AKNE KID JOE: politische Positionierung und Kunst
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Interview von Tommy Wurm
AKJ aka Akne Kid Joe sind die wohl erfolgreichste hiesige Band momentan. Zum Release ihres neues Albums „4 von 5“ haben wir uns über Ironie, Marketing, Erfolg und die Politisierung der Kunst unterhalten.
Euer neues Album erscheint am 7. Juni. Wie geht’s euch und habt ihr schon Puls oder seid ihr zu abgezockt für Realease-Aufregung?
Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich genau so aufgeregt wäre, wie z.B. bei der ersten oder zweiten Platte. Ich glaube aber, dass das auch mehr damit zu tun, hat, wie sehr man sich mit Reaktionen von anderen auf die eigene Musik beschäftigt und auch verunsichern lässt. Bei früheren Platten habe ich mir wirklich alles durchgelesen, was über das Release geschrieben wurde. Die Frage, ob ein Song oder ein Video oder das ganze Album gut ankommen werden, beschäftigte mich damals mehr, als es jetzt der Fall ist. Von dem her gehe ich entspannter an die Sache ran. Ich freue mich, wenn die Platte rauskommt, weil ich finde, dass sie anders ist, als die bisherigen. Musikalisch wie inhaltlich. Und wir als Band finden sie sehr gelungen, das ist die Hauptsache. Bekanntlich ist das aktuelle Album ja immer das beste!
Das Album trägt den Titel 4 von 5 und kokettiert mit der Frage “ob es wohl das Vorletzte sein wird? “ Das klingt ja nach einem ausgecheckten Plan oder alles nur Marketing?
Auf dem Album ist ja auch ein Song, der heißt „Lass die Band auflösen, aber vorher noch ein Weihnachtsalbum rausbringen“. Das wäre ein guter Plan. Das ist jetzt also das vorletzte Album, danach noch eins über Weihnachten, dann wars das.
Vielleicht war aber auch alles nur ein Spaß und wir machen noch lange weiter!
Wie kann man sich den Songwriting-Prozess bei AKJ vorstellen?
In der Regel komme ich mit einigermaßen fertigen Songs an, also Texte, Chords, Abläufe. Bisher arbeitete ich dann zunächst zusammen mit Peter an den Songs, bei ihm im Tonstudio. Als wir dann eine grobe Vorstellung hatten, haben wir uns alle gemeinsam hingehockt und an den Liedern gefeilt. Das war relativ praktisch, weil man so ein Album einfach nebenbei aufnehmen konnte, Schritt für Schritt, wenn es zeitlich halt gepasst hat. Wir waren ja ständig auf Tour und konnten zwischendurch keine Zeiträume mehr für einen Block im Studio freischaufeln. Dieses Mal sind wir es bewusst anders angegangen und trafen uns dafür in Florian Hellekens Tonstudio (Hersbrooklyn Recordings). Ich hatte alle Songs vom Album grob skizziert und hier und da eine schlechte Demo vorbereitet, das zeigte ich den anderen dann im Studio. Anschließend haben wir uns direkt gemeinsam an die Umsetzung gemacht und die Songs als Band eingespielt. Es ist dieses mal organischer entstanden und weniger am Rechner, wie bisher.
Ihr seid im Moment wahrscheinlich die erfolgreichste Band Nürnbergs. Ist euch Erfolg wichtig?
Alles, was wir mit dieser Band bisher erreicht haben, ist viel mehr, als wir uns je hätten vorstellen können. Wir traten nie an, um Erfolg zu haben und hatten keine besonderen Ambitionen. Ich erinnere mich, dass ich zu Sarah ganz am Anfang mal gesagt habe: „Das Schönste wäre, wenn wir mal irgendwo ein Konzert in einer anderen Stand spielen und Leute kommen wegen uns.“
Soviel zur Ausgangslage. Wenn es jetzt so käme, dass es sukzessive keine Sau mehr interessiert, ob wir Musik machen, ein neues Album veröffentlichen oder eine Tour spielen, dann wäre das natürlich auch nicht geil. Übersetzt könnte man das dann ja „erfolglos“ nennen. Also kann ich nicht sagen, dass mir Erfolg nicht wichtig wäre. Vermutlich ist er wichtig, damit man sich selber irgendwie relevant fühlt. Und wenn man sich dann erst einmal irgendwie relevant fühlt, motiviert einen das wohl auch auf gewisse Art und Weise.
Ich habe aber z.B. kein Verlangen nach ständigem Wachstum. Wie gesagt, alles was in den letzten Jahren um uns passiert ist, hätten wir uns nicht erträumen können. Ich verspüre nicht das Bedürfnis das noch toppen zu müssen. Wir sind alle dankbar für das, was wir bisher erleben durften.
