden fingen dann von sich aus an, für die Platte Werbung zu machen. Der Release im Mai lief super und läuft auch noch sehr gut! 

Du bist schon ganz schön lang als Kulturschaffender in Nürnberg aktiv und hast bestimmt einen guten Einblick in die Nürnberger Szene. Wie beurteilst du selbige?
Ich finde sie immer wieder erstaunlich vital! Hier gibt es langjährige, aber stets frische und sich immer wieder erneuernde Subkulturinstitutionen wie die Desi oder den Musikverein. Es ploppen Orte auf wie das Heizhaus oder das Stellwerk oder der Hemdendienst, bei dem ich ja auch mal mitgewirkt habe. Es gibt ein sehr innovativ gebuchtes Jazz -Festival, viel freie Subkultur in städtischen Läden wie der MUZ oder der Tafelhalle. Eine junge Kunstszene, die sich mehr mit der Musik-szene verzahnt als früher. Einen eigenen Subkulturradiosender mit Radio Z. Und so einige Festivalveranstaltungen in der Stadt, Bardentreffen, Nürnberg Pop, Brückenfest, Afrikafestival … und einiges mehr, ich habe bestimmt etwas vergessen. Es ist natürlich nicht Berlin oder London, aber ich finde, es ist doch erstaunlich viel Gutes los in Nürnberg, gegen alle Widerstände! Und das schon seit langer Zeit. Es gibt hier immer wieder viele Leute, die gerne selber etwas anpacken, statt nur zu konsumieren und das finde ich gut! 

Wie bei allen Interviews dieser Reihe möchte ich dir die Frage stellen, inwieweit die beängstigende politische Lage Einfluss auf dein kreatives Schaffen hat?
Darüber habe ich tatsächlich auch schon nachgedacht. Mit den Dubtapes habe ich, glaube ich, schon versucht, mir so eine Art temporären Zufluchtsort zu schaffen. Eine Art akustischen Kokon, in den man bei Bedarf eintauchen kann, um für kurze Zeit abzuschalten und Frieden zu spüren. Jedenfalls geht es mir so, dass ich inneren Frieden spüre, wenn ich diese Musik mache und anschließend höre. Ich glaube, das überträgt sich auch auf andere. Mit Musik kann man sehr gut Emotionen zu anderen Menschen transportieren.

Werden wir in den Genuss einer Klangkollektor-Liveperformance mit dem neuen Album kommen?
Darüber denke ich natürlich auch nach! War ja überhaupt nicht vorgesehen und ist bis jetzt ein reines Studioprojekt. Ich denke, ich werde in jedem Fall eine Art DJ-Set machen, wo ich meine und andere Musik dubmixe. 
Ein Traum wäre es, das mit einer Band zu performen. Aber ich glaube, neben dem Aspekt, dass es ziemlich aufwendig wäre, es musikalisch adäquat umzusetzen, wäre es sehr schwierig, wirklich den Vibe und den Sound der Platte zu treffen. Bei Boozoo Bajou ist das ja ähnlich. Aber ich will das jetzt nicht ausschließen, dafür fände ich es zu toll, haha!

Deine Top Spots in der Region bitte.
Palmengarten, Kiosk West, griechische Cafés an der Fürther Straße, die fränkische Schweiz.

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Lars Fischer / Klangkollektor
Von 1992 bis 1999 spielte er in Jazzbands. Im Jahr 2000 begann er dann mit elektronischer Musik und produzierte 2004 seinen ersten Werbesong. 2005 gründete er die Rockband GRAND SPORTS und 2012 eröffnete er schließlich sein erstes Studio. Zwei Jahre später entstand sein Alter Ego KLANGKOLLEKTOR. Nebenbei gründet er 2017 noch die Band TRAK TRAK. Das erste Album Dubtapes Volume 1 von KLANGKOLLEKTOR erscheint 2022, Dub Tapes Volume 1 erschien am 19.05.2024.
Insta: @klangkollektor

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Dieses Interview wurde gefördert vom Medien-
support des Verbands für Popkultur in Bayern e.V.
@vpby_ @pop_aufm_schirm




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