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MITTWOCH, 1. MAI 2024

#Buch, #Dr. Marian Wild, #Kunst, #Kunstreview, #Zeichnungen

Text von Marian Wild

Der legendäre, in Berlin wiederauferstandene Verlag Bärmeier & Nikel hat Kurt Halbritters illustriertes Hauptwerk „Adolf Hitlers Mein Kampf“ neu bearbeitet und aufgelegt. Man kann viel beim Lesen lernen.


Im Jahr 1968 legte Kurt Halbritter den Deutschen ein wahrlich seltsames Buch vor. „Adolf Hitlers Mein Kampf“ hieß es, es war natürlich nicht Adolf Hitlers „Mein Kampf“, aber irgendwie war es das schon doch ein bisschen: Verschiedene Zitatblöcke stehen in dem Buch, wörtlich aus dem politisch wie sprachlich grässlichen Namensfetter entnommen, dann folgen stets einige Zeichnungen. Karikaturen? Eher ein bitterböses Sittengemälde der braunen 1930er und 1940er, das Halbritter da in dutzenden Skizzen festgehalten hat: Die Bäuerin, der Lehrer, der Pfarrer, die Bürgerliche, der Straßenkehrer, die Mutter oder der Ladenbesitzer, alle eingefangen mit schnellem Stift in ihren täglichen Routinen und Gesprächen. „Und vergiss nicht, "Heil Hitler" zu sagen, wenn du zum Kaufmann Kitzinger kommst“ rät die Bauerntochter der alten Mutter, die in die Stadt geht. „Ich glaube nicht, dass unser Herrgott etwas gegen den Deutschen Gruß einzuwenden hat“, sagt der Pfarrer vor der Kirche. „Und da habe ich mir gedacht, warum sollten ausgerechnet wir gegen den Strom schwimmen?“ fragt die Bürgerliche ihren Mann. Und so weiter. 

Die NS-Zeit, als Collage von der Straße, ohne den kleinsten Raum für das Märchen vom „man hat ja von nichts gewusst“, das ist Halbritter eindrucksvoll gelungen. Der Karikaturist, der beim für eine ganze Generation stilprägenden Verlag Bärmeier & Nikel (die abenteuerliche Verlagsgeschichte kann man unter b-und-n.net/verlagsgeschichte nachlesen) unter anderem mit Loriot zusammen als Autor vertreten war, oder mit Chlodwig Poth, dem legendären Mitbegründer des Titanic-Magazins, er ist als Jugendlicher selbst Teil des zynischen Umerziehungssystems der Nationalsozialist*innen zum Soldaten und Übermenschen, er erlebt die national-autoritäre Gehirnwäsche live: Wie das „Grüß Gott“ per Verordnung abgelöst wird vom „Heil Hitler“, wie jüdische Menschen und andere Minderheiten zunehmend als „Ungeziefer“ bezeichnet werden, wie der Überfall auf andere Länder und seine gewaltvollen Landnahmen verherrlicht werden. 

Was könnte man aus diesen Eindrücken lernen? Vielleicht, dass die Nazis ihre Ziele nie verheimlicht haben, weil sie nie vorhatten, sie heimlich umzusetzen. Vielmehr haben sie die Bevölkerung von Beginn an zu Kompliz*innen gemacht, mit Pathos und Pomp und zynischen Versprechen, die Nachbar*innen gegen die ehemaligen Freund*innen, die Kinder gegen ihre Eltern. Am Ende gab es darum nurmehr unzählige Täter*innen: eindeutig Schuldige, auch wenn man „nur“ mitlief, denn man kriegte zwangsläufig alles mit. In Wladimir Putins System ist das nicht anders, und in einem fiktiven Donald-Trump-Staat fänden sich die Straßenszenen des Buchs vermutlich auch, mit leicht abgewandeltem Wording. Darum ist diese Wiederauflage wichtig, für das Hier und Heute.

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Kurt Halbritter: “Adolf Hitlers mein Kampf. Erinnerungen an eine große Zeit”
*** Achtung, Satire! ***
240 Seiten, ca. 179 Zeichnungen, s/w, Hardcover, 
beschichtetes Leinen mit Prägung, 12 x 20 cm
ISBN: 978-3-9821705-1-0
EUR 24,-




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