Staatstheater: Ein Sci-Fi-Noir-Abenteuer in der virtuellen Realität

SAMSTAG, 18. NOVEMBER 2023, STAATSTHEATER

#Digitales Theater, #Nils Corte, #Philipp Löhle, #Staatstheater Nürnberg, #Symmetrie, #Theater, #XRT

Für das XRT, Nürnbergs neue, virtuelle Spielstätte, haben sich Nils Corte und Philipp Löhle als zweite Premiere einen Sci-Fi-Noir-Krimi ausgedacht und ihn in eine virtuellen Realität versetzt, die sowohl zurück wie nach vorne schaut und in der einem durchaus mal flau im Magen werden kann.

von Andreas Thamm, zuerst erschienen bei www.nachtkritik.de

19. November 2023. Die zweite Premiere in der frisch ins Nürnberger Staatstheater installierten Spielstätte für digitales Theater, XRT, sehen gerade einmal elf Leute. Das liegt nicht am mangelnden Interesse, sondern an der Exklusivität der Tickets. Die Zuschauenden stehen im Raum verteilt, immer da, wo die VR-Brillen von der Decke baumeln. Die Bedienung des dazugehörigen Controllers war im Zuge der Einführung erklärt worden: Nach vorne drücken heißt nach vorne gehen und mit dem Knopf kann man in der virtuellen Welt nach Dingen greifen … oder mit dem anderen?

Keimfrei in den Wolken

"Symmetrie", inszeniert von XRT-Leiter Nils Corte, geschrieben in Zusammenarbeit mit Hausautor Philipp Löhle, ist ein Science-Fiction-Noir-Krimi in der Zukunft, beziehungsweise eben: in der virtuellen Realität, die sich in diesen Brillen auftut. Das Publikum wurde gewarnt: Manche Menschen reagieren mit Übelkeit auf die VR, motion sickness. Es helfe, nicht zu viel durch die digitalen Welten zu wandern, was zudem die Konzentration auf die Geschichte erleichtere.

Es beginnt in einem Raumschiff: Kommandobrücke, Bildschirme, Edelstahlgrau, Panorama mit einem Planeten. Ein blonder, junger Mann stellt sich vor, Marvin, der Androide, der durch diese Welt führt und ihre wichtigsten Gegebenheiten erklärt: Wir befinden uns in der Zukunft, die Erde ist ein ruinöser, vergifteter Ort. Besser als die Menschen dort haben es die genmanipulierten Supermenschen, die GMs, die in einer keimfreien Stadt in den Wolken leben dürfen.

Als eine Fleisch-Farm, die offenbar die GMs versorgt, in die Luft gesprengt wird, wird Detective Marlow, ein First Gen, mit dem Fall beauftragt. Marlow ist zwar weiblich, aber andererseits mit Schlapphut und Mantel animiert, also ein hübsches Beispiel für den spielerischen Umgang des Teams mit den Klischees der Genres, der ganz wichtig ist für "Symmetrie". Mancher Roboter schaut ein bisschen nach Star Wars aus, den ersten Hinweis findet der Detektiv natürlich in Form einer Streichholzschachtel, der Gangsterboss heißt Jimmy Machine. Das ist alles mit unaufdringlicher Ironie geschrieben – und von Nils Gallist in 3D-Gaming-Ästhetik übersetzt.

Wie man sich in der virtuellen Welt verläuft

Der Attentäter jedenfalls ist tot, Selbstmord mit Pürierstab und Gabel ins Auge. Vielleicht steckt Jimmy Machine dahinter. Um an den heranzukommen, muss man ihm erstmal seinen Lieblingscocktail mixen. Das Publikum ist aufgefordert, die Kopfhörer herunterzuklappen, das heißt, jetzt kommt der interaktive Teil, der Gaming-Part im Gaming-Theater. Die Welt in den Brillen öffnet sich und elf kleine Roboter taumeln durch die neonblinkenden Häuserschluchten dieses Zukunfts-Manhattans, um irgendwelche obskuren Bestandteile des Cocktails einzusammeln.

Das ist schon ziemlich spannend, im ersten Moment zumindest. Die ohnehin schon sehr andere Theatererfahrung wird noch einmal potenziert. Das Zuschauer*innen-Kollektiv ist gefragt, an der Handlung teilzunehmen und sich innerhalb gewisser Grenzen frei durch diese liebevoll gestaltete Welt zu bewegen, animierten Hotelmitarbeiter*innen und Organhändler*innen zu lauschen und sich ein bisschen zu verlaufen. Dem Rezensenten, der genau nichts von den gewünschten Zutaten beisteuern kann, wird jetzt tatsächlich ein bisschen flau im Magen.

Die Funktion der Zuschauer*innen ist am Ende natürlich marginal. Es geht, wie bereits in Mythos P.A.N. und wie wahrscheinlich noch häufig in diesen Anfangstagen des XRT, vor allem darum, die Möglichkeiten zu demonstrieren, das technische Besteck anzuwenden. Superspannend ist das, ja, aber der große Wurf am XRT steht noch aus. Open World in der VR-Brille wie an diesem Abend ist eine Spielart absoluter Involvierung in das Geschehen – und hier wird es bei nächster Gelegenheit möglicherweise noch weiter in die Tiefe gehen.

