Texttage 2023 in der Katharinenruine
#Autor*innen, #Bücher, #Festival, #Katharinenruine, #lesen, #Lesungen, #Literatur, #texttage, #Texttage 2023, #Workshops
Die Schreibenden, und curt fühlt sich ausdrücklich mitgemeint, haben in Nürnberg im Sommer einen besonderen Platz in der Stadt. Ein Wochenende lang gehört der Literatur, den Literaturschaffenden, den Literaturfans die Katharinenruine und das Drumherum. Die texttage mit textualienmarkt holen große Namen in die Stadt und präsentieren gleichzeitig die gesamte Bandbreite der regionalen Szene. Wie genau das alles von statten geht, wissen die Organisatorinnen Kathleen Röber und Grazyna Wanat.
CURT: Mögt ihr für Leute, die das gar nicht kennen, nochmal erklären, was das besondere Konzept der texttage ausmacht?
Grazyna: Was das Festival grundsätzlich von anderen unterscheidet, ist, dass wir uns auf das Schreiben konzentrieren. Die Autorinnen und Autoren, die zu uns kommen, kommen nicht nur für Lesungen, sondern auch, um Schreib-Workshops anzubieten. Und die Lesungen in der Katharinenruine sind auch keine normalen Lesungen, weil die Autor*innen da immer auch von Schreibpraktiken erzählen. Das andere ist, dass wir unbedingt diese zwei Säulen haben wollen: einerseits eingeladene Gäste, andererseits die lokale Szene.
Kathleen: Und mittlerweile gibt es auch schon Nachahmungstäter, wie du ausfindig gemacht hast.
GR: Das ist tatsächlich so. Es gibt sogar Autor*innen, die bei uns waren und mittlerweile ähnliche Dinge selbst veranstalten.
KR: Uns ist wichtig, dass das, was wir machen, für die breite Masse zugänglich bleibt. Ein Workshop mit Daniel Schreiber kostet an anderen Orten das zehnfache. Und deswegen ist der textualienmarkt auch komplett kostenlos.
War es am Anfang schwierig, ein Publikum für Schreibwerkstätten zu finden?
GW: Die größte Angst hatten wir natürlich bei der ersten Ausgabe 2019. Aber schon damals waren die Anmeldungen gut. Wir hatten die Vereinbarung mit den Autor*innen: Wenn es nicht genügend Anmeldungen gibt, dann findet der Workshop nicht statt. Am Ende haben aber alle stattgefunden. Heute ist es so, dass die ersten Anmeldungen sofort reinkommen, noch bevor wir die Werbekampagne starten. Und zwar sowohl aus der Region, aber auch deutschlandweit – manche reisen extra aus Berlin an.
KR: Wir bekommen mit, dass sich das herumspricht, weil sich die Autor*innen bei uns extrem wohlfühlen. Jetzt bekommen wir Anfragen von Leuten, die gerne wiederkommen würden. Und manche Autor*innen haben mir auch rückgemeldet, dass sie auf dem textualienmarkt waren und es extrem spannend finden, was die Szene anbietet und wie engagiert sie dabei sind. Die Menge an Angeboten begeistert mich auf jedes Jahr aufs Neue. Für diese Ausgabe war es zum ersten Mal so, dass ich Sachen ablehnen musste.
War das am Anfang für dich auch so ein Schuss ins Blaue, diesen Raum anzubieten? Es hätte ja sein können, diese freie Szene existiert gar nicht oder will ihr eigenes Ding machen?
KR: Du weißt ja selber, die Szene ist extrem heterogen. Es gibt extrem viele Gruppen und manche waren in der Tat skeptisch. Was mich sehr beeindruckt hat, ist, dass sie sich auf das Experiment total eingelassen haben und mittlerweile wirklich verinnerlicht haben, wie das funktioniert. Und wir können das finanziell stützen. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt: Alles, was da passiert, wird finanziert und unterstützt damit die Arbeit von Autor*innen und ihre Sichtbarkeit. Und wer dort seinen Verein präsentiert, gewinnt in der Regel auch neue Mitglieder.
Wie kommt euer Line-up für die Lesungen bzw. Workshops zustande? Wie viel Diskussion steckt da drin, wie viel persönliche Vorlieben?
