Kleine Ausflüge vom Egersdörfer und dem Herrn Jordan: Segen der Erde

MONTAG, 23. OKTOBER 2023

#Egersdörfer, #Matthias Egersdörfer, #Michael Jordan

Neben dem bebüschelten Bahndamm verläuft ein geschotterter Weg. Den läuft die ältere Frau mit der grauen Hose entlang, während sie zu dem neben ihr laufenden Hund eine Aufforderung hinunterspricht, das Bellen doch besser wieder zu beenden. Links vom Vierbeiner verdeckt eine Hecke den Blick ins Gelände. Dunkle schwarze Beeren wachsen auf den Zweigen.

Aus der anderen Richtung kommt ein Mann in Arbeitshose. Vor sich her schiebt er auf einem kleinen Wägelchen einen vollen Kasten Bier. Er öffnet am Ende der Hecke eine Tür, hinter welcher ein langer Zaun die Parzellen zum Osten hin umgrenzt. Nachdem er das kleine Gefährt durch den Durchgang gerollt und abgestellt hat, schließt er sofort wieder die Tür hinter sich. Leise krauschend rollen die Räder auf den kleinen Steinchen den Gerstensaft zum Ort der Verkostung. Über zwei Reihen Stacheldraht steht auf einem weißen Schild in grüner Schrift: „93 Jahre Gartenkolonie Segen der Erde.“ In der wärmlichen Luft des Frühlingsnachmittags wehen gelegentlich einige Fahnen und lassen es gleich anschließend wieder bleiben.

Eine Frau gießt mit dem Schlauch in müder Ernsthaftigkeit die trockne Erde. Die strebsamen Forsythien strecken sich gelb in fast kahlen Grundstücken. Ein ausgebleichtes Hirschgeweih unterm Giebel des Häuschens. Gemauerte Grills lauern im Schatten. Manischer Topfgarten. Hängend, hinauf und hinunter, auf Regalen und Ständern Blumengefäße. Bunte Tiegel in Türmen übereinander. Zwerge, Bürglein und eine Vogelhausstadt im Durcheinander. Hinterm Schupfen sägt der Fuchsschwanz. Woanders zupft eine Frau kniend und schweigend Unkraut. Kurz verharrt sie. Schaut, ohne etwas zu sehen, flüchtig ins Nichts hinein. Dann setzt sie das Rupfen fort. „Aus hygienischen Gründen wird die Toilette videoüberwacht“, steht auf einem anderen Schild. Bunte Plastikeier hängen reglos im kahlen Busch. Großzügig gedüngt und satt grün leuchtet ein Stück akkurat geschnittener Rasen.

Der Mann mit  Hut und Sonnenbrille schaut auf den Wasserstrahl, der aus dem Gartenschlauch kommt, und wendet sofort den Blick zur Grenze seiner Liegenschaft, sobald jemand vorbeiläuft. Ein endloser Güterzug mit Neuwagen, in Schutzhüllen verpackt, rauscht oben durchs Bild und übertönt die Bohrmaschine. Zwei gemütlich rundliche Männer mit Schirmmützen auf dem Kopf lachplaudern ausgelassen. Sie erheben die Weizengläser wie Pokale. Auf dem Tisch stehen Flaschen. Daneben zwei schweigende Frauen. Der direkte Nachbar mit seinen orangenen Handschuhen sägt an einem liegenden Baumstamm, als wär es seine Pflicht. Der freche Apfelbaum wurde zurechtgestutzt. Hoffentlich hat er jetzt verstanden, um was es geht. Ein Kakadu aus buntem Blech. Blechstörche. Blecheulen. Blechritter. 

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Matthias Egersdörfer     
Michael Jordan     
Der Egersdörfer und Michael Jordan machen gelegentlich gemeinsame Ausflüge. Dann zeichnet der Jordan den Teil der Welt, den er von seinem Platz aus sehen kann. Der Egers schreibt, was er erblickt. 

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EGIS Termin im Oktober:    
28.10. // Egersdörfer & Fast zu Fürth - Bitte ruf mich nie wieder an Tour im Transfer in Erlangen

Michael Jordan
Zum Comicfestival Hamburg (28.09.—01.10.2023) erscheint „Tandem - in der Lehre bei Anke Feuchtenberger“, u.a. mit einem Beitrag von Michael. 
www.mamiverlag.de und www.comicfestivalhamburg.de




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#Egersdörfer, #Matthias Egersdörfer, #Michael Jordan

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AKADEMIE DER BILDENDEN KüNSTE. Text Matthias Egersdörfer

