Nürnberg ist Zukunftsmusik: Elisabeth Hartung im Gespräch

21. SEPTEMBER 2024 - 31. MAI 2025, KAUFHOF

#Kaufhof, #Kultur, #Nürnberg, #Projektbüro, #Stadt Nürnberg, #Zukunftsmusik

Der ehemalige Kaufhof mitten in der Nürnberger Fußgängerzone hat in den letzten Monaten für viel Gesprächsstoff gesorgt. MdL Markus Söder wollte es gar abreißen lassen, dem Denkmalschutz zum Trotz.
Nun hat die Stadt das Gebäude samt Parkhaus gekauft, das Gelände drum herum wird ab dem 22. September künstlerisch und kulturell bespielt – von langer Hand vom Projektbüro der Stadt Nürnberg geplant und umgesetzt. Wir haben uns darüber mit Elisabeth Hartung unterhalten, sie erklärt uns hier ihr erstes komplett neues Projekt.

CURT: Im September startet die ZUKUNFSTMUSIK – vor und neben dem ehemaligen Kaufhof-Gebäude. Wer hat das konzipiert und warum ist es wichtig für die Stadtentwicklung?
LISA: Als ich nach Nürnberg im April 2023 kam, kündigten Plakate an den Schaufenstern bereits die Schließung des Kaufhofs in der Königstraße an. Im Büro habe ich davon erfahren, dass das Bayerischen Bauministerium das Förderprogramm „Innenstädte beleben“ für Projekte in leerstehenden Kaufhöfen aufgestellt hat. Ich habe vielfältige Erfahrung mit Zwischennutzungskonzepten von Geschäftshäusern und Leerstand mit Kunst. Mit dem Wissen um die Chancen war dann tatsächlich meine erste „Amtshandlung“ als Leiterin des Projektbüros, ein Konzept zu skizzieren, das die Zukunft mit Kunst und Kultur einläuten sollte und positive Zeichen setzen für die Zukunft Nürnbergs. Städte verändern sich ständig. Wir wollen motivieren und Hoffnung auf positive Veränderung vermitteln.
Die großen Kaufhäuser haben unsere Städte erst vor wenigen Jahrzehnten verändert, kleine Läden verdrängt und die vielfältigen Funktionen von Städten einseitig zugunsten des Konsums verschoben. Es ist an der Zeit, dass Städte wieder vermehrt zu Orten werden, in denen vielfältige Erfahrungen möglich sind, in denen Gemeinschaft erlebbar wird, in denen Kunst, Kultur und Bildung ebenso Raum haben wie Konsum.
Ziel ist es, eine lebendige und integrative Kultur zu etablieren, die neue Erlebnisse ermöglicht, verbindet, inspiriert und nachhaltig wirkt. Die Vision für die ehemaligen Konsumtempel könnte ein Tempel der Erlebnisse, der Begegnung und Gestaltung sein.

Was erwartet uns?
Wir starten mit einem dichten interdisziplinären Programm, zu dem alle Nürnbergerinnen und Nürnberger eingeladen sind, am Wochenende des 21./22. September. Ein begehbarer „Förderturm“, gestaltet vom international renommierten Kollektiv raumlaborberlin, bringt Neues im Außenraum zu Tage, unterbricht gewohnte Wege und eröffnet erste ungewohnte Ausblicke. Der Künstler Raul Walch ummantelt diesen Turm mit recycelten Kleidern. In einem Inflatable – einer aufgeblasenen, begehbaren Blase – eröffnet sich ein Raum zum Innehalten, für Workshops, Lesungen und Präsentationen. Durch Graphic Recording werden Ideen & Anregungen zum Thema „Transformation des Areals mittels Kunst und Kultur“ von Passanten rund um das Kaufhof-Areal aufgenommen und grafisch in Szene gesetzt – das Ergebnis wird ein „Band voller Ideen“ rund um das lehrstehende Gebäude sein. Streetdance, Musik und akustische Klänge sowie Tape-Art, um nur ein paar Beispiel zu nennen, markieren und beleben den Ort. In den Wochen bis Ende Oktober bieten wir ein vielfältiges Programm mit Musik, Film, Poetry Slam, Video, Diskussionen. In enger Zusammenarbeit mit Institutionen und Persönlichkeiten aus zeitgenössischer Kunst und Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, Stadtplanung und öffentlichem Leben wird das Areal mitten in der Innenstadt neues Leben eingehaucht bekommen. Das Programm wird laufend aktualisiert und ist unter
www.zukunftsmusik.nuernberg.de einzusehen.

