Zeiten gendern sich: Nürnberg protestiert gegen das Genderverbot

DIENSTAG, 21. MAI 2024, NüRNBERG

#Demokratie, #Demonstration, #Gegen Genderverbot, #Gendern, #Protest

Text von Nadine Zwingel

Mittwoch, der 15. Mai stand unter dem Stern der Gleichstellung. In Bayern ist das Gendern in offiziellen Schreiben von Behörden, Schulen und Hochschulen seit dem 1. April 2024 verboten. Das Verbot untersagt die Verwendung von Asterisk(*), Doppelpunkt(:), Mediopunkt(·), Unterstrich(_) oder Binnen-I. Dagegen protestierten nun mehr als 200 Demonstrant*innen in Nürnbergs Innenstadt. Organisiert wurde der Protest vom „Aktionskreis gegen das Genderverbot". Einem Zusammenschluss aus Student*innen der Technischen Hochschule, Akademie der Bildenden Künste, Hochschule für Musik sowie der Friedrich-Alexander-Universität. Tags darauf fand eine weitere Protestaktion in München statt.



Inklusion durch Sprache
 
„Wir weigern uns, eine Sprache zu verwenden, die uns zwingt, Menschen zu exkludieren und fordern deshalb die sofortige Rücknahme des Verbots gendergerechter Sprache in allen bayerischen staatlichen Behörden und damit auch in Schulen und Hochschulen", heißt es seitens der Student*innen und treffen damit auf den Punkt, was auch die Macher:innen von curt für sich reklamieren. So waren unter anderem die beiden curt-Autoren Marian Wild und Silvan Wilms an der Aktion beteiligt.
 
„Bis zu 15 % der Bevölkerung gelten als queer. Das sind 4-5 Personen pro Schulklasse und 10-15 Personen pro regulärer Vorlesung. Die Selbstmordgefahr ist bei queeren Jugendlichen vier bis acht Mal so hoch wie beim Rest. Jede zweite queere Person wird und wurde in der Schule gemobbt. Das Genderverbot macht queere Kinder und Jugendliche unsichtbar und erschwert es ihnen, Hilfe zu erhalten, gleichzeitig ermutigt es diejenigen, die queere Menschen mobben wollen.", informierte Marian Wild während seiner Rede auf der Kundgebung. Der Schwerpunkt des Nürnberger promovierten Kunstwissenschaftlers und Kulturpreisträgers liegt in der Forschung der Queerkultur.
 
Als Antwort auf das debattenreiche Thema äußerte Ministerpräsident Markus Söder bereits 2021 in einem Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen: „Das geht nicht, Bayern ist ein Freistaat und kein Belehrungsstaat“ und „Es geht aber nicht, dass Sprache am Ende verordnet wird“, um dann letztlich doch genau dies zu tun.
 
Ein Paradoxon ist dabei die opportunistische inhaltliche Umkehrung, die Bayerns Ministerpräsident Söder mit dem Verbot drei Jahre später bewirkt. Während das generische Maskulinum gezwungenermaßen Gendern abverlangt, also Belehrung und Verpflichtung zur rein männlichen Anrede, fordern die DemonstrantInnen wiederum ebenjene Aussage von 2021: Persönliche Entscheidungsfreiheit in einem freiheitlichen demokratischen Staat.
 
„Das Genderverbot ist ein Rückschritt und widerspricht unseren grundgesetzlich verankerten Prinzipien der Gleichbehandlung. Es diskriminiert Menschen. Deshalb sehen wir dieses Verbot als einen Verstoß gegen die Menschenrechte", heißt es aus der Pressemitteilung des Aktionskreises.
 
Während sich die Staatsregierung auf Verständlichkeit und die Empfehlung des Rates für deutsche Rechtschreibung beruft, herrscht in dessen Regelwerk nahezu periodische Anpassungsfähigkeit. Nur eben da, wo selbst für nötig befunden. Scharfe Kritik kommt deshalb von bundesweiten Hochschulgruppen, queeren Verbänden, Gewerkschaften sowie der Bundesschüler(*innen)konferenz.
 
Kritik durch Redebeiträge, Musik und Poesie
 
Beginnend mit einem friedlichen Protestzug durch die Nürnberger Innenstadt ließen sich die Demonstrant*innen anschließend für die Endkundgebung auf der Wöhrder Wiese nieder. Dort äußerten sich nicht nur verschiedene Redner*innen von AK Pride, Linksjugend ['solid], Fridays for Future, QAF (Queere Aktion Franken) und weiteren Bündnissen, sondern auch zahlreiche Künstler*innen performten unterstützend für queere inklusive Sichtbarkeit. Beispielsweise Mate Poesie mit Spoken Word, Drag Max Malve mit Gesang oder die feministische Band Arschlöcherinnen.
 
Letztlich negiert das Verbot gendergerechter Sprache die Vielfalt der Identitäten und grenzt Menschen wissentlich aus, anstatt inklusive respektvolle Kommunikation zu fördern. Ungleichheiten bleiben weiterhin bestehen und offene, diversitätsbewusste Sprachpraxis findet keinerlei Raum, ohne Gefahr zu laufen, sich strafbar zu machen. Um die Würde und Identität aller Menschen jedoch zu schützen und zu respektieren, ist genau dies notwendig: Freiheit, selbst zu entscheiden und sich für die grundgesetzlich verankerten Prinzipien der Gleichbehandlung einzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass sich die Zeiten bald wieder gendern und „Söder*in" das Verbot zurücknehmen muss.
 
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Aktionskreis gegen das Genderverbot
Instagram @gegengenderverbot.nbg
 
 




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