Theater: Kicheralarm im blühenden Blödsinn
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„Dieses Stück geht schief“ - Premiere im Nürnberger Schauspielhaus.
Rezension von Andreas Radlmaier
Endlich mal Krisen ohne ernsthafte Folgen für uns alle: Am Ende der Premiere im Nürnberger Schauspielhaus gelöster Kicheralarm wie beim „Quatsch Comedy Club“, dazwischen Pausenabgänge von Besuchern, die irrtümlicherweise Haltung hinter der Unterhaltung erwartet hatten, ganz am Anfang, noch bevor die Vorstellung losgeht, bereits sich bahnbrechende Anzeichen von Pleiten, Pech und Pannen. Ein Bühnenhund wird da vermisst und im Parkett gesucht, eine „Duran Duran“-CD-Box ebenso, ein Besucher muss bei der Wandregal-Montage helfen. Die Verwirrtheit hat viele Gesichter.
Eins ist klar: „Dieses Stück geht schief“. Der Titel ist folglich Grundsatzprogramm, der Irrsinn hat Methode. Besagte Slapstick-Komödie hat auf ihrer internationalen Erfolgskurve vom Westend bis zum Broadway nun das Staatstheater erreicht. Humor-Spezialist Christian Brey, vor Ort u.a. mit „Schtonk!“ und „Komödie mit Banküberfall“ bereits erfolgreich im Einsatz, lässt das Chaos kontrolliert zünden. Die richtige Comedy-Explosion bleibt allerdings aus. Der funkensprühende Kurzschluss am bedrohlichen Kronleuchter zum finalen Blackout mag da als Symbol herhalten.
Das Laienspiel ist bekanntlich ein unerschöpflicher Quell der Freude. Das Autoren-Trio Jonathan Sayer, Henry Shields und Henry Lewis lassen in „Dieses Stück geht schief“ den Mut zur Blamage tsunamiartig über die Ufer treten. Sie erzählen ein Stück im Stück. Die Grundierung mit dem hanebüchenen Agatha-Christie-Verschnitt „Mord auf Schloss Haversham“ bildet für die grellbunte Theater-Truppe von Studierenden, die den Krimi zielsicher in den Sand, oder genauer: in den Schnee setzen, nur die stets einsturzgefährdete Kulisse für Knallchargen-Patzer aller Art. Wen interessiert da noch, dass der Mörder weder der Butler noch der Gärtner ist.
Im Sekundentakt fallen Requisiten von der Wand, Schauspieler aus der Rolle oder gegen Türen, die Handlung ins Nichts. Da reißt das Tuch der Totenbahre, werden Auftritte und Einsätze reihenweise vergeigt, die Standuhr als weibliche Hauptfigur in Ermangelung der eingesperrten Person auf die Chaiselongue gebettet, führen Waffen ein Eigenleben, grandiose Texthänger zu Verzweiflung und Trunkenheit und erzwungene Ersatzbesetzungen zu krachenden Zickenkrieg-Einlagen. „Ich kann alles erklären“, sagt ein Schlossbewohner mittendrin. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, antwortet der Inspektor mörderisch trocken. Verwechslungen, Verwüstungen und Verrenkungen rauschen da längst am Nonsense-Fließband vorbei. Antreten zum Ablachen.
Amadeus Köhli als Beifall heischende Rampensau mit leicht obskuren Familienwurzeln sticht im Ensemble der hoch professionellen Dilettantinnen und Dilettanten (Stephanie Leue, Pius Maria Cüppers, Luca Rosendahl, Joshua Kliefert, Nicolas Frederick Djjuren, Thorsten Danner, Katharina Kurschat) besonders heraus. Regisseur Christian Brey lenkt das Ensemble solide durch das sinnfreie Vergnügen, das man auch als solidarischen Jubiläumsgruß an die nachbarstädtische Comödie in Fürth (sie feiert ihr 25jähriges Bestehen) verstehen könnte. Blühender Blödsinn muss sich wieder lohnen.
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Weitere Aufführungen von „Dieses Stück geht schief“
Fr., 03.11.2023, 19.30 Uhr
Do., 09.11.2023, 19.30 Uhr
Di., 14.11.2023, 19.30 Uhr
Sa., 18.11.2023, 19.30 Uhr
Fr., 24.11.2023, 19.30 Uhr
So., 26.11.2023, 19.00 Uhr
Fr., 01.12.2023, 19.30 Uhr
Fr., 08.12.2023, 19.30 Uhr
So., 10.12.2023, 19.00 Uhr
Do., 14.12.2023, 19.30 Uhr
Sa., 16.12.2023, 19.30 Uhr
Sa., 23.12.2023, 19.30 Uhr
Sa., 30.12.2023, 19.30 Uhr
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www.staatstheater-nuernberg.de
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