Gelände im Aufbruch #2: AURATISCHE KONGRESSHALLE?
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Doppelinterview mit Prof. Dr. Hajo Wagner & Silvan Wilms, geführt von curt-Kolumnist Marian Wild.
Im letzten Review (siehe HIER) hat sich unser curt-Kollege Silvan Wilms mit der Kongresshalle und der Aura der dortigen Steine beschäftigt. Ein schöner Anlass für ein Experiment: Ein Doppelinterview von Marian Wild mit Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner und Silvan. Die beide Interviewten haben schriftlich die gleichen fünf Fragen bekommen und beantwortet. Diese wurden lektoriert, aber inhaltlich nicht verändert. Danke euch beiden für das Vertrauen!
Marian: In dem Review kommt eine Kernthese zu den Bauten auf dem Gelände durch, die einer historischen „Aura“ der Steine. Wie steht ihr grundsätzlich zu der Vorstellung, dass Steine oder Gebäude mehr sein können als „nur“ eine funktionale Hülle?
Hajo Wagner: Die Diskussion ist eine der Architekturtheorie bzw. -ästhetik, und ich gebe zu bedenken, dass sie außerhalb der akademischen Zirkel unter Umständen keine Bedeutung besitzt oder von nachrangigem Interesse wäre. Der uns heute als Innenhof entgegentretende Versammlungsort der Kongresshalle ist nichts als eine Ödnis, die Fassade eine kariöse Ziegelwand – wie ein Kollege aus München konstatierte. Ich sehe hier kein Scheitern des Nationalsozialismus. Zudem ist diese Begrifflichkeit des Scheiterns höchst problematisch. Zum einen ist das politische System von Alliierten „besiegt“ worden, zum anderen ist rechtsextremes Gedankengut auch in der Gegenwart präsent. Lässt sich also 1945 ein gedanklicher Schlussstrich ziehen? Das sind schlicht Zuschreibungen. Ich möchte im Zusammenhang mit nationalsozialistischer Architektur auch nicht von „Aura“ sprechen. „Aura“ meint doch so etwas wie „Ausstrahlung“ aufgrund ästhetischer Qualitäten. Es wäre demgegenüber vielleicht sinnvoller, die rezeptionsästhetische Dimension herauszuarbeiten, das heißt, wie rezipiere ich als Individuum die Architekturen. Dann spielen nämlich ästhetische Erfahrungen oder mentale Stimmung, Raum und Zeit der Erfahrung etc. eine entscheidende Rolle. Und das erklärt auch die doch sehr diversen Reaktionen auf die Architekturen des Nationalsozialismus – zwischen Bewunderung und Ekel, zwischen Überwältigung und Abwehr ist alles möglich; selbst die rein baufachliche Analyse ist als Modus der Rezeption nicht ausgeschlossen. An der Kongresshalle kann ich noch nicht einmal ihre geplante Funktion als Versammlungsort ablesen, da lediglich ein riesiges Treppenhaus mit Toiletten und Garderoben erstellt wurde – nichts mehr und nichts weniger. Dass der Arkadengang der Kongresshalle eines der beliebtesten Motive für Hochzeitsfotos in Nürnberg ist, sollte uns nicht in Schrecken versetzen. Nichtdestotrotz besitzt die Kongress-halle auch heute noch architektonisch eine politische Dimension.
Ähnlich ließe sich mit Blick auf die Eingangshalle in der Zeppelintribüne argumentieren. Es handelt sich um einen Raum ohne jede Aufenthalts-
qualität: Er ist recht dunkel, hat eine super schlechte Akustik und eine durchgängig abweisende Temperatur. War Adolf Hitler hier jemals drin – wahrscheinlich nicht. Erst nach Ende des Krieges wuchs diesem Raum unter dem Epitheton „Golden“ eine vermeintlich ästhetisch konnotierte Qualität zu. Auch hier letztlich: Zuschreibungen.