GW: Ich würde nicht leugnen, dass persönliche Vorlieben natürlich eine Rolle spielen. Es gibt gleich am Anfang eine Wunschliste und die wird dann ein bisschen von der Realität korrigiert. Es sind immer Autor*innen, die schon mehr veröffentlicht haben. Keine Debütant*innen, sondern Menschen, die Erfolge gefeiert haben, Bestseller hatten oder supergute Kritiken.
Man muss sagen, ihr habt auch wieder ein tolles Programm mit großen Namen. Fatma Aydemir kommt, Doris Dörrie, Julia Franck, Dmitrij Kapitelmann … Wie geht es euch mit dem, was ihr da anbieten könnt?
GW: Ich bin super glücklich und ich freue mich riesig, diese Leute auf unserer Bühne zu sehen und dass sie dann auch zwei, drei Tage bleiben. Da entsteht jedes Jahr so eine kleine Gruppe, wie ein Sommercamp, und das ist wirklich ein Geschenk. Sie müssen natürlich auch hart arbeiten. Sechs, sieben Stunden Workshop plus Lesung, aber sie bekommen auch etwas dafür, unter anderem diese Dynamik unter den Autor*innen, die dazu führt, dass sie bei uns ein bisschen aufatmen können.
Welche Besonderheiten hat das Programm in diesem Jahr?
GW: Es gibt zwei: Einerseits Eva Müller, die nur einen Workshop gibt, autobiographisches Schreiben. Das ist eine Graphic-Novel-Autorin. Das andere ist das Bühnenprogramm am Samstagabend mit drei Autor*innen aus der Ukraine, die nicht lesen, sondern eine literarische Performance mitbringen: Serhij Zhadan (Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022), Yuriy Gurzhy (Gründer der Russendisko-Partyreihe in Berlin) und Irena Karpa (ehemalige MTV-Moderatorin). Das ist ein Musikprojekt, das wir in Frankfurt gesehen und gleich gesagt haben, die wollen wir! Dabei hören wir ukrainische Texte aus den 20er-Jahren, die zu einer Disco-Version verarbeitet werden. Mit Irina werden wir auch einen Workshop machen, der auf Ukrainisch angeboten wird und sich damit beschäftigt, wie man Traumata in einem Schreibprozess besser verarbeiten kann.
Für den textualienmarkt ist ja so, dass die Szene aufgefordert ist, experimentelle und besondere Formate einzureichen. Gibt es Programmpunkte, auf die ihr da besonders hinweisen möchtet?
KR: Es gibt ein paar Sachen, auf die ich wirklich gespannt bin, weil wir sie noch nie probiert haben. Zum Beispiel zwei Hörspielgeschichten, die es am Markt zu erkunden gibt, da wirst du, Andi, ja auch beteiligt sein. Das wird eine Art Rundgang, wo die Leute unterwegs sein werden und Texte entdecken. Und der „Pegnesische Blumenorden“, der an einem Irrhain-Museum arbeitet, hat eine App entwickelt, mit der man den Platz erkunden kann. An verschiedenen GPS-Punkten gibt es dann szenisch-musikalische Texte zu hören. Dann haben wir ein schräges Projekt namens „Böhmisch-Fränkische Bierleitung“. Das kommt von der Verwertungsgesellschaft und in Zusammenarbeit mit Theo Fuchs, der ja auch für curt schreibt. Und es gibt ein sehr komplexes Projekt von einer Autorin, die live zusammen mit einer Künstlerin arbeiten wird: Die eine textet, die andere arbeitet an Kunst – und das Publikum kann in diesen Arbeitsraum eintreten. Philipp Krömer und Björn Bischoff, die ein True-Crime-Buch über Erlangen geschrieben haben, werden einen Workshop für eine Nürnberg-Adaption anbieten, also: Wie kann man solche Sachen erforschen und Texte schreiben, die sich mit dunkler Geschichte beschäftigen? Und Elmar Tannert bietet einen Workshop für lokale Krimis an. Solche Hands-on-Geschichten finde ich immer ganz spannend. Es sind immer kurze Formate, maximal eine Stunde lang. Es ist ein Experimentier-Ort, wo wir auch Sachen ausprobieren und nicht alles perfekt sein muss. Es ist wieder echt viel geworden. Ich bin ganz stolz.
