Ein ständiges Kommen und Gehen: Migration im Kino
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Ein Filmhaus-Gastbeitrag
Eigentlich eine ziemlich seltsame Sache, wie in unserer Gesellschaft über „Migration“ gesprochen wird, als hätte es Auswanderung und Zuwanderung nicht schon immer gegeben, als wäre es nicht ein Thema, das die Menschheitsgeschichte prägt. Das scheint gerne in Vergessenheit zu geraten, wenn das Thema Zuwanderung heute dazu benutzt wird, starke Gefühle zu erzeugen – und mit diesen Gefühlen Politik gemacht wird. Dabei ist die Erfahrung der Migration aus unserer Kultur schon seit Jahrhunderten nicht wegzudenken.
Denn in den Geschichten, die wir uns erzählen, hat sie zweifellos schon immer eine Rolle gespielt. Zu finden ist sie etwa in der Heldenreise, einem der Grundmotive der menschlichen Kultur. Im Kern geht es bei vielen Mythen und Sagen um das Verlassen eines Ortes und um die Herausforderung, woanders klarzukommen. Im Kino gibt es vieler solcher Aufbrüche ins Ungewisse, sei es im Road Movie, bei den Superheld*innen oder bei der Reise zu fernen Planeten. Migration ist im Kino aber auch auf anderer Ebene präsent: Der Siegeszug Hollywoods war vielleicht nur möglich, weil dort Migrant*innen von überallher zusammenkamen, um etwas zu schaffen, das an vielen Orten der Welt verstanden wird. Auch etliche deutsche Filmschaffende machten in den USA Karriere, Ausnahmetalente wie Max Ophüls, Marlene Dietrich oder Fritz Lang. Die Rassen- und Kulturpolitik der Nazis hatte sie zur Flucht gezwungen – in der Kulturlandschaft hierzulande hinterließen sie eine Lücke, die nach 1945 kaum zu füllen war.
Die Migrationsbewegungen ab den 1950er Jahren, als Arbeitsmigrant*innen angeworben wurden und zu Zehntausenden nach Deutschland kamen, schlugen sich im Kino ebenfalls nieder, doch erlangten die Filme, trotz hoher künstlerischer Qualität und wichtiger Inhalte keine große Popularität. Diese heute wieder zu zeigen und mit neuen Augen zu sehen ist das Ziel der Filmreihe Grenzen in der Mitte im Filmhaus Nürnberg.
Die Erkenntnis, dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben, hat sich inzwischen durchgesetzt. Was sagen uns diese Filme nun über die letzten Jahrzehnte Migrationsgeschichte hierzulande? Für die Filmreihe, die begleitend zur Ausstellung Horizonte des Germanischen Nationalmuseums stattfindet, haben die beiden Kurator*innen Biene Pilavci und Enoka Ayemba vor allem Werke ausgewählt, die sich aus einer Innensicht mit dem Thema auseinandersetzen. Es wird nicht über die Migrant*innen erzählt, sie entwickeln und dokumentieren selbst ihre Geschichten, multiperspektivisch und ohne pädagogisch zu sein. Eine Filmauswahl, die viele augenöffnende Kinoerlebnisse bietet. Sema Poyraz und Sofoklis Adamidis beispielsweise drehten bereits 1980 ihren intensiven Spielfilm GÖLGE über eine junge türkischstämmige Frau, die von einem Schauspielstudium träumt. Sohrab Shahid Saless erzählte in EMPFÄNGER UNBEKANNT schon 25 Jahre vor GEGEN DIE WAND von einer Frau, die aus beengten traditionellen Familienverhältnissen ausbricht und mit ihrem Liebhaber „durchbrennt“. Und in MAN SAY YAY rückt Safi Faye die Lebensbedingungen senegalesischer Einwanderer*innen im Berlin der 1980er Jahre in den Fokus.
Insgesamt sind es über 20 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme, die noch bis 23. Juli vielfältige Perspektiven auf das Thema Migration eröffnen. Begleitend dazu sind an acht Terminen Filmschaffende zu Gast und stehen bei Filmgesprächen Rede und Antwort. Es sind hervorragende Gelegenheiten, endlich das ganze Bild der jüngeren deutschen Filmgeschichte wahrzunehmen. Oder wie es die beiden Kurator*innen ausdrücken: „Die Filme zersprengen Grenzen und schaffen neue Räume (…) sie schlagen den Bogen für eine postmigrantische Gesellschaft.“
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Filmhaus Nürnberg
„Grenzen in der Mitte“ – Filmreihe vom 15.06.–23.07.
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