Silvan: Ganz grundsätzlich wäre der Beruf Architekt:in wohl überflüssig, wenn Bauten rein funktional wären. Es gibt Bauingenieur*innen, die würden dem sogar zustimmen. Aber Spaß beiseite, ganz grundsätzlich hat Architektur etwas mit Gestaltung zu tun und die Entscheidungen, wie etwas gestaltet wird, sind immer auch an seine Wirkung gebunden. Das gilt für Gebäude, genauso wie es für eine Skulptur oder eine Malerei gilt, insbesondere bei Repräsentationsbauten. Hier steckt die Wirkungsintention schon im Begriff. Sie sollen etwas repräsentieren, haben also automatisch Symbolcharakter. Schlösser, Kirchen, Rathäuser, Museen, Parlamentsgebäude, Theater, Opernhäuser etc., all diese Bauten sind nie, wirklich nie rein funktional. „Aura“ klingt vielleicht ein bisschen esoterisch, sprechen wir lieber von „Wirkung“. Mit Gebäuden gestalten wir den Raum, in dem wir uns bewegen, aufhalten, leben etc. Wo wir was – und vor allem wie – wir bauen, ist ausschlaggebend dafür, wie wir diesen Raum wahrnehmen.
Marian: Die Frage hat womöglich Auswirkung auf die Vorstellung von Denkmalpflege. Gibt es in euren Augen etwas, das verlorengeht, wenn man Originalsubstanz entfernt und auch womöglich wieder mit neuem Material ergänzt?
Silvan: Nicht unbedingt. Wie so oft gilt hier aus meiner Sicht der Satz: Es kommt darauf an. Natürlich muss man nicht jeden Kiesel erhalten, um die Erfahrbarkeit eines Ortes zu bewahren. Gute Denkmalpflege zeichnet sich immer durch Abwägungen von Verhältnismäßigkeiten aus. Es geht auch darum, sich klarzumachen, welche Aspekte besonders wichtig sind. Oft ist das Hinzufügen neuer Substanz sogar notwendig, um etwas zu erhalten. Wenn ich z.B. ein altes Fachwerkhaus instand setze, muss ich gegebenenfalls den einen oder anderen Balken ersetzen. Trotzdem wird das Gebäude nach der Restauration wieder viel besser in seiner alten Wirkung erfahrbar sein als zuvor. Damit ist dann mehr gewonnen als verloren. Die Frage ist nicht: Ist es überhaupt legitim, etwas zu entfernen oder hinzuzufügen? Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Die spannenderen Fragen sind: Was macht eine bestimmte Maßnahme mit einem Ort? Wie verändert sie seine Wirkung? Wie beeinflusst sie seine Wahrnehmbarkeit? Das sind Fragen, die wohl insbesondere beim größten zusammenhängenden Ensemble von NS-Propaganda-Architektur mit größtmöglichem Feingefühl überlegt sein wollen.
Hajo Wagner: Interessante Frage! Was Originalsubstanz ist und was nicht, lässt sich oftmals nicht rekonstruieren, und warum sollten – im Umkehrschluss – nicht auch Zusätze, Veränderungen, Überformungen
und Überschreibungen ähnlichen oder gleichen „Zeugniswert“ besitzen? In diesem Zusammenhang ist Maria Eichhorns Umgang mit dem Deutschen Pavillon der Biennale di Venezia signifikant: Sie ging 2022 mit „Relocating a Structure“ als Archäologin vor und legte die baulichen Schichten des von den Nationalsozialisten „kontaminierten“ Gebäudes frei. So etwas wäre auch für Nürnberg bedenkenswert. Die Stadt Nürnberg hat sich bei der Instandsetzung von Zeppelinfeld und Zeppelintribüne dazu entschlossen, keine Restaurierung und auch keine Renovierung vorzunehmen. Schadhafte Stellen der Substanz werden durch Beton ersetzt, Rekonstruktionen – wie etwa der ohne Not gesprengten Pfeilergalerie – wird es nicht geben. Das ist ein sehr konsequenter Umgang mit der nationalsozialistischen Herrschaftsarchitektur. Anders ist die Lage bei der Kongresshalle. Die steht da als ein Rohbau, sie wurde nicht fertiggestellt. Hier werden nun umfangreiche bauliche Maßnahmen für eine grundsätzliche Nutzbarmachung durchgeführt. Der Zugriff auf das Gebäude erfolgt in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz, der im Rahmen der zukünftigen Nutzung vieles zulässt – Brandschutzmaßnahmen im Inneren, Erschließung des Gebäudes, Sanierung der Fassaden und des Daches (eines Daches, das so überhaupt nicht vorgesehen war), und schließlich auch die Öffnung von Zumauerungen, die im zweiten Weltkrieg und noch während der Nachkriegszeit zur baulichen Sicherung der Kongresshalle vorgenommen wurden. Die anfangs gestellte Frage bzw. die von Dir aufgemachte Dichotomie zwischen „Aura“ und „Funktion“ erfährt hier eine eindeutige Beantwortung.