Durchaus selbstironisch setzt ihr euch mit den Mechanismen im Musikbusiness auseinander. Letztendlich werdet ihr diese aber nur sehr bedingt ändern können. Wie geht ihr mit diesem Spagat um?
So wie sich das Musikbusiness entwickelt, bietet es keine Zukunft für weniger große Bands. Streaming hat dafür gesorgt, dass die Wertschätzung für Musik immer weiter sinkt. Musik ist selbstverständlich geworden, sie muss umsonst oder zumindest möglich billig konsumierbar sein – so die Erwartungshaltung.
Der Großteil der Musiker:innen leidet an einem Stockholm-Syndrom, denn für die meisten dreht sich dann ja doch alles um Spotify und Co. - dass man davon selbst nur den winzigsten Krümel abbekommt, wird verdrängt. Hauptsache, man ist in irgendeiner Playlist gelandet und blickt dann stolz auf 10.000 monatliche Hörer:innen, von denen man sich absolut nichts kaufen kann.
Es wird einem vermittelt, dass man alles selbst in der Hand hat, jede:r kann es schaffen, von heute auf morgen einen viralen Hit zu landen. Deshalb versuchen es auch alle - exakt auf die gleiche Art und Weise. Die selben Acts, die in ihrem Promotext damit werben, dass man auf Konventionen scheißt und halt sein Ding macht, veröffentlichen auf den Algorithmus zugeschnittene Singles, die am besten schon innerhalb der ersten 20 Sekunden in die Hook gehen, sonst drücken die User ja direkt weiter. Freilich sollte auch ein geeigneter Song-Ausschnitt für TikTok dabei sein ...
Jetzt argumentieren viele so, dass das alles tolle Wege seien, um neues Publikum zu generieren, das dann zu den Konzerten kommt, wo es sich dann wiederum rechnet. Inzwischen rentiert es sich aber leider auch für die wenigsten kleinen und mittelgroßen Bands überhaupt zu touren. Die Fixkosten sind so hoch, dass man die Ticketpreise dementsprechend anpassen muss – was sich dann wiederum viele nicht mehr leisten können. Setzt man die Preise zu niedrig an, zahlt man bei der Tour drauf, auch wenn viele Leute zu den Shows kommen. Also wird der Ticketpreis direkt höher angesetzt, damit die Kalkulation nicht defizitär ist. Das ist inzwischen jedoch so hoch, dass viele Touren schlecht laufen und dann hockt man am Ende des Tages wieder vor der Handy-Kamera und überlegt sich Gratis-Content, den man auf Instagram und TikTok lädt, in der Hoffnung, dass es doch noch ein paar Leute im Internet gibt, die du noch nicht zu Tode gelangweilt hast mit deiner Anbiederei und die dann hoffentlich eine Konzertkarte kaufen, damit nicht alles schon im Vorhinein abgeblasen wird.
Trotzdem sind wir wohl ein Teil von all dem. Wir haben aber zum Wohle unserer geistigen Gesundheit beschlossen, nicht mehr jeden Schwachsinn mitzumachen. Wie du sagst, muss man einen Spagat finden. Wenn man auf Tour geht, ist man es den Leuten, die das alles organisiert haben schuldig, dass man diese Tour adäquat bewirbt. Wenn man eine Platte herausbringt, gehört es natürlich auch dazu, dass man den Leuten davon erzählt. Wir sind jedoch sehr glücklich, dass wir in Strukturen – Label Kidnap Music, Bookingagentur Audiolith – arbeiten, bei denen kein allzu großer Druck auf uns lastet, was das alles betrifft.
Ein Beispiel: Bei der neuen Platte haben wir gesagt, dass wir keine Lust haben, wieder so präsent auf Social Media zu sein. Also schlugen wir vor, den Großteil des sogenannten Promo-Budgets, das uns überhaupt nur durch eine Förderung ermöglicht wurde, in Plakatierungen zu stecken. Alle fanden das cool und haben uns dabei unterstützt. Es gab Stadtplakatierungen, zusätzlich haben wir selber viele Plakate drucken lassen und an kleine Indie-Plattenläden in ganz Deutschland geschickt.
Ich will damit übrigens überhaupt nicht sagen, dass wir irgendetwas besser oder richtiger machen, als andere. Für uns fühlt es sich so aber gerade gut an. Wohlwissend, dass auch wir blöd schauen würden, wenn die neue Platte und die Tour am Ende das volle Minusgeschäft wäre.
Wer hat die neue Platte produziert oder passiert das im Kollektiv?
Wir haben die Platte zusammen mit Florian Helleken aufgenommen und er hatte wahnsinnig guten Input. Wir ergänzten uns super und uns tat es gut, dass wir mal eine externe Person dabeihatten, die das ganze Unterfangen mit einem Blick von außen bereicherte.