Der Moll war ein sehr langsamer Mensch. Er fuhr zum Beispiel mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit Fahrrad. Wäre er auch nur eine Kleinigkeit langsamer gefahren, wäre er schlichtweg umgefallen. Sah man den Philipp zum Beispiel von der Weite aus auf seinem alten Holland-Rad, musste man annehmen, dass er völlig reglos darauf saß und sich nicht bewegte. Auf der anderen Seite verfügte der Moll über eine blitzschnelle Auffassungsgabe. Jahrelang waren wir gemeinsam zum Christlichen Verein Junger Menschen hinmarschiert und hatten mit schier unermesslichem Übermut die Bibel bis knapp zum Irrsinn zerdeutet, hernach in herzlicher Zugewandheit mit den anderen Christenknaben bis zum Ohrenglühen gerauft und auch ansonsten keinen evangelischen Blödsinn ausgelassen. Dann, von einem Tag auf den anderen, war der Philipp nicht mehr hingegangen. Hat wortlos die Kündigung eingereicht. In Ewigkeit. Amen. Aus die Maus. Ich habe es am Anfang nicht begriffen. Es hat einige Zeit gebraucht. Das holdselige Himmelreich hatte seine Grenzen, von engstirnigen Glaubensbeamten errichtet. Da konnte man sich sauber daran derrennen. Und zum Müffeln hat es allenthalben auch schon angefangen gehabt. Junge Männer waren dazu gekommen, die sich für etwas besseres hielten, und vorbei war es mit unserem klassenlosen Bubenclub. Der Moll hatte einen Riecher. Dann hat er sich verzupft. Ohne Getu. Ohne Spektakel und großes Reden. Ich habe länger dazu gebraucht, das zu begreifen.
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HERSBRUCK. Bahnhof FÜRTH

Auf der blauen Himmelsleinwand über dem sandsteinernen Bahnhofsgebäude wurde ein Pinsel mit weißer Tünche immer wieder über die ganze Fläche abgestreift, um die Farbe aus den Borsten zu bekommen. Daneben im grauen Hochhausklotz glotzten die hundert schmalen Fensteraugen in müder Verschlagenheit. Auf den Bahnsteigen hingen blau gerahmte Displays in der Luft und zeigten den Reisenden die nächsten und übernächsten Anschlüsse hin zu anderen Bahnsteigen. Ein Mädchen mit weißen Steinchen im Ohr bewegte die kreidebleichen Turnschuhe mit ihren munter wiegenden Füßen und sprach und lachte mit einer Person an einem anderen Ort. Sanft griff sie in eine lange Strähne und zwirbelte das blonde Haar. Der Mann daneben löste seine Maske vom Ohr und trank vorsichtig aus der Mineralwasserflasche. Ein anderer hielt sich fast klammernd am Riemen der Tasche.

Eine Bahn fuhr heran. Seine Beine liefen zu den sich öffnenden Türen. Er verschwand. Die Türen schlossen sich. Die Bahn fuhr davon. Eine Frau mit gradem schwarzen Scheitel ließ eine Tasche unter dem Hintern nach vorne und hinten baumeln. Sie trug noch einen Beutel über der Brust und einen Rucksack am Rücken, als wolle sie sich von allen Seiten beschweren, um der Gefahr zu entgehen davonzufliegen wie der fliegende Robert. Dann pfiff hinten eine braune Lok, die sogleich geschäftig vorbeirollte, als habe sie im Lotto gewonnen. Dem geduldigen Postgebäude zur linken war ein Lederdach aufgesetzt worden. Wie braune Kappen auf den Köpfen von Knechten die im Viereck, Schulter an Schulter stumpf mit gestrecktem Rücken nebeneinender harren, stand es da und wartete auf Befehle. Direkt davor hatte man schwarze und gelbe Tonnen in einen engmaschigen Zwinger gesperrt. Die Quer- und Längsverstrebungen eines grünen Metallmasten überkreuzten sich im Blick darauf. Mit einer daran befestigten grauen Stangenkonstruktion wurde die elektrische Oberleitung recht aufwendig in die Luft gehalten. Weiße parallele Streifen flankierten im Sonnenlicht die Bahnsteigkante. Der Kabarettist stieg in die nächste Bahn nach Hersbruck ein und setzte sich zum Grafiker, der schon  im Waggon saß.
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Kultur  19.10.-15.11.2024
NÜ/FÜ/ER.
Text: Tommy Wurm
Oktober und November sind die perfekten Kabarett- und Comedy-Monate. Draußen ist es dunkel und die Seele braucht Wärme, Freude und Humor. 
Hier eine subjektive Auswahl, die euch den Herbst versüßen soll. Witzig, oder?

Fee Bremberck  –  Erklär’s mir, als wäre ich eine Frau 
19.10., Burgtheater Nürnberg
Die 30-Jährige Münchnerin Felicia “Fee“ Brembeck ist eine vielseitige Künstlerin. Sie schreibt Bücher, gewinnt Preise beim Poetry-Slam und hat einen Masteranschuss in Operngesang. Ihr aktuelles Programm “Erklär’s mir, als wäre ich eine Frau“ dreht sich um das leidige Thema Mansplaining. Gutgebildete Männer in den besten Jahren erklären jüngeren Frauen die Welt. Klar, sie meinen es doch nur gut, oder? Viele wahrscheinlich schon, aber das ändert ja nichts an der Tatsache, dass diese verbale Übergriffigkeiten schon immer ein No-Go sind. Fee erörtert dieses Thema mit viel Witz und Charme, nicht ohne die Torstens dieser Welt (die meisten Mansplainer dieser Welt heißen ihrer Meinung nach Torsten) klar zu benennen und in die Schranken zu weisen. Macht Spaß.   >>
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