MARIAN: Die Nürnberger Altstadt ist nach dem zweiten Weltkrieg in kreativer Denkmalpflege wiederaufgebaut worden, man hat die alten Gebäude nicht einfach wieder mit neuem Steinen repliziert. Das war damals natürlich auch eine Geldfrage, die Idee „was nicht mehr da ist sollte man auch nicht simulieren“ ist aber ja nicht dumm. Ist es politisch und historisch noch zu früh, beim Gelände über kreative Denkmalpflege nachzudenken?
Hajo Wagner: Ob man von einer „kreativen Denkmalpflege“ mit Blick auf die Nachkriegssituation in Nürnberg ausgehen kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Böse Zungen behaupten, in der Altstadt sei ein Disneyland entstanden – Fake-Architektur, weil rekonstruktiv in stadträumlicher Planung (Straßen- und Wegeführung), in Farbigkeit, Traufhöhen, Dachgestaltung etc. Am Ende ist die Gestaltung der Altstadt dann doch Ausdruck eines subtilen (zuweilen schrägen) Historismus – natürlich nicht zu vergleichen mit der Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt und des Berliner Stadtschlosses. Interessant finde ich den Ideenwettbewerb, der kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs ausgerufen wurde, und der die Nürnberger Bürgerinnen und Bürger zu ihren architektonischen Visionen bezüglich der Altstadt befragt hat – radikale Zeitgenossenschaft, wenn nicht gar utopische Ideen aus dem 25. Jahrhundert waren hier bestimmend. Die Situation auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ist eine grundsätzlich andere. Der Großteil der Architekturen ist über den Planungsstand nie hinausgekommen. Anderes wurde beseitigt – wie die gebauten Teile des Märzfelds und die Luitpoldarena. Diesbezüglich käme niemand auf die Idee, ähnlich wie beim Wiederaufbau der Altstadt vorzugehen – und das natürlich zu recht. Für den Umgang mit Zeppelinfeld/Zeppelintribüne und Kongresshalle sind gute Wege einer zeitgemäßen Denkmalpflege gefunden worden. Insofern passiert auf dem Gelände das, wonach Du fragst: Nürnberg schreckte Jahrzehnte vor dem produktiven Zugriff auf die Architekturen zurück, aber nicht bezogen auf das Gesamtareal mit seinen vielfältigen Nutzungen. Jetzt geht die Stadt die notwendigen Schritte in der Auseinandersetzung mit den Gebäuden.
Silvan: Kurz gesagt, nein. Im Gegenteil, ich bin eher der Meinung, Denkmalpflege verlangt grundsätzlich ein Maß an Kreativität. Ich gehe noch weiter und behaupte, mit dem Konzept des Doku-Zentrums haben wir bereits ein hervorragendes Beispiel dafür auf dem Gelände. Der architektonische Entwurf von Günther Domenig stellt einen erheblichen, überhaupt nicht konservierenden Eingriff in die Bausubstanz dar. Gleichzeitig wurde der Innenhof bewusst in seiner unfertigen Jämmerlichkeit der gescheiterten Gigantomanie belassen. Das ist aus denkmalpflegerischer Sicht schon beinahe radikal. Der entlarvende Kontrast, zwischen Blendfassade und Innenhof wird durch das Konzept unterstrichen. „Was nie schön war, sollte man auch nicht simulieren“. Das ist sowohl kreativ als auch verantwortungsvoll und außerdem noch erfrischend unprätentiös. Kreativ ist allerdings ein gedehnter Begriff, der nicht als Freibrief wider die Verantwortung instrumentalisiert werden darf. In dem Wort steckt etwas Schöpferisches, das eine gewisse Prestige-Verlockung in sich birgt, die auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände äußerst deplatziert ist. Wenn mir also jemand etwas von kreativer Denkmalpflege erzählen möchte, werde ich doch skeptisch. Da möchte ich lieber ganz genau nachhaken, was damit gemeint ist.