Ansonsten hat Peter aus unserer Band sehr viel Arbeit in die Aufnahmen gesteckt. Wir machen also nach wie vor vieles selber, aber haben unseren gewohnten Prozess dieses mal etwas geöffnet, worüber wir sehr froh sind.
Sollte sich die Kunst in diesen Zeiten politisch positionieren?
Unbedingt! Das geht aber auch oft genug nach hinten los.
Generell hat es sich etabliert, dass alle das Bedürfnis verspüren, sich andauernd zu irgendwas positionieren zu müssen, meistens dann auch noch auf so super nachhaltigem Wege wie einer Instagram-Story …
Politische Positionen sind gerade im Musikbusiness auch oftmals Kalkül. Wenn ich mitbekomme, wie eine Band einen Song gegen Nazis herausbringt und vorher schickt die Promoabteilung schon den Imperativ per Newsletter, dass jetzt bitte alle diesen Song teilen sollen, weil nur so ein Zeichen gegen den Rechtsruck gesetzt werden kann … Da frage ich mich, ob der Band (und der Promoabteilung) das Zeichen gegen Rechts wichtiger ist oder vielleicht doch die eigene Reichweite, sprich, der Erfolg der Single.
Aber zurück zur Frage: Ja, politische Positionierung und Kunst gehört für mich zusammen und ich freue mich sehr, wenn ich ab und zu auf Beispiele stoße, die mich begeistern und etwas in mir bewegen.
Nürnberg macht’s Künstler:innen oft nicht allzu leicht. Viele Kreative zieht es in andere Städte. Ist die Stadt hier strukturell gut aufgestellt?
Ich denke Nürnberg bietet genügend Orte für Kreative, um sich zu auszuprobieren. Es gibt tolle Venues, die es neuen, kleineren und alternativen Bands ermöglichen, Konzerte zu spielen. Auch wenn das für die Veranstaltenden bedeutet, dass dies meist nur mit Ehrenamt und/oder als Draufzahlgeschäft möglich ist. Nürnberg hat auch ein Szene, die interessiert ist, an Neuem, Geistreichem und Originellem.
Der große Unterschied aber, zu Städten wie Hamburg, Berlin, Leipzig, vielleicht auch Köln, ist aber, dass die Vernetzungsmöglichkeiten sehr schnell ausgeschöpft sind. Im Vergleich zu den Kultur-Metropolen, dreht man sich hier sehr schnell im Kreis.
Sind wir mit der Band in Hamburg oder Berlin, merken wir die Unterschiede sehr deutlich. Die Kontakte und Möglichkeiten, die sich dort zwangsläufig ergeben, liegen weit über denen in Nürnberg.
Hätten wir es mit der Band voll drauf anlegen wollen, wären wir wohl am besten vor vier Jahren oder so nach Hamburg gezogen. Aber am Ende ist das auch voll der Stress, wenn auf einmal alle in einer richtig geilen Band spielen – das würde mich überfordern. Ich bin froh, dass wir mit AKJ immer mal wieder in Städten sind, in denen wir uns die volle Kultur-Dröhnung reinflanken, freue mich dann aber auch, wenn man sich hier nicht andauernd beweisen muss.
Im Herbst geht’s auf Tour. Welchen Stellenwert hat das Live-Spielen im Vergleich zum Writing/Recording Prozess für euch?
Bisher haben uns die Touren immer wahnsinnig viel Spaß gemacht, auch, wenn es teilweise sehr anstrengend war und mitunter an die Gesundheit ging. Inzwischen haben wir eine gute Balance gefunden, bauen uns gezielt Pausen zwischen Tourblöcke und können das FOMO aushalten, wenn wir mal irgendwo nicht dabei sind.
Ich habe es ja weiter oben schon gesagt, dass ich relativ am Anfang der Bandgeschichte zu Sarah meinte, dass es für mich das Schönste wäre, wenn wir in einer anderen Stadt ein Konzert spielen und Leute wegen uns kommen. Inzwischen durften wir diese Erfahrung machen und es ist mit großem Abstand das Beste, das einem als Band passieren kann. Weder Streamingzahlen, Social-Media-Liebe noch Chartplatzierungen sind irgendwie greifbar und letztlich wohl auch nichts wert, zumindest nicht nachhaltig. An die vielen Konzerte, die wir bisher gespielt haben, werde ich mich hingegen mein ganzes Leben erinnern. Wir freuen uns sehr auf die Tour!
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Akne Kid Joe
Das neue Album „4 von 5“ erscheint am 7. Juni.
Die Release-Tournee startet am 18.10. in Wien und endet am 20.12. in Nürnberg. Davor gibt´s Release Open Airs: am 13.06 in Berlin, am 14.06. in Hamburg
Insta: aknekidjoe_band
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