NATUR IN STILLE
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Der Kulturbahnhof Ottensoos zeigt, dass internationale Kulturfragen auch außerhalb großer Städte verhandelt werden können.
Ein bisschen hat man das Gefühl in einem anderen Jahrzehnt anzukommen, wenn man die Ortsgrenze Ottensoos passiert und gemütlich durch den historischen Dorfkern schlendert: Ein Stückchen heile Welt, wo sich die sprichwörtlichen Herr Hase und Frau Fuchs jeden Abend gute Nacht sagen. Alte Fachwerkgebäude stehen da, liebevoll in Stand gehalten und angeeignet von den Bewohner*innen, kleine Eckläden warten auf Wochenendflaneure… das ist vielleicht ein bisschen zu romantisch, natürlich haben manche Verirrungen des Neokapitalismus auch in Ottensoos nicht Halt gemacht, man sieht es an Manchen der Einzelhandelsgeschäfte. Und es gibt einen alten Zugbahnhof, der früher wohl das größte Tor der Ottensooser*innen zur Welt war, die Gleise sind heute ein lokomotivfreier Naturraum, zurückerobert von Sträuchern und Tieren. Und das historische Bahnhofsgebäude? Da passiert seit einiger Zeit Wunderliches: Das Ehepaar Kirchhof-Stahlmann - tatkräftige Menschen mit einem etwas höheren Alter, das man aber nicht merkt, wenn man sich länger unterhält – hat sich den Ort vorgeknöpft, renoviert, alte Achsen und Türen wieder geöffnet, neue Wände eingezogen, und mit der untersuchten, historischen Substanz proaktiv gearbeitet. Entstanden sind einzigartige Ausstellungsräume mit sonntäglichem Bistro am alten Gleis; bespielt sind sie, in einem Wort, mit Natur.
Mit Natur?
Unzeitgemäß zu sein, so sagt die Künstlerin Renate Kirchhof-Stahlmann, das sei immer ihr Anspruch gewesen. Der Satz hallt nach zwischen den papierenen Insekten, den Metallfundstücken und Tierpräparaten der Ausstellung. Und er hallt über Ottensoos hinaus in eine Welt, die aktuell so mit Krisen überversorgt ist, dass man, wieder einmal, den Klimawandel und die Umweltzerstörung mit nachrangiger Priorität behandelt. Man sägt den Ast ab auf dem man sitzt, so lässt sich die Erkenntnis zusammenfassen, die hier ästhetisch und – ja – umweltaktivistisch beleuchtet wird. Man läuft durch ein Lebenswerk, aber auch durch einen Organismus: Gaia, die Mutter Erde selbst.
Die hochkomplexe Gaia-Hypothese, die in den 1970er Jahren von der Mikrobiologin Lynn Margulis und dem Chemiker, Biophysiker und Mediziner James Lovelock entwickelt wurde, stellt die These auf, die Erde sei weniger eine Anhäufung unabhängiger biologischer Prozesse, sondern vielmehr selbst ein eigenständiges Lebewesen, dessen Organe, Körperkreisläufe, Bewegungsmuster und Evolution letztlich wir alle sind, sowie die Natur, die Pflanzen, Tiere, Steine, die Meere, Wolken und Atmosphären. Die Vorstellung ist so überfordernd wie systemsprengend: Nimmt man diese Vorstellung eines Gesamtorganismus ernsthaft an, ist alles, was wir aktuell nicht für den Umweltschutz tun, letztlich manische Selbstverletzung. Töten wir die Bienen, tötet letztlich der Hunger, verursacht durch zu wenige bestäubte Pflanzen, uns.
Diese Dringlichkeit vermittelt die Ausstellung auf eindrückliche Weise. Man sollte die Gelegenheit nutzen mit den Initiatoren ins Gespräch zu kommen.
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Bis auf Weiteres
RENATE KIRCHHOF-STAHLMANN — IST’S VORBEI MIT DER KÄFERKRABBELEI?
KULTURBAHNHOF OTTENSOOS, Bahnhofstr. 11, Ottensoos
Infos und Begleitprogramm: kulturbahnhof-ottensoos.de
Geöffnet: Sonntags 14 – 17 Uhr
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