MARIAN: Womöglich ist das gesamte Gelände eine große Theaterbühne, die damals wie heute bespielt wird? Könnt ihr mit dem Gedanken etwas anfangen?
Hajo Wagner: Ich möchte eher von einem performativen Moment sprechen, das damals wie heute von entscheidender Bedeutung für das Gelände ist. Die Architekturen des Nationalsozialismus selbst – ob nun realisiert, im Rohbau dastehend oder auch nur geplant – waren als Kulissen für die Inszenierung nationalsozialistischer Ideologeme konzipiert. Die britische Kunsthistorikerin und Kritikern Claire Bishop hat in zahlreichen ihrer Arbeiten auf das Herkommen performativer Strategien aus den historischen Avantgardebewegung rekurriert. Wenn wir dann sehen, wie der Futurismus bruchlos im italienischen Faschismus aufgegangen ist, dann haben wir eine historische Dimension, die sich lohnt, noch einmal näher betrachtet zu werden. Und ist das Politische bis heute nicht immer performativ? Andererseits lässt sich nicht verhehlen, dass das Gelände für zahlreiche Events nach wie vor eine „attraktive“ Kulisse abgibt. An dieser Stelle ein größeres Bewusstsein herzustellen, wäre für die Zukunft sicherlich zu begrüßen.
Silvan: Ich verstehe deinen Gedankengang. Das Gelände diente immer einer Inszenierung. Die Kernbedeutung des RPG für die Vernichtungsmaschinerie des „Dritten Reichs“ liegt darin, dass hier der Siedekessel seiner Propaganda war. Es gibt keinen anderen Ort, an dem so klar erkennbar wird, wie die Mobilisierung der Massen in diesem Terrorsystem funktionieren konnte. Aber Hitler hat nie Theater gespielt, sondern ein unvergleichliches, menschenverachtendes System gebaut. Eine Bühne hat normalerweise ein wechselndes Programm. Kulissen zeichnet üblicherweise aus, dass sie wandelbar und mobil sind, weil es im Theater eben um ein „Als ob“ geht. Ein Spiel. „Wir tun jetzt mal für die Dauer eines Stücks so, als wenn …“ Die Monumentalität der Bauten auf dem RPG ist das Gegenteil. Sie sind riesige in Stein gebaute Sinnbilder der totalen Indoktrination. Hier ging es nicht um ein „Als ob“, hier ging es darum, Tatsachen zu schaffen. Die Bauten sind daher weniger Theaterbühne als vielmehr die Tempel eines menschenverachtenden pseudoreligiösen Kults. Sie sind reine steinerne Propaganda. Heute kann und sollte man sie sogar bespielen. Nur gilt hier derselbe Grundsatz wie zuvor beim Thema Denkmalpflege, immer im Bewusstsein darüber, wie es die Wirkung des Ortes verändert und eingedenk der historischen Verantwortung.
MARIAN: Im Review wird am Ende die Frage nach den Menschenrechten auf diesem Gelände gestellt. Wie seht ihr persönlich die „Stadt der Menschenrechte“ auf dem „Gelände der Reichsparteitage“ vertreten?
