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MFK New Realities: KI wird unser Leben umkrempeln

SAMSTAG, 24. JUNI 2023, MUSEUM FüR KOMMUNIKATION

#Annabelle Hornung, #Ausstellung, #Interview, #KI, #Maren Burghard, #Museum für Kommunikation, #New Realities

ChatGPT-4 hat soeben das Bayerische Abitur mit 10 Punkten bestanden. Noch vor wenigen Monaten war dieser Test ein Debakel, ChatGPT fiel durch. Und nun: mehr Punkte im Abi als alle curt-Menschen zusammen. Wer so flink dazulernt, kann kein Depp sein. Das Museum für Kommunikation ist ebenfalls schlau und flink und hat darum eine Ausstellung über KI installiert.
Wie „echt“ bildet KI uns ab? Was „macht“ die KI mit uns, wie beeinflusst sie unsere Wahrnehmung und unsere Realität? Wie wirkt sich die KI auf unsere Gesellschaft und unser Miteinander aus? Wir wollten es vorab wissen und plauderten darüber mit der Kuratorin Maren Burghard und mit der Museumsdirektorin Annabelle Hornung.

CURT: Warum macht ein Museum für Kommunikation eine KI-Ausstellung – und was ist das Besondere daran?
AHO: Warum nicht? KI hat sehr viel mit Kommunikation zu tun, zumal sie sprachbasiert ist. Sprache ist ein Thema, das in verschiedenen Facetten in unserer Dauerausstellung vorkommt, u.a. im Bereich „Schreiben/Schrift“ oder „Hören“. Außerdem hat die KI schon großen Einfluss z.B. auf unsere Medien und so wird sie noch viele Bereiche unseres Lebens umkrempeln. KI ist kein vorrübergehender Hype, wie es das Internet auch nicht war. Problematisch ist nur, während das eine – das Internet – einen demokratischen Community-Ursprung hatte, ist KI – noch – fest in der Hand von Unternehmen. Ich hoffe, dass sich hier noch etwas ändert.

Wir haben ChatGPT gefragt, welche Fragen wir der KI-Expertin ausrichten dürfen. Der Bot fragt demnach: "Bin ich mehr als nur meine Programmierung?" und "Habe ich eine eigene Identität und Bewusstsein oder bin ich nur eine komplexe Simulation von Intelligenz?"
AHO: Ehrlich gesagt, ist die KI nicht viel mehr als ihre Programmierung und ihre Datenbasis – daher führt aus meiner Sicht das Wort „Intelligenz“ – im Sinne eines klugen und selbstständigen Denkens – in eine falsche Richtung. Ich möchte allerdings betonen, dass die KI durchaus eine ganz eigene Bildästhetik und auch „kreativ“ sein kann, denn sie kombiniert kongenial den Zeichenvorrat dieser Welt und das wieder neu. Aber was meinst du, liebe Maren?
MB: Wir können das nicht für jede entwickelte und aktuell in Entwicklung befindliche KI beantworten. In der Ausstellung beschäftigen wir uns mit KI, die Bilder generiert. Es steckt viel Mensch in dieser KI. Denn auch, wenn wir nicht im Detail nachvollziehen können, auf welchem Weg die KI zu einem Ergebnis kommt – am Ende bewerten Menschen dieses Ergebnis, und so lernt die KI. Midjourney hat Millionen User, die täglich durch ihr Verhalten das Modell trainieren. „Schön“ ist das, was Millionen User als schön empfinden, die KI entwickelt dazu kein eigenes Urteil. Zudem hat Bild-KI kein eigenes Verständnis von Naturgesetzen. Sie reproduziert Bildelemente auf Pixelebene, um unseren Prompts – den Befehlen in natürlicher Sprache – zu entsprechen: Wie wahrscheinlich ist es, dass neben diesem orangenen Pixel ein weißes kommt? Die Datenbasis, unser Bildvorrat im Internet, kombiniert die KI mit unseren Befehlen. Wenn ein Elefant in der Luft schweben soll, dann setzt die KI das so als Bild um. Sie hat keine Instanz, die überlegt: Das funktioniert entgegen den Naturgesetzen oder wir brauchen eine Art Befestigung, oder wir setzen es durch bestimmte Marker in eine surreale Bildästhetik. Vielleicht gibt es das in zukünftigen Modellen – da dürfen wir gespannt bleiben.

Durfte eine KI auch bei der Kuration dieser Ausstellung ran? Oder: Was wäre anders, wenn sie mitgeholfen hätte?
AHO: Sicher hätte die KI aus der Vielzahl der Bilder eine Anzahl x aussuchen können und in irgendeine Reihenfolge bringen, nach der sie dann im Ausstellungsraum aufgehängt werden könnten. Allerdings ist das nicht alles, was Kurator:innen machen: sie gestalten Räume, kreieren Inszenierungen, Atmosphären, Dramaturgien und erzählen Geschichten – das ist etwas, was die KI nicht kann.
MB: Ja, das wäre tatsächlich vermutlich langweilig geworden. KI ist spannend für Detailaufgaben. Aber je genauer und leistungsstärker KI wird, desto langweiliger wird sie für kreative Prozesse, wie z.B. die Entwicklung einer Ausstellung. Wir dürfen nicht vergessen, dass die großen KI-Modelle ökonomischen Interessen folgen. Sie sollen möglichst akkurate Lösungen finden. Die KI liebt den kleinsten gemeinsamen Nenner. Was wäre also anders gewesen? Die Ausstellung wäre schematischer, austauschbar, ohne einen eigenen Stil. Auch der Bezug zu unserem Leitthema Kommunikation würde fehlen. Aber wir haben die KI in jeden Planungsschritt mit einbezogen. Selbst der Ausstellungstitel ist KI-generiert.

