Filmhaus: Ausverkauft auch ohne Millionenbudget
#Barbie, #Filme, #Filmhaus, #Kino, #Oppenheimer
Bei den Rückblicken auf das vergangene Kinojahr standen überall zwei Filme im Mittelpunkt, die zusammen auf den Namen BARBENHEIMER (Oppenheimer + Barbie) hörten. Und tatsächlich war es ein erstaunliches Phänomen, dass sich im Sommer 2023, also zu einer Zeit, in der das Kino normalerweise gegen Grillen, Musikfestivals und Freibad den Kürzeren zieht, für zwei, drei Wochen alles um diese beiden Filme drehte. Aber was hat es dem Kino auf Dauer gebracht? Die wirklich begeisterten Stimmen zu beiden Filmen waren eher selten, es ging eher darum, „dabei zu sein“. Im Oktober und November waren die großen Kinosäle dann eher spärlich gefüllt und das, obwohl der Herbst üblicherweise die Kinohauptsaison ist. War BARBENHEIMER also die vielbeschworene „Rettung des Kinos“? Oder doch nur ein Strohfeuer?
Was an diesem Phänomen gerne übersehen wurde: der Hype kam nicht von ungefähr. Es gab für beide Filme riesige Werbebudgets, bei BARBIE waren es 140 Millionen Dollar. Das sind Gefilde, in die sonst nur AVATAR, STAR WARS & Co. vordringen. Zugleich war BARBIE für viele Besucher*innen der erste Film, für den sie seit der Pandemie mal wieder ins Kino gegangen sind. Es wäre für die Zukunft ein trauriges Bild, wenn Leute nur noch ins Kino gehen, wenn sie mit millionenschwerer Dauerwerbung zugeballert werden. Doch abseits vom Strohfeuer BARBENHEIMER gibt es ein Kinoleben, das vielleicht nicht zum Bürogespräch in der Mittagspause wird, das jedoch zeigt, wie neugierig und begeisterungsfähig Kinogänger*innen sind. Seit der Pandemie hat sich das Publikum in den Arthouse-Kinos deutlich verjüngt und selbst wenn sich die kleineren aktuellen Filme gerade manchmal schwertun, ist die Liebe zur großen Leinwand ungebrochen. Besonders deutlich wird das bei älteren Filmen, dem sogenannten Repertoire, wie es das Filmhaus Nürnberg schon seit eh und je anbietet. Die britische Tageszeitung The Daily Telegraph rief im November den „repertoiry cinema boom“ aus und sah darin „den überraschendsten Medientrend des Jahres“. Nicht nur wenn große Filmklassiker auf die Leinwand zurückkehren, auch bei Nischenfilmen und wiederentdeckten Perlen sind die Kinosäle voll, ob mit jungen oder alten Zuschauer*innen, ob in Montreal, London, Bordeaux oder Bratislava. Ein Trend, der auch bei uns sichtbar ist.
Das Interesse für diese Filme kommt natürlich nicht von ungefähr. Neben der Faszination, die ein Film häufig nur im Kino entfalten kann, dürfte einer der Hauptgründe die wachsende Unzufriedenheit mit den Streamingplattformen sein, denn wo können wir an ältere oder unbekannte Filme ohne große Umstände herankommen? Noch in den 1990er Jahren waren Repertoire-Filme im Nachtprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens präsent, heute sind sie im Dschungel
der zahllosen Streaminganbieter schwer oder gar nicht zu finden. Das mangelnde Angebot treibt sogar die Preise für manche gebrauchte DVD – ein Medium, das manche schon für Tod erklärt haben – in schwindelerregende Höhen. Es scheint sich also eine gegenläufige Bewegung zu den allmächtigen Plattformen und ihrer Algorithmen abzuzeichnen. Der US-Journalist Kyle Chayka vom Magazin New Yorker hat dazu gerade ein Sachbuch veröffentlicht: „Filterworld. How Algorithms Flattened Culture“ setzt sich kritisch mit der digitalen Kulturindustrie und wie diese unser Leben verändert auseinander. Das hat bei ihm wenig mit Kulturpessimismus zu tun, eher mit der Frage, wie sich persönlicher Geschmack im Zeitalter des digital gefilterten Contents bilden kann. Chayka ist überzeugt, dass wir zur Geschmacksbildung nicht darum herumkommen, uns mit den Dingen aktiv auseinanderzusetzen, anstatt sie nur zu konsumieren. Er hebt auch die Bedeutung von Kurator*innen hervor (eine Aufgabe, die wir als Filmhaus-Team sehr ernst nehmen!) und dass diese nicht gleichzusetzen sind mit Gatekeeper*innen. Womit uns die Findung eines eigenständigen Geschmacks belohnt, so Chayka, ist ein freudvollerer, nachhaltiger und zufriedenerer Umgang mit Kultur.
Klingt gut, oder?
Als Filmhaus Nürnberg bauen wir darauf, dass unser Kinopublikum zur Geschmacksbildung Lust hat, auch Filme ohne große Werbebudgets und ohne Empfehlungsalgorithmen zu sehen. Wir schließen weiterhin Lücken im Kinoangebot der Stadt, bereiten liebevoll Filmreihen vor und bieten Einführungen, die den Film kontextualisieren. Wie vielfältig und anregend das sein kann, zeigen die nächsten Wochen mit einer Werkschau des thailändischen Filmkunst-Stars Apichatpong Weerasethakul, älteren Filmen von DUNE-Regisseur Denis Villeneuve, aktuellem Kino aus Lateinamerika oder SHOWING UP, dem vielgelobten neuen Werk von FIRST COW-Regisseurin Kelly Reichardt.
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FILMHAUS NÜRNBERG
Alle Infos und Termine gibt es unter www.filmhaus.nuernberg.de
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