Es sind die vierten texttage. Welche Dinge am Festival habt ihr angepasst, was ist neu?
KR: Wir haben mehr Essen und Getränke auf dem Platz, sodass man sich dort lieber aufhält und auch während einer Krimilesung z.B. Kaffee trinken kann. Es wird Chill-out-Areas geben, wo man einfach verweilen kann. Viele Menschen sind auch einfach da, um ins Gespräch zu kommen, was ja genau Sinn der Übung ist, auch wenn man dann mal eine Lesung verpasst. Das Zeitungscafé wird auch geöffnet sein, der Umbau findet zum Glück erst im Anschluss an das Festival statt.
Was sind eure Visionen für die Zukunft der texttage?
GW: Was wir mit diesem Konzept eigentlich anstreben, ist die Internationalisierung. Deswegen war die erste Ausgabe auch mit Gastland Polen. Das würde uns sehr gut gefallen, aber das ist natürlich viel teurer.
KR: Und auch überregional noch bekannter zu werden. Das braucht aber einfach ein bisschen. Und wie gesagt, wir sehen bereits, dass sich das in den Verlagen herumspricht und dass das Festival einen guten Ruf hat. Es kann natürlich auch passieren, dass wir klein bleiben, einfach weil wir die Mittel nicht haben und andere dann diese Sichtbarkeit bekommen.
Ist es denn so, dass die Stadt bei euch sparen will?
KR: Nein, das Konzept, das wir jetzt fahren, ist gesichert. Und man muss schon auch sagen, dass die Stadt sehr dahintersteht. Wir erinnern uns an die Diskussionen um die Kulturstrategie, wo lange darüber gesprochen wurde, ob Nürnberg überhaupt ein Literaturfestival braucht, das war 2019. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, das braucht es. Es ist von der Stadtspitze gewollt, insofern haben wir keine Schwierigkeiten.
GW: Wir bemühen uns daneben immer auch um Förderungen. Aber selbst wenn davon nichts klappt, ist das Mindeste gesichert.
Wenn ihr an die vergangenen vier Festivals zurückdenkt, welche besonderen, überraschenden Momente kommen euch in den Sinn?
KR: Dass der Lieferant die Schranke umfährt und wir zwei Stunden Verzögerung im Aufbau haben und alle total hektisch werden (lacht).
GW: Die positive Überraschung für mich ist immer wieder diese Dynamik unter den Autor*innen, wie sie sich verstehen und gegenseitig unterstützen. Sie saßen in den Lesungen der anderen und haben sich geradezu angefeuert. Das fand ich wunderschön.
KR: Und dass die Menschen, die sich auf den texttagen begegnen, auf einmal Projekte miteinander planen und da neue Sachen und Verbindungen entstehen.
Ihr habt gesagt, Nürnberg braucht ein Literaturfestival. Tatsächlich gibt es ja bekannte Festivals in Erlangen, Fürth und auch in Schwabach, Ansbach, Lauf … Wie geht es euch damit?
KR: Wir sagen immer, es gibt eigentlich so etwas wie einen „Fränkischen Literatursommer“. Vor uns ist Fürth, nach uns dann direkt das KUNO mit „Wortwärts“, dann das „Poetenfest“ … Wir sind umzingelt. Aber alle haben ihr eigenes Flair. Ich bin mit einigen in Kontakt und hoffe, wir kommen irgendwann alle zusammen an einen Tisch und machen da eine gemeinsame Marketingaktion draus, weil das, glaube ich, überregional funktionieren kann.
Gibt es eine*n Autor*in, der euer größter Wunsch wäre, der bislang noch nicht geklappt hat?
GW: Jetzt eigentlich nicht mehr. Ich muss mir eine neue Wunschliste aufbauen.
---
Texttage 2023 - Drei Tage Literatur
7. bis 9. Juli all around the Katharinenruine.
Lesungen und Workshops mit Dmitrij Kapitelman, Fatma Aydemir, Georg M. Oswald, Annika Reich, Yael Inokai, Julia Franck, Dilek Güngör, Doris Dörrie, Eva Müller, Irena Karpa ...
curt ist Medienpartner und verlost Workshops (tba)!
#Autor*innen, #Bücher, #Festival, #Katharinenruine, #lesen, #Lesungen, #Literatur, #texttage, #Texttage 2023, #Workshops