Was ist von dem ursprünglichen Konzept – damals ja mit Erschließung des Gebäudes – noch übrig?
Die Grundidee ist immer noch gültig. Die Realisierungsphase sah von Anfang an mehrere Module vor. Beginnend im Außenraum, über die Bespielung der Fassade und der Schaufenster bis zum Erdgeschoss. Es war ein langer Prozess, trotz der unsicheren Lage die Finanzierung zu sichern und überhaupt starten zu können. Schließlich machte der Insolvenzverwalter im April zunächst jegliche Hoffnung, dass wir an und im Gebäude Ausstellungen, Installationen oder Veranstaltungen realisieren konnten, zunichte. Doch wir waren vorbereitet und sind mit raumlaborberlin schließlich darangegangen, eine räumliche Struktur im öffentlichen Raum zu entwickeln, die neues Leben insbesondere in die Pfannenschmiedsgasse bringen soll, in der wir mehr Raum haben und die Transformation der Stadt auch durch den Leerstand des Citypoints besonders sichtbar ist.
Jetzt, während wir reden, tun sich neue Möglichkeiten auf, da die Stadt das Gebäude gekauft hat. Allerdings haben wir bereits Verträge geschlossen und das Programm der Zukunftsmusik bis Ende Mai 2027 ist im Grunde aufgestellt.

Wer finanziert das Ganze und gab es hier durch die Änderung Einschränkungen?
Im Herbst 2023 haben wir das detailliert ausgearbeitete modulare Konzept „Zukunftsmusik – Aktive Transformation der Kaufhaus-Immobilie mit Mitteln der Kunst und Kultur“ bei der Regierung von Mittelfranken im Rahmen des Bayerischen Städtebauförderprogramms für städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen eingereicht und am 8. November 2023 eine Bewilligung erhalten. Die Stadt Nürnberg beteiligt sich aus dem Gesamthaushalt mit 10%. Der Kulturhaushalt bleibt unangetastet.
Da wir von Anfang an angesichts der unsicheren Lage modular denken mussten und klar kommuniziert haben, dass wir ohne Einwilligung des Eigentümers im Außenraum arbeiten müssen, gab es keine finanziellen Einschränkungen. Es ist ein Pilotprojekt und auch ein Experiment, sowohl für den Fördergeber, wie für uns. Das stellt uns immer wieder vor große Herausforderungen, da sehr streng reglementiert ist, was förderfähig ist und was nicht. Doch auch das ist unsere Aufgabe, mit solchen komplexen Prozessen so flexibel umzugehen, damit das große Ganze ermöglicht wird, Ideen und Konzepte von Künstler:innen ermöglicht werden und die Menschen neue Bilder und Erfahrungen mitnehmen. Da ist die Erfahrung der Kolleg:innen im Projektbüro, namentlich Simone Ruf und als neuer Kollege Jörn Kiefer, und das Zusammenspiel mit den verschiedenen Partnern bei der Stadt Nürnberg, von Stadtplanung über Vergabestelle und Genehmigungsbehörden, extrem wichtig.

Wie intensiv werden regionale Künstler:innen eingebunden?
Die Idee, für Nürnberg ein Projekt zu entwickeln, das sich mit Fragen des Lebens in der Stadt beschäftigt, mit neuen Medien, mit innovativer Gestaltung, hatte sich aus meinen ersten Erlebnissen hier entwickelt. Ich habe in Nürnberg Künstler:innen getroffen, die mit KI und Musik arbeiten, die Klänge und Städte untersuchen, und habe an Hochschulen und Institutionen superspannende Projekte gesehen, die innovativ und besonders sind, aber von außen noch nicht mit Nürnberg verbunden werden. Dem wollten wir ein Forum bieten und die Konzepte, die uns über den Ideenaufruf erreicht haben, sprechen dafür. Wir werden so viele wie möglich umsetzen und gemeinsam mit ihnen neue Erfahrungen und Erlebnisse ermöglichen. Gleichzeitig werden auch Gestalter:innen aus anderen Städten beteiligt sein. Es geht darum, Austausch und Synergien zu ermöglichen und auch nach draußen zu vermitteln, was hier alles entstehen kann. Schließlich kommt hinzu, dass der Fördergeber das Vorhaben nicht auf lokale künstlerische Positionen begrenzt versteht.  

