Der Fall Banu Büyükavci: Wer oder was ist Terror?
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Unser rasender Reporter Silvan Wilms war bei der Buchvorstellung von „Meine Zelle war ein großer Garten – Der Fall der türkischen Ärztin und Kommunistin Banu Büyükavci“ von unserem Kunst-Redakteur Marian Wild dabei.
Es ist schon eine bemerkenswerte Atmosphäre am Mittwochabend im siebten Stock des Gewerkschaftshauses am Kornmarkt. Steht man am Fenster, kann man direkt auf die Säulen der „Straße der Menschenrechte“ sehen. Im Raum versammelt: ein bunter Haufen Meschen, vom katholischen Priester über Mitglieder eines Motorradclubs bis hin zu eingefleischten Kommunist*innen.
Was diese Leute eint, ist dass sie alle Teil einer gemeinsamen Bewegung waren und sind, die das Gesicht von Dr. Dilay Banu Büyükavci, genannt Banu, trägt. Sie lebt seit achtzehn Jahren in Deutschland und ist Fachärztin für Psychosomatik und Psychiatrie. Außerdem ist sie Mitglied der TKP/ML, einer türkischen kommunistischen Partei, die in Deutschland nicht verboten ist, von der türkischen Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan aber als terroristische Organisation eingestuft wird. Allein für diese politische Gesinnung – nicht etwa aufgrund von tatsächlich begangenen Straftaten – wird Banu, wie neun weitere Angeklagte, im April 2020 von einem deutschen Gericht als Terroristin verurteilt, nachdem sie bereits knapp drei Jahre in Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis Stadelheim in München verbracht hat, davon vier Monate in Isolationshaft. Grundlage für dieses Urteil ist der umstrittene Paragraph 129 StGB. Zusätzlich zur bereits abgesessenen Strafe droht ihr daraufhin die Abschiebung in die Türkei, wo sie als Regimegegnerin Unterdrückung und im schlimmsten Falle Folter erwarten. Dagegen formt sich, trotz der Pandemie und des Lockdowns, unter gewerkschaftlicher Initiative eine facettenreiche Solidaritätsbewegung, die mit Briefen und wöchentlichen Mahnwachen auf die Ungerechtigkeit gegen Banu Büyükavci hinweist und für ihren Verbleib in Deutschland einsteht. Im August 2021 ist schließlich klar: Das Verfahren ist ruhend gestellt, eine Wiederaufnahme allen Einschätzungen zufolge unwahrscheinlich.
Mit diesem vermeintlich dauerhaften Erfolg im Rücken kommen also an jenem Mittwochabend, den 20. September 2023, viele an der Bewegung Beteiligte erneut zusammen, zum freudigen Anlass der Vorstellung des über Banu, ihre Geschichte und ihren Fall erschienenen Buchs. Durch diverse Interviews, Reden und Texte mit und von Beteiligten, wie etwa den ver.di-Initiator*innen oder Yunus Ziyal, einem ihrer Anwälte, allen voran aber natürlich mit Banu Büyükavci selbst werden die Geschehnisse rekapituliert. Vor allem aber wird „aus diesem Fall ein Mensch“ (Zitat: Autor Marian Wild), tritt eine beeindruckende Persönlichkeit in Erscheinung, die wider aller Ungerechtigkeit zu keinem Zeitpunkt ihren Mut und ihre unerschütterliche Haltung verliert.
„Es kann mich niemand dazu zwingen, meine Augen vor Ungerechtigkeit zu verschließen und zu schweigen.“
Es ist eben diese Haltung, dieser unbedingte, wenn auch stets in bescheidenen Worten geäußerte, Wille sich Repression nicht zu beugen, der hier viele inspiriert. Eben diese Haltung ist aber auch der Grund, weshalb der Abend – für die meisten völlig unerwartet – auch ein Abschied wird. Denn seit Anfang August liegt ein erneuter Ausweisungsbescheid vor. Das Verfahren liegt nicht mehr in der Verantwortung kommunaler Behörden, sondern wird nun auf Ebene des bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen geführt. Eine tatsächliche Abschiebung ließe sich zwar juristisch verhindern, mit einem daraus folgenden Duldungsstatus aber gingen erhebliche Einschränkungen und eine faktische Rechtslosigkeit einher. Für Banu ist klar, mit einem Leben in Freiheit und Würde ist das nicht vereinbar. Als sie ihre Dankbarkeit für die Solidarität und Unterstützung der letzten Jahre zum Ausdruck bringt, fließen nicht nur ihre eigenen Tränen. Für viele hier ist es eine bittere Erkenntnis, aber feststeht: Banus Zukunft liegt nicht länger in Deutschland.
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Die Gewerkschaft verdi hat derweil eine erneute Unterschriftenaktion gestartet, ihr findet sie hier.
Marian Wild u.a.: Meine Zelle war ein großer Garten – Der Fall der türkischen Ärztin und Kommunistin Banu Büyükavci
erscheint bei Starfruit Publications, herausgegeben von den Naturfreunden Nürnberg Mitte.
176 Seiten, 25 Euro.
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