Ist KI der Spiegel unserer Kultur und Gesellschaft? Oder verändert sie sie am Ende unsere Kultur und Gesellschaft?
MB: Genau diese Frage stellen wir in der Ausstellung und im Rahmenprogramm. Ja, sie spiegelt wider, was sie vorfindet. Und das sind wir und unser menschlicher Zeichenvorrat: unsere Selfies im Netz, unsere Instagram-Posts, unser Text im Fantasy-Blog, unsere Kunst und Literatur, alles. KI spielt uns auch unsere Einstellungen zurück, indem sie Stereotypen übernimmt. Das thematisieren wir in der Ausstellung. Wie sie unsere Kultur und Gesellschaft verändern wird, möchten wir zusammen mit Expert:innen aus unterschiedlichen Fachgebieten mit unserem Publikum diskutieren. Wir stellen mehr Fragen, als wir Antworten geben. Alles ist im Fluss, die Entwicklung rasant. Aber wir glauben, dass wir an einer Epochenschwelle stehen.

Eröffnen sich durch die KI für uns alle ganz neue Möglichkeiten der Kommunikation?
MB: Tatsächlich ist die zwischenmenschliche Kommunikation im Moment eher weniger betroffen, und in der Massenkommunikation ist die KI schon länger angekommen. Das Thema war für die Öffentlichkeit nicht so sichtbar; erst, nachdem durch ChatGPT die Künstliche Intelligenz plötzlich für alle verfügbar und nutzbar wurde. Nun wird KI intensiv diskutiert und ist in den Medien sehr präsent.
AHO: Was sich auf jeden Fall verändert, ist das Bewusstheit über Kommunikationsmedien und über die Wahrheit von Nachrichten. Da wir nun alle mit ein paar Klicks und einer kurzen Texteingabe – ohne Fachkenntnisse – Fake-Bilder produzieren können, sollten wir dringend lernen, genauer hinzusehen, die Quellen kritisch zu prüfen und die Herkunft zu hinterfragen. Da wären wir also wieder beim viel beschworen Thema „Medienkompetenz“ und somit bei einem Kernthema der Kommunikation – und des Kommunikationsmuseums.

KI-Kunst: Bereicherung oder Gefahr für menschliche Kreativität?
MB: Eindeutig eine Bereicherung. Wenn wir eine Idee haben, können wir sie schneller und einfacher visualisieren. Die Visualisierung ist dann vielleicht schon das Produkt. Allerdings wird auch eine neue, langweilige Bilderflut auf uns zukommen. Schon jetzt beobachten wir bei der Bild-KI Modewellen in Motivik und Stil, z.B. „Retrofuturismus“, sprich Science-Fashion-Personal à la Kubrick mit überdimensionalen Multifunktionshelmen. Ein weiterer Trend sind Bilder aus der Kategorie „verschobene Maßstäbe“: Elefanten, die auf eine Hand passen oder Quallen, die so groß sind wie ein Haus. Die Frage ist doch: Wenn ich auch so ein Bild generiere – bin ich dann schon kreativ? Ich glaube, es wird so sein wie mit jeder neuen Technik oder Technologie: Kreative Menschen nutzen diese kreativ.

ChatGPT-4 hat gerade das Bayerische Abitur mit 10 Punkten bestanden. Hat es die 3er-Abiturient*innen nun offiziell „abgehängt“?
MB: Vielleicht wird es Zeit, unser Konzept von Leistungsnachweisen zu überdenken.
AHO: Dem kann ich mich nur anschließen. Das „Leistungs“-System in Schulen müsste sich eigentlich umstellen, aber leider bleibt Bayern „oldschool“ und setzt weiterhin auf Noten.

Ich würde mir für mein Outfit bei diesem Interview eine 5+ geben. Zur Eröffnung eurer Ausstellung werde ich mich aber K-intelligent rausputzen. Danke für das Gespräch!

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Museum für Kommunikation
New Realities – Wie künstliche Intelligenz uns abbildet
Ab 24. Juni 2023.




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Noch bis Frühjahr 2023 dreht sich im
Museum für Kommunikation alles um Avatare – in der Ausstellung „WhoAmIWantToBe – Avatare in digitalen Spielen“. Sie entstand in Kooperation mit dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg und präsentiert studentische Arbeiten rund um die virtuellen Personifikationen aus medien- und kulturwissenschaftlicher Sicht. Wir haben uns mit Dr. Peter Podrez, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg, und Museumsdirektorin Dr. Annabelle Hornung unterhalten.
 
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