Silvan: Nürnberg hat sich selbst zur „Stadt der Menschenrechte“ ernannt, eben weil in der Geschichte und insbesondere der Rolle Nürnbergs zur Zeit des Nationalsozialismus ein Auftrag erkannt wurde. Als Auftrag und nicht als Titel, sollte man diese Bezeichnung auch verstehen. So sehr ich die „Straße der Menschenrechte“ als Ort liebe, Menschenrechte erlangen ihre Wahrhaftigkeit nicht allein dadurch, dass man sie auf Säulen verewigt. Sie entfalten ihre Wirkung dadurch, dass wir sie leben. Insofern ist das Gelände eine stetige Erinnerung an die Notwendigkeit zur Menschenrechtsarbeit, und die Erinnerungsarbeit ist eine Komponente davon. Da fehlt es, meinem Eindruck nach, noch an hinreichender geistiger Verknüpfung. Die Erinnerung wird als getrennte Sparte behandelt, die „aktuelle“ Menschenrechtsarbeit widmet sich ganz anderen, zeitgenössischen Problemen. Diese mentale Entkoppelung verkennt die ideologischen Kontinuitäten, die der Nationalsozialismus bis heute nach sich zieht, und die sich durch alle Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg hindurchziehen. Begrüßenswert finde ich da z.B. Stimmen, die sich für ein Dokumentationszentrum zu den Morden des NSU hier in Nürnberg aussprechen. Immerhin zwei davon wurden an Orten begangen, die früher tatsächlich auch zum Reichsparteitagsgelände gehört haben. Ganz generell wünsche ich mir mehr Menschenrechtsarbeit auf dem Gelände. Darin läge eine echte Chance einen wirklichen Begegnungsort daraus zu machen, tolle Projekte zu verwirklichen, hier Kultur zu leben, ohne Gefahr zu laufen, dem Gelände und seiner Geschichte gegenüber ignorant, kommerziell, affirmativ oder verantwortungslos zu handeln.
Hajo Wagner: Nürnberg hat sich nach 1945 aufgemacht, sich zur „Stadt des Friedens und der Menschenrechte“ zu entwickeln. Das ist ein hohes Ziel, das ich einzig prozessual zu denken vermag. Es als Tatbestand zu behaupten, ist genauso falsch wie die bloße Behauptung des „Nie wieder!“. Wenn der formulierte Anspruch nicht jeden Tag mit Leben gefüllt wird, bleibt er leer. Die im Grundgesetz verarbeiteten Menschenrechte stehen – soweit ich es beurteilen kann – auf dem Gelände nicht zur Disposition. Es existieren allerdings Themenfelder, um die immer wieder gerungen werden muss: Was bedeutet z.B. das Recht auf freie Meinungsäußerung auf dem Gelände und was bedeutet Kunstfreiheit? Hier braucht es Aushandlungsprozesse. Darüber hinaus existieren Menschenrechtsabkommen des Europarats und der Vereinten Nationen, die mitunter einen hohen Differenzierungsgrad besitzen und denen sich die Bundesrepublik ebenfalls unterstellt hat. Die Kinderrechtskonvention, die Behindertenrechtskonvention, die Konvention gegen Rassismus und schließlich der Sozialpakt, der umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben garantieren soll, sind Themen, an denen auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände intensiv gearbeitet werden muss – und das ist zugleich eine Aufgabe, die ganz Nürnberg betrifft. Ob das Gelände dezidiert ein Ort für die Verhandlung der Menschenrechte sein sollte, weiß ich nicht. Im umfassenden, beziehungsweise übergreifenden Sinn steht das außer Frage, aber in Nürnberg gibt es das Menschenrechtsbüro, das Caritas-Pirckheimer-Haus, die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien, das CHREN (Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg) und viele weitere NGOs, die sich intensiv mit den Menschenrechten und deren Umsetzung beschäftigen.
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Silvan Wilms
studiert an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und hat sich in verschiedenen Arbeiten mit der Frage der Menschenrechte und des Reichsparteitagsgeländes befasst. Er ist seit dem Frühjahr 2024 curt-Kulturredakteur.
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Prof. Dr. Hans-Joachim Wagner
ist studierter Musikwissenschaftler, Philologe und Kunsthistoriker. Nach Tätigkeiten an den Opernhäusern in Koblenz und Köln war er Musikreferent im Kulturamt der Stadt Köln und bis 2017 Fachbereichsleiter für Musik, Theater und Tanz bei der Kunststiftung NRW. Wagner leitete in Nürnberg von Januar 2018 bis August 2021 das Büro für die Kulturhauptstadtbewerbung 2025. Seit dem 01.08.2021 hat er die Leitung der Stabsstelle Ehemaliges Reichsparteitagsgelände inne.
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