Wann geht es in das Gebäude hinein – oder ist das gar nicht mehr vorgesehen?
Jetzt, da die Stadt von Ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hat, besitzen wir natürlich mehr Handlungsoptionen. Geplant haben wir notgedrungen bislang nur mit dem Außenraum. Wir haben die Mittel für Maßnahmen eingesetzt, die nun im Außenraum einen Transformationsprozess einläuten und neue Impulse setzen.

Werden auch benachbarte Spots – Plätze, Einzelhandel, Gastronomie – eingebunden?
Ja, wir verstehen uns als Motor für Veränderungsprozesse und wollen natürlich auch die Nachbarschaft einbeziehen. Entsprechend unserer Förderrichtlinien müssen wir in unmittelbarem Bezug zum Kaufhof agieren. In unmittelbarer Nähe ist der Mautkeller unser Partner und bei den kleineren Veranstaltungen bitten wir Angebote der umliegenden Gastronomie zu nutzen.
Auch die aktuelle Installation des Jeppe-Hein-Brunnen am Hallplatz ist aus den Mitteln des Bayerischen Stadtebauförderprogramms finanziert und steht in unmittelbarer Beziehung zur Zukunftsmusik. Wenn im Winter der Brunnen still steht, planen wir mit einem Nürnberger Kollektiv eine weitere Aktion auf dem vorbereiteten Fundament.

Kann man noch partizipieren, weil sich Aktionen in einem fluiden Prozess befinden?
Ja, die Grundstruktur steht und es gibt eine Gesamtdramaturgie, aber die Möglichkeit besteht sicherlich.

Leerstände sind ein großes Problem und zugleich auch eine Chance. Kann die ZUKUNFTSMUSIK auch in anderen Objekten stattfinden, gibt es dazu Visionen?
Prinzip der Zukunftsmusik ist, dass mit Mitteln der Kunst und Kultur urbane und städtebauliche Transformationsprozesse eingeleitet werden und tatsächlich könnte sie als Marke auch an anderen Orten eingesetzt werden. Wir haben im Vorbereitungsprozess wirklich viel Know-how und Wissen aufgebaut und sind noch dabei, unser Netzwerk zu erweitern. Durchaus wäre das eine große Chance, hierauf aufbauend orts- und aufgabenbezogen andernorts zusammen mit Kreativen aus den unterschiedlichsten Bereichen zu interagieren.
Wir schaffen Strukturen und Entwickeln Strategien, die entsprechende Freiräume ermöglichen. Die extrem komplexe Managementausgabe wird häufig unterschätzt. Wir haben die Hoffnung und die Vision, dass wir an solchen Themen weiterarbeiten können. Aber jetzt realisieren wir erstmal die Zukunftsmusik rund um den Kaufhof und freuen uns auf dieses einmalige Experiment. Ob eine Weiterentwicklung realisiert werden kann, das wird sich zeigen.

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Zukunftsmusik
Opening-Weekend: 21./22. September, ab da bis Mai 2025 um den
Kaufhof herum. 

Elisabeth Hartung
ist seit Juni 2023 ist Leiterin der Projektbüros der Stadt Nürnberg im Geschäftsbereich Kultur der Bürgermeisterin. Die promovierte Kunstwissenschaftlerin und Kulturmanagerin hat für öffentliche und private Auftraggeber interdisziplinäre Ausstellungen und innovative Projekte geleitet, darunter insbesondere in München einige Transformationen von öffentlichen Räumen und Leerständen durch den strategischen Einsatz von Kunst und Design, so auch das 50. Jubiläum der Olympischen Spiele 1972 für das Kulturreferat der Stadt in München, an Hochschulen gelehrt und publiziert.

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www.nuernbergkultur.de




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