Hinter den VR-Kulissen

Aber zurück zu unserem Krimi. Dessen Handlung wurde bewusst einfach gehalten. Dennoch ist es schwer, ihr zu folgen, weil man sich ja auch orientieren will, in der Retro-Spielhölle, in der Bar, im Büro von Jimmy Machine… Am Ende ist das, was Nils Corte und Co. hier auffahren, natürlich Theater: Man folgt live der Handlung, die auch eine moralische Frage in den Raum stellt, danach, wo Menschsein eigentlich beginnt. Davon abgesehen unterscheidet sich das Erlebnis in nahezu jeder Hinsicht von dem, was man aus dem Theater gewohnt ist. Es ist eine andere Überforderung, ein anderes Körpergefühl, eine andere visuelle Welt.

Es sei denn, man nimmt die Brille ab, was einen ganz eigenen Reiz hat. Nun verfolgt man nicht nur das Geschehen rund um Marlow und Marvin auf dem Bildschirm, sondern, klein daneben, auch seine Herstellung: Die Schauspieler*innen hinterm schwarzen Vorhang werden gefilmt. Sie alle tragen türkisfarbene Trainingsanzüge und, logisch, VR-Brillen und es ist ein eigenes Spiel im Spiel, zu identifizieren und zu entziffern, welche Bewegungen der Menschen sich in welchen Avataren abbilden.

Womit man, auf eine Weise, auch wieder am Kern der Handlung angekommen wäre: Die neuen Supermenschen wollen sich alleine absetzen, ohne die eigentlichen echt echten Menschen, die in den giftigen Ruinen zurückbleiben sollen. Der Anschlag war wohl nur ein Ablenkungsmanöver und der gutmütig naiv plappernde Android Marvin, der sich gegen seine Pro-GM-Programmierung wehren muss, bemerkt, auf einmal ganz spitz: "Sogar die Rettung der Menschheit überlasst ihr einer KI."

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Symmetrie
von Nils Corte, Co-Autor: Philipp Löhle
im Staatstheater Nürnberg




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MAGAZIN  
 
Thomas Köck hat, das hört man eher selten, ein Stück geschrieben, das nicht zum Nachdenken anregen soll. Es zeige einfach nur die Fakten auf. Fast resigniert klingt dementsprechend der Titel: Und alle Tiere rufen: dieser Titel rettet die Welt auch nicht mehr zeigt die Konsequenzen der Existenz und Dominanz des Menschen auf diesem Planeten auf. Regie führt Christoph Dechamps, auf der Bühne steht Thomas Witte. Premiere am 19. April. Das nächste Gostner-Endzeit-szenario folgt dann im Mai: Monte Rosa erzählt von drei Bergsteigern auf den Weg zu den Gipfeln. Für diese drei zählt nichts als der Aufstieg, alle zwischenmenschlichen Beziehungen sind zweckmäßig gedacht. Theresa Dopler hat eine Dystopie geschrieben, in der das Konkurrenzdenken unserer Zeit auf die Spitze getrieben wurde. Premiere: 4. Mai.

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Gostner Hoftheater   
Austraße 70, Nbg.



Salz+Pfeffer
 
Mord im Theater Salz+Pfeffer! Beziehungsweise, schon im Theater Salz+Pfeffer, aber eigentlich in der kleinen Pension Monkswell-Manor in England. Zwei alte Damen hören von dem Fall im Radio und fühlen sich dazu berufen, der Sache nachzugehen und ihn aufzuklären, klar. 
Zum Glück bringen die beiden neben einer Menge englischen Humor auch ausreichend kriminalistisches Gespür mit. Mausefalle ist ein typischer Krimiabend nach Agatha Christie. Paul und Wally Schmidt schlüpfen selbst in die Rollen der ermittelnden Damen. Die verdächtigen Figuren stammen von Ralf Wagner und Uschi Faltenbacher. Termine: 16., 21. und 22. April. 
Und apropos alte Dame: Der Besuch der alten Dame nach Friedrich Dürrenmatt läuft im Salz+Pfeffer in April und Mai ebenfalls weiterhin. Ein Welterfolg des Nachkriegstheaters, in Puppen übersetzt in der Maskenwerkstatt Marianne Meinl.

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Theater Salz+Pfeffer
Frauentorgraben 73, Nbg.

 
 
Ungewöhnliche Produktionen, gerade im Tanzbereich, finden einen Ort in der Tafelhalle. Z.B., wenn man nicht nur mit Menschen performt, sondern auch drei autonom fahrende Soundroboter mit auf die Bühne holt. Mit zwei Tanzenden zusammen bilden die Robos in Alexandra Rauhs Tanz-Performance mit Soundinstallation Glitching Bodies einen Gesamtorganismus, der die Frage aufwirft, wer hier eigentlich von wem beeinflusst wird. Am 21. und 22. April nochmal anschauen. Und dann gleich am 23. April wiederkommen, wenn der liebe Herr Egi Egersdörfer in der Tafelhalle seine Geschichten aus dem Hinterhaus darbietet. Das Ensemble Kontraste ist außerdem gleich zwei Mal zu Gast: Am 29.04. mit Debussy, Bartok und Ravel für vier Hände, an Klavier und Schlagwerk. Am 07.05. dann lädt Schauspielerin Adeline Schebesch ins Dichtercafé, die uns mitnimmt auf Goethes italienische Reise. Dazu hören wir gerne Mozart. 

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Tafelhalle